Freund und Feind

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Terra legte die Ohren an und versuchte, sich im Gebüsch möglichst klein zu machen. Hechtkralle an ihrer Seite wirkte genauso angespannt wie sie. Wie Schattenstern es Spitzfell befohlen hatte, hatte der hellbraune Kater eine Gruppe von Katzen zusammengestellt, die das FeuerClan- Lager finden würden, um herauszufinden, wie sie Traumschweif und Seelenpfote befreien konnten. Nun hockten die WindClan- Krieger im Unterholz und lauschten auf verdächtige Geräusche. Doch etwas stimmte nicht. Trotz des starken FeuerClan- Geruchs hörten sie nichts. Es war zu leise, zu ruhig.

Müsste ich nicht wenigstens Pfotenschritte hören?, dachte die gefleckte Kätzin. Die Sonne ist schon lange aufgegangen. Es sei denn...

Eine schreckliche Ahnung überkam sie. So leise wie möglich lehnte sich Terra zu Hechtkralle rüber. »Kann es sein, dass wir zu spät sind? Dass sie Traumschweif und Seelenpfote bereits weggebracht haben?«

Der blaugraue Kater zuckte mit den Ohren und wagte es, einen Blick zwischen den Zweigen des Strauchs hindurch auf die Lichtung zu werfen. Dann wandte er sich erneut ihr zu: »Ich sehe nur Sonnenblume. Sie hockt völlig verängstigt zwischen den Wurzeln einer Eiche.«

»Fragen wir sie. Sie ist eine Kätzin und wird uns verstehen. Sicher hatte sie auch mal Junge, die sie bis zum Tod beschützen würde.«

»Sie hatte ein Junges und das hat sie weggegeben.«

»Was?«

»Funkenjunges lebt jetzt bei uns«, erklärte Hechtkralle. »Hätte Weißklee ihn damals nicht mitgebracht, wäre er wahrscheinlich verhungert. Sonnenblume hat ihn draußen ausgesetzt.«

»Oh«, sagte Terra nur. Wie kann eine Mutter ihr Junges verstoßen? Ihre Gedanken wurden jedoch von einem plötzlichen Ruf unterbrochen. Sie sah zwischen den Zweigen hindurch. Direkt neben Sonnenblume trat Blendfeuer aus den Schatten des Baumes hervor und drückte die gelbbraune Kätzin grob gegen den Stamm. Nun erhoben sich auch die restlichen WindClan- Katzen aus ihren Verstecken und traten auf die Lichtung, angeführt von Spitzfell. Der hellbraune Kater trat zu Blendfeuer und bedeutete ihm, beiseite zu treten. Er fauchte unwillig, gehorchte dann aber.

»Wo sind alle hin?«, knurrte Spitzfell Sonnenblume an, die sich vor ihm zu Boden gekauert hatte. Ihr Fell war mit Schrammen und roten Krallenspuren überzogen und eines ihrer Ohren war nur noch ein blutiger Fetzen. Sie sah erbärmlich aus, wie sie sich wimmernd am Boden hin und her wand. Der hellbraune Kater vor ihr hob warnend eine Pfote. »Ich frage nicht nochmal!«

»Es tut mir leid, es tut mir leid...«, murmelte die Kätzin vor sich hin, drehte sich auf den Rücken und reckte ihm ihre Kehle entgegen. »Töte mich. Dann muss ich diese Schmerzen nicht mehr ertragen. Diese Schmerzen...«

Angeekelt und erschrocken wichen alle Katzen vor ihr zurück. »Erlösen wir sie?«, fragte Blendfeuer schließlich. Die Wut, die vorher in seinen blauen Augen gefunkelt hatte, war erloschen. Er deutete auf Sonnenblume, die nun auf Spitzfell zu kroch und ein Schnurren aus ihrer Kehle herauspresste. »Sie ist verrückt geworden wegen der Gewalt, die ihr angetan wurde.«

Doch der hellbraune Kater zögerte. Terra wusste, warum. Sie hatte Weißklee einst gefragt, wer die weiße Kätzin Himmelglanz war und warum Spitzfell sich so sehr um sie sorgte. Und Weißklee hatte ihr erklärt, dass Himmelglanz verrückt geworden war, nachdem ihr Gefährte bei den Kämpfen gestorben war. Nun kümmerte ihr Sohn sich um sie, den sie jedoch nicht erkannte, weil ihre Sinne zu vernebelt waren. Wahrscheinlich erinnerte Sonnenblume den hellbraunen Kater an seine Mutter und er empfand Mitleid mit ihr.

»Sie wird keine Junge mehr bekommen«, krächzte plötzlich eine ihr unbekannte Stimme. Alle drehten sich um und Terra erkannte einen alten und gebrechlichen Kater, der sich auf dürren Beinen zu ihnen hinüber schleppte. Seine grünen Augen hatte er auf Sonnenblume gerichtet, doch trotzdem blickte er ins Leere.

Warrior Cats - Dunkle SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt