Prophezeiungen und Gäste

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Terra bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Luchsohr und Tannennadel schienen sich gestritten zu