IV

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Beim Mittagessen war schon wieder die ganze Schule in Kenntnis über die Vorkommnisse gesetzt. Ein paar Leute aus Beverlys Klasse hatten herumerzählt, dass sie wohl nur kurz ein Buch aus der Bibliothek holen sollte und danach nicht mehr wiedergekommen war, wieder andere waren fest davon überzeugt, dass sie absichtlich gesprungen war. Amy hatte sich in unserem Zimmer verschanzt, sie war immer noch ziemlich mitgenommen. An unserem Tisch war die Stimmung nicht sonderlich getrübt, wir waren ein wenig stiller und weder Noah, der auch im weiteren Unterricht gefehlt hatte, noch Amy waren erschienen, aber ansonsten ging es. Ich konnte es Mila jedoch an der Nasenspitze ansehen, dass es sie wurmte, dass ihre Freundin sich so Sorgen um ihre Ex machte. Sie versuchte zwar, sich ihre schlechte Laune nicht anmerken zu lassen, aber nachdem ich erzählt hatte, wer das Mädchen war, hatte sich Milas Gesicht merklich verdüstert. Jay, der wie eigentlich immer beste Laune hatte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, uns mit lustigen Geschichten aus seinem Leben zu unterhalten, beispielsweise, wie er herausgefunden hatte, dass er ein Elementbändiger war. Auch, wenn er zur selben Zeit wie ich nach Arcalia gekommen war und anfangs nicht einmal gewusst hatte, was sein Element war, konnte er mittlerweile besser damit umgehen als ich. Nach und in den Ferien hatte ich mein Element nicht mehr benutzt, warum konnte ich nicht genau sagen. Bei der Prüfung war alles glatt gelaufen, zumindest war ich nicht durchgefallen, aber nun hatte ich irgendwie Angst davor, wieder etwas kaputt zu machen. Die ganzen Bücher in der Schulbibliothek hatten Recht, Feuer war das gefährlichste Element. Egal was ich tat, immer musste irgendetwas kaputt gehen.
„Faye?" Jay schnipste vor meinem Gesicht herum. Verwirrt hob ich den Kopf und sah ihn fragend an.
„Was ist?" wollte ich wissen. Jay grinste.
„Du hast überhaupt nicht zugehört, oder?" fragte er und ich schüttelte den Kopf, „Ich habe gesagt, du sollst mal die Geschichte erzählen, wie du dein Element entdeckt hast, die ist immer so witzig."
Ich schüttelte ein weiteres Mal den Kopf und erhob mich, nahm mein Tablett.
„Sorry, ich muss mal eben ganz kurz..." stotterte ich und machte, dass ich wegkam. Jay rief mir irgendetwas hinterher, aber ich achtete nicht darauf und verließ mit eiligen Schritten die Kantine. Heute hatten wir wieder Praxis bei den individuellen Stunden und der Gedanke daran bereitete mir jetzt schon Bauchschmerzen. Schnurstracks steuerte ich unser Zimmer an und betrat es, warf mich auf mein Bett. Amy, die in ihre Bettdecke eingerollt auf ihrem lag, sah kurz zu mir herüber.
„Was ist los?" fragte sie, an ihrer Stimme hörte ich, dass sie geweint hatte.
„Gleich gehen die individuellen Stunden los." versuchte ich, mich zu erklären, „Und ich habe Angst."
„Wieso das denn?" hakte Amy nach und setzte sich auf, ein paar Taschentücher rieselten zu Boden. „Bei den Prüfungen war doch alles okay, oder?"
Ich stöhnte genervt und nickte in mein Kissen, welches ich mir vor das Gesicht presste.
„Warum kann ich nicht einfach Luft oder Wasser kontrollieren?!" beklagte ich mich, „Da macht man nichts kaputt und alles ist gut! Aber nein, ich muss ja unbedingt Feuer haben, als einziges Lebewesen im Universum."
Amy erhob sich und kam auf mich zu, setzte sich neben mich. Das war es, was ich so an ihr liebte. Obwohl es ihr gerade so schlecht ging und sie wahrscheinlich genug eigene Probleme hatte, sorgte sie sich um andere und stellte ihre eigenen Bedürfnisse zurück, etwas, was beispielsweise Maddy nie getan hätte. Sie war zwar meine beste Freundin gewesen und wir hatten eine besondere Verbindung gehabt, aber Maddy wäre nie so selbstlos gewesen wie Amy. Es war nicht so, dass Maddy einen schlechten Charakter hatte oder egoistisch war, sie hatte echt ein Herz aus Gold und war sehr witzig, aber Selbstlosigkeit gehörte nicht zu ihren Charakterstärken.
„Komm, Feuer ist doch toll." versuchte Amy, mich aufzumuntern, „Du lernst einfach, besser mit deinem Element umzugehen und dann ist Feuer toll, du wirst sehen."
Ich schüttelte missmutig den Kopf und ließ mich nach hinten fallen. Auch Amy legte sich neben mich und strich mir eine rostrote Haarsträhne aus dem Gesicht. Glücklicherweise wusste ich, dass sie nicht auf mich stand, sonst hätte mich diese Geste ein wenig verwirrt.
„Du musst es nur wollen." meinte sie und richtete sich auf, zog mich hoch, „Und jetzt ab zu deiner individuellen Stunde, die beginnt in fünf Minuten."

„Uh, erinnere mich bloß nicht daran!" stöhnte ich, quälte mich allerdings dennoch in die Senkrechte. Ich konnte schlecht einfach der Stunde fernbleiben, damit würde ich mein Zeugnis sicher nicht verbessern. Ich umarmte Amy noch einmal flüchtig, dann eilte ich zur Turnhalle und kam gerade noch rechtzeitig, zu Beginn der Stunde. Jay drängelte sich zu mir durch, Cole im Schlepptau und... ja, das war Corey. Was wollte die denn jetzt bei uns? Ja, klar, wir hatten uns noch vor den Weihnachtsferien recht gut verstanden, vor allem, weil ich Corey das Leben gerettet hatte, denn wir hatten uns danach nicht mehr gestritten und ich hatte außerdem das Gefühl, dass Corey mich zwar noch immer nicht sonderlich gut leiden konnte, aber mir immerhin gewissermaßen dankbar war. Doch dicke Freunde würden wir beide wohl in diesem Leben nicht mehr werden, zu groß waren unsere Differenzen und Coreys Hass auf alle Feuerbändiger. Okay, irgendwie war das auch verständlich, wenn man bedachte, dass meine Vorfahrerin, der ich sehr ähnlichsah, so ziemlich die Hälfte aller Elementbändiger abgeschlachtet hatte. Zumindest war das Coreys Ansicht, während ich der festen Überzeugung war, dass man mich nicht für die Taten meiner Urahnen verurteilen konnte.

„Was machst du denn hier?" wollte ich von Corey wissen und konnte nicht verhindern, dass ich dabei ein bisschen unhöflicher als geplant klang.

„Aiyana ist krank." Entgegnete Corey kurz angebunden, „Und da hatte ich mir gedacht, dass vielleicht wir beide heute zusammen trainieren könnten."

Okay, was war mit Corey los, dass sie plötzlich so nett war und sogar mit mir trainieren wollte, obwohl sie wahrscheinlich damit rechnete, dass ich sie jeden Moment umbringen würde.

„Wie komme zu der Ehre?"

Corey zuckte mit den Schultern.

„Hör mal, ich kann dich immer noch nicht so besonders leiden." Platzte sie dann heraus, „Aber du hast mir das Leben gerettet – auch, wenn. Es so melodramatisch klingt, es auszusprechen."

Oh ja, da hatte sie recht, das tat es.

„Und deswegen sollte ich wohl nett zu dir sein." Beendete Corey ihren Vortrag, „Also, ganz offiziell: Danke nochmal. Du willst mich anscheinend doch nicht umbringen."

„Mal gucken, was du nach der Stunde sagst." Scherzte Jay, „Faye hat ihr Element sowas von gar nicht unter Kontrolle."

„Hey!" beschwerte ich mich, „Es ist schon besser geworden. Cole, hilf mir!"

Gut, es war vielleicht nicht ganz fair, einen Jungen zu Hilfe zu rufen, der höchstwahrscheinlich einen Crush auf mich hatte, aber so konnte ich immerhin sicher sein, dass er mich verteidigen würde.

„Ja, das stimmt." Pflichtete Cole mir auch gleich bei, „Natürlich ist es nicht perfekt, aber Faye, du besserst dich wirklich sehr."

„Spaßverderber." Murrte Jay, doch das Grinsen wich nicht von seinem Gesicht und ich musste unwillkürlich lachen. Doch bevor wir weiterreden konnten, kam M. Aprice in die Turnhalle und brachte die Schar der Schüler zum Schweigen.

„Heute wird es spannend." Verkündete der Lehrer, als er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, „Wir üben heute... ungewöhnliche Eigenschaften unserer Elemente zu nutzen!"

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Ich hab total vergessen, dass ich das hier noch in Reserve hatte

FeuerkampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt