In dieser Nacht schlief ich alles andere als gut. Wir hatten am Vorabend noch lange bis in die Nachtruhe hinein diskutiert und uns unterhalten, hatten Ängste, Vermutungen und Befürchtungen bezüglich dieser Angelegenheit ausgetauscht und waren zu dem Schluss gekommen, dass spekulieren uns nicht weiter-, sondern nur durcheinanderbrachte. Wir wussten schlichtweg nicht, wieso Sam hatte sterben müssen und ob Beverly nun gefallen war oder nicht.
Amy hatte uns alle jedoch erinnert, dass seit Beverlys ‚Unfall' vor mehreren Wochen nichts mehr geschehen war und wenn man davon ausging, dass es tatsächlich nur ein Sturz ohne äußerliche Einflüsse gewesen war, war schon seit Dezember wieder alles ruhig. All das sprach dann doch dafür, dass es sich wohl um eine persönliche Fehde gegen Sam gehandelt hatte, die nun abgeschlossen war. Trotzdem war ich unruhig und wälzte mich viel hin und her. Nicht nur die Sache mit dem Mord und dem Sturz von Beverly beschäftigte mich, sondern auch das Gespräch mit der Schulleiterin und Dr. Yun lastete schwer auf mir.
Ich machte mir einfach zu viele Sorgen, zumindest versuchte ich, mir das einzureden, aber ich kam nicht dagegen an, dass ich doch sehr beunruhigt war. Ich konnte einfach nicht glauben, dass der Mord an Sam so zufällig geschehen war, dass die Sache schon erledigt war. Es wäre schön – oder wenigstens irgendwie befreiend – zu wissen, dass ich mir diesbezüglich keine Sorgen machen musste, doch irgendwo in mir drin war eine kleine Stimme, die mir sagte, dass all das doch größer war als zuvor gedacht.
Ich konnte lange nicht einschlafen und als es mir dann doch endlich gelang, hatte ich einen merkwürdigen Albtraum nacheinander. Ich träumte von Sam, die über ihrer eigenen Leiche stand und mich anblickte, sich dann in Maddy verwandelte und mit dem Messer in der Hand auf mich zukam.
Ich wachte mehrfach auf und konnte auch danach nur schwer wieder einschlafen, war also am nächsten Morgen entsprechend gerädert. Ich frühstückte noch mit halb geschlossenen Augen und schleppte mich anschließend zum Chemieunterricht. Glücklicherweise musste ich mich nicht sofort konzentrieren, sondern bekam noch eine Chance, richtig aufzuwachen, denn Mrs. Walsh betrat den Klassenraum und kurz nach acht und verkündete, dass alle Stimmen ausgezählt worden waren und nun klar war, wer für den diesjährigen Ball verantwortlich sein würde.
Leider war Mila nicht ins Komitee gewählt worden, aber Amy hatte Erfolg und wurde gebeten, gemeinsam mit sieben anderen deren Namen mir nichts sagten nach dem Unterricht zu Mrs. Walsh ins Büro zu kommen, damit sie alles besprechen konnten. Tatsächlich war ich nach dieser Ankündigung etwas wacher und schaffte es sogar, zuzuhören und mir ein paar Notizen zu machen.
In der Pause begab ich mich in die Bibliothek, um dort nach Büchern zu suchen, in denen ich Informationen über das ganze Dilemma mit der zweiten Person zu finden hoffte. Ich fand tatsächlich einige Bücher, vor allem über die Taktik, mit der die Säuberung vorgenommen wurde und setzte mich in einen der großen Sessel. Bevor ich die Bücher auslieh, wollte ich lieber nachgucken, ob es sich überhaupt lohnte.
Fulgur mortiferum
Bei dem Fulgur Mortiferum handelt es sich um eine äußerst gefährliche und in den allermeisten Fällen tödliche Eigenschaft der Elemente, die in Form eines gleißend weißen Blitzes sichtbar wird. Vereinen drei Elementbändiger verschiedener Elemente beziehungsweise Gentypen ihre Kräfte, können sie so einen solchen Blitz hervorrufen, wenn sie ihre Hände hintereinanderlegen und Kraft durch alle drei Hände leiten.
Solch ein Blitz hat nichts mit jenen Blitzen zu tun, die sich während eines Gewitters entladen, sondern ist vielmehr eine kontrollierbare Kraft, welche sich gezielt gegen einzelne Personen einsetzen lässt. Peilen alle drei Erzeuger des Fulgur Mortiferum ein gemeinsames Ziel an, so wird der Blitz zielsicher dort einschlagen und die Person töten. Werden verschiedene Ziele visiert, ist der Blitz ein wenig schwieriger zu kontrollieren, könnte ausschlagen und andere treffen, die ursprünglich nicht als Ziel bedacht waren. So ist er als präzise und sichere Tötungsmethode einsetzbar, die ihre Opfer nicht leiden lässt. Von einem solchen Blitz getroffen, erleidet das Opfer einen Herzstillstand und fällt tot zu Boden. Die Wiederbelebung des Toten ist möglich, wurde bisher aber nur sehr selten dokumentiert.
