Als die WindClan- Katzen den Schrei hörten und zum Flussufer stürmten, war es schon zu spät. Sprenkeljunges blieb kaum Zeit, um zu begreifen, was geschehen war, da eilte Weises Reh auch schon davon. Die rotbraune Kätzin mit dem schwarzen Fleck auf der Brust war während der Tage im Zweibeinerort erstaunlich erwachsen geworden und Sprenkeljunges hatte den Eindruck, dass sie sich mehr um ihre Clan-Gefährten als um sich selbst kümmerte. Seit Weiser Falkes Tod lastete sogar noch mehr Verantwortung auf ihr.
»Was ist passiert? Ist einer deiner Brüder in den Fluss gefallen?«, witzelte Funkenpfote, der auf der Seite lag und dessen Schramme an der Flanke Weises Reh bis vor Kurzem noch behandelt hatte.
»Das ist nicht lustig!«, entgegnete Sprenkeljunges barsch. Schnellen Schrittes folgte sie der jungen Heilerin durch die Katzenmenge nach vorne und bereute es sofort. Pure Angst umklammerte ihr Herz und unwillkürlich wich sie einige Schritte zurück.
Umgeben von einer roten Blutlache lag Himmelglanz im gelblichen Gras, die Kehle aufgeschlitzt und den leeren Blick irgendwo nach oben gerichtet. Ihr Lebenssaft floss gemächlich in das Wasser des Flusses und bildete dort dunkle Schlieren.
»Wer hat das getan?«, fauchte Efeubein und musterte misstrauisch jeden einzelnen seiner Clan-Gefährten. »Es gibt hier keine anderen Katzen als uns in der Nähe!« Mit gebleckten Zähnen stellte er sich vor Wolfsherz auf. »Es war dieser ErdClan-Abschaum, der sich mit schönen Worten in unsere Gruppe geschlichen hat!«
»Nein!«, rief die hellgraue Kätzin erschrocken. »Ich schwöre, dass ich es nicht war! Ich schwöre beim SternenClan!«
»Ich bürge für sie!«, schritt Luchsohr für Wolfsherz ein und drängte Efeubein zurück. Sprenkeljunges fiel auf, dass Tannennadel ihrem Gefährten wütende Blicke zuwarf, die er aber nicht zu bemerken schien.
»Es war keiner von uns«, meldete sich auf einmal Weises Reh, die sich neben Himmelglanz' Leichnam niedergelassen hatte. Mit einer Pfote deutete sie auf eine Spur aus niedergetretenem Gras und abgeknickten Halmen, die in das weite Flachland hinausführte. »Wir sind hier nicht alleine.«
Auf diese Worte folgte betretenes Schweigen. Efeubein trat peinlich berührt von einer Pfote auf die andere, bevor er sich mit Spritzklang an seiner Seite von der Gruppe löste und verschwand. Blendfeuer war der erste, der aussprach, was alle dachten: »Heißt das, wir haben Donner, Blitz, Sturm und Wirbel endlich gefunden?«
Alle Blicke richteten sich auf Schattenstern. Die Anführerin schaute immer noch niedergeschlagen auf Himmelglanz hinab. Mittlerweile hatte sich das Wasser des Flusses dunkelrot gefärbt. Für einen kurzen Augenblick meinte Sprenkeljunges, zwei gelbe Augen zwischen zwei Wellen zu sehen, von denen eines von einer Narbe entstellt war. Doch als sie blinzelte, war das Bild sofort wieder verschwunden.
»Wenn wir sie gefunden haben«, miaute Schattenstern schließlich. »So sind sie uns gegenüber nicht friedlich eingestellt. Wir müssen auf der Hut sein. Luchsohr!« Der gelbbraune Kater wandte sich ihr zu. »Organisiere für diese Nacht eine doppelte Wache.« Er nickte, woraufhin die schwarze Kätzin sich an alle Katzen wandte. »Entfernt euch nicht zu weit vom Mittelpunkt unseres Lagers! Behaltet die Umgebung im Blick! Wir wissen nicht, wer diese Katzen sind und was sie von uns wollen. Die Versammlung ist beendet.«
Allmählich zerstreute der WindClan sich, doch Sprenkeljunges blieb noch bei ihrer Mutter. Vorsichtig tappte sie zu ihr. »Schattenstern?«
Die schwarze Kätzin fuhr aus ihren Gedanken hoch, sah sich um und schnurrte, als sie ihre Tochter erkannte. »Was ist los, meine Kleine?«
»Ich habe Angst«, sagte sie ganz offen. »Warum können wir nicht einfach irgendeinen Ort finden, wo niemand uns töten möchte und dableiben?«
Ihre Mutter blickte sie streng an. »Das funktioniert so nicht. Wir haben eine Prophezeiung vom SternenClan bekommen, die wir erfüllen müssen.«
»Wird sie sich nicht auch ohne uns erfüllen?«
Schattenstern schwieg eine Weile. »Erst letzte Nacht hatte ich einen Traum«, begann sie zögernd. »Wind, die allererste Gründerin unseres Clans, kam zu mir und überbrachte mir eine neue Prophezeiung: ›Wenn Wind und Donner aufeinandertreffen, wird der Frieden gebrochen. Nur die Erde kann den Krieg der Clans verhindern.‹«
»Und was bedeutet das?«, fragte Sprenkeljunges verwirrt.
»Es wird Krieg geben, wenn wir diese Erde nicht finden.«
»Aber wenn Wind und Donner gar nicht aufeinandergetroffen wären, würde es den Krieg gar nicht geben!«
»Es würde vieles nicht geben, wenn wir gar nicht aufgebrochen wären«, miaute Schattenstern und stand auf. »Einige Opfer müssen gebracht werden.« Und dann ging sie.
Warum muss sie immer so dramatisch sein?, dachte Sprenkeljunges verärgert. Ohne es wirklich zu wollen, stieß sie Himmelglanz' Leichnam frustriert mit der Pfote an. Sie wusste zwar, dass es sich nicht gehörte, schlecht über tote Katzen zu denken, aber sie war trotzdem froh, dass diese verrückte Kätzin gestorben war.
Plötzlich drehte sich der Wind und wehte ihr einen seltsamen Geruch in die Nase. Die gesprenkelte Kätzin schnüffelte neugierig. Es roch nach Schlamm und Dreck. Und noch etwas... Eine Katze? War das vielleicht der Geruch des Mörders? Ihre Chancen abwägend schaute sie auf die kaum sichtbare Spur im Gras, auf die Weises Reh gedeutet hatte. Langsam, Pfote für Pfote, näherte sie sich dem Pfad. Grashalme streiften ihren Pelz und kratzten unangenehm an ihren Ohren. Warum muss das Gras auch so hoch sein?
Irgendwann wurden ihre Schritte schneller, ihr Wille entschlossener. Ich habe genug Kämpfe miterleben müssen! Der Anblick von Spitzfell, der im Maul des riesigen, grauen Wolfes durchgeschüttelt und dann achtlos zur Seite geworfen wurde, verfolgte sie immer noch in ihren Albträumen. Man kann Konflikte auch anders regeln! Man kann reden. Vielleicht hören diese Katzen ja auf das, was ich zu sagen habe.
Als die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hatte, schwanden Sprenkeljunges allmählich die Kräfte. Wie groß ist dieses Flachland eigentlich? Die Spur im Gras hatte sie schon lange verloren und orientierte sich nur noch am Geruch. Aber irgendwie roch dieser anders als der, den sie zuvor wahrgenommen hatte. Er war etwas... blumiger? Sie hatte absolut keine Ahnung, wo sie war. Bei dieser Erkenntnis hielt sie an und sah sich um.
Ihre Umgebung bestand nur aus hohem Gras, das bei jedem Windstoß leicht hin und her wogte. Die Erde war locker erstaunlicherweise sehr trocken, fast staubig. War der Fluss wirklich schon so weit weg? Verzweifelt versuchte sie, wenigstens am Himmel irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, wo sie denn jetzt genau war, aber sie Sonne blendete sie. Ein kalter Schauer fuhr ihr über den Rücken. Sie hatte sich verirrt.
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Diesmal ein etwas kürzeres Kapitel, das euch (hoffentlich) trotzdem gefällt :) Jetzt noch einige gute und schlechte Neuigkeiten.
Die schlechte: Das Buch ist bald zu Ende.
Die gute: Natürlich wird es eine Fortsetzung geben.
Die schlechte: Das Cover-Buch, wo ich die vorherigen Covers her habe, wurde zurückgezogen oder gelöscht :( Deswegen brauche ich irgendwen, der für mich ein schönes Cover im Stil der vorherigen Bücher erstellen kann. Genauso dunkel und schlicht bitte. Ich weiß, dass einige gerne noch unten irgendwelche kleine Katzen hinzufügen, aber die brauche ich nicht :)
Die gute: Es wird auch diesmal am Ende ein Fakten-Kapitel und eine Hymne an die Gefallenen geben. Zusätzlich erkläre ich euch die Spielregeln zu dem Kartenspiel, von dem eine Karte immer über den Kapiteln eingefügt ist.
Jetzt noch eine Frage: Bei einer Hauptfigur für den nächsten Band bin ich mir schon sicher (Fun Fact: Mir ist aufgefallen, dass ich lieber aus der Sicht einer Kätzin schreibe XD). Jedenfalls wollte ich fragen, ob ihr noch irgendwelche Wünsche bezüglich der Hauptfigur/en habt. Letztes Mal habe ich ja offenbar einige enttäuscht, dass ich nicht von Anfang an das Meistgewählte (also Weises Reh und Sprenkeljunges) genommen habe, aber ich kann eine so komplizierte Geschichte nicht ausschließlich aus der Sicht einer jungen Katze schreiben, die zudem noch die anderen Katzen erst kennenlernen muss, bevor sie mit ihnen interagiert (deswegen kam Sprenkeljunges erst später dazu). Jetzt ist das Ganze allerdings etwas freier, weil jeder jeden schon so halbwegs kennt. Also: Habt ihr Wünsche?
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Warrior Cats - Dunkle Sterne
FanfictionACHTUNG! Ihr müsst erst »Warrior Cats - Finstere Wolken« gelesen haben, bevor ihr das hier lest. Nach Schattensterns Flucht vor den Clans und den Gesetzen des Windes macht sich die Gruppe aus zweiundzwanzig Katzen auf den Weg zu den Überlebenden des...