Während er also nicht fähig ist, großflächigen Schaden anzurichten, findet der Fulgur mortiferum jedoch vor allem bei der Vertreibung von zweiten Personen (Wiedergeburten) einen Nutzen, indem...
Ein Schatten beugte sich über mich. Ich sah verblüfft hoch und begegnete dem Blick von Will, der mich aus seinen gelben Augen eindringlich ansah. Als er bemerkte, dass er meine Aufmerksamkeit erlangt hatte, setzte er sich seelenruhig in den Sessel mir gegenüber und lehnte sich zurück, die Hände locker auf den Oberschenkeln abgelegt.
„Hi?", sagte ich mehr als verwirrt und ließ das Buch sinken, „stimmt etwas nicht?"
„Du denkst zu viel", entgegnete Will, wie immer völlig ohne Kontext und Erklärung, „und dabei vergisst du die wichtigsten Dinge."
Ich legte verwirrt den Kopf schräg.
„Wie meinst du das?"
„Verwirrung ist ein äußerst irreführender Zustand", Wills Augen schienen aufzuglimmen, als er diese Worte sprach, „hüte dich, dass du aus dem Labyrinth der Gedanken findest, bevor es dich verschlingt und nur verirrte Knochen zurücklässt."
„Ist das eine Prophezeiung?", rutschte es mir heraus und für einen Moment schien es so, als könnte ich hinter Wills Maske blicken, denn seine gruselige Fassade bröckelte für einen Moment und wurde weicher, bevor er sich schließlich fangen konnte und weitersprach, genauso hart und kalt wie vorher.
„Der Tod ist ein grausames Gebilde. Darüber zu reden, spendet Trost und verwirrt zugleich. Aber nicht nur du denkst über die Geschehnisse nach."
„Was soll das heißen?", hakte ich nach, „Was meinst du damit? Meinst du das Gespräch zwischen mir und den Mädels gestern Abend? Woher weißt du davon?"
Will sah mir direkt in die Augen, während er aufstand und seelenruhig sein Oberteil glatt strich.
„Denk nach", wies er mich an, „aber denk korrekt."
Ich schnaubte und sah Will nach, der aus der Bibliothek schlenderte, vollkommen ruhig und mit sich und der Welt zufrieden. Wie zur Hölle sollte ich korrekt denken? Was war denn korrekt? Was war denn richtig? Wollte er mir damit irgendwelche Hinweise geben? Vielleicht war das ja wirklich eine Prophezeiung gewesen. Oder aber er war wirklich nur ein wenig durchgeknallt, so wie alle sagten. Ob er wohl noch an seinen Chroniken des Todes arbeitete? Wer war wohl alles dazugekommen?
Oder aber Will wollte einfach Aufmerksamkeit und erhoffte, sie von mir zu bekommen. Immerhin war ich ja im letzten Halbjahr vor seiner Zimmertür aufgetaucht und hatte ihn über seine Skizzen ausgefragt, da war es anscheinend logisch, dass er mich hinterher immer wieder mit seinen gruseligen Andeutungen belästigte. Aber was wusste er nur, was ich nicht wusste und warum konnte er nicht einfach Klarschiff machen und auf den Tisch legen, was er wusste und was nicht? Dieses Katz-und-Maus-Spiel half doch keinem von uns weiter!
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass die Pause schon so gut wie um war und ich mich beeilen musste, wenn ich noch pünktlich zum Unterricht kommen wollte.
Ich lieh mir eilig das Buch aus, in dem ich gelesen hatte, bis Will gekommen war und hetzte zu der nächsten Stunde.
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(~1164)Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? Es ist leider etwas kurz :(
Ich hoffe, euch allen geht's gut und ihr bleibt gesund und glücklich.. ich hab heute nicht wirklich was zu melden, deswegen würde ich ganz gerne noch einmal auf mein zukünftiges Q&A hinweisen.
Die Infos dazu stehen im letzten Kapitel und ich würde mich wirklich freuen, wenn noch ein paar Leute ein paar Fragen stellen würden. Stellt gerne so viele Fragen, wie ihr möchtet, an welche Charaktere auch immer (auch verstorbene Charaktere oder an mich, die Autorin) und entweder am Ende diesen Buches oder am Ende des dritten Teils (je nachdem, wie schnell ich wie viele Fragen zusammenbekomme) werde ich dann ein Q&A-Kapitel mit den Antworten hochladen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
<3 MissWriter13 aka Lotta
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Feuerkampf
FantasyFaye kommt nach den Weihnachtsferien zurück auf das Internat, genau wie alle anderen Schüler auch. Doch die Situation hat sich zugespitzt. Nach dem Tod einer Mitschülerin ist nun nichts mehr, wie es war. Merkwürdige Ereignisse geschehen und es werde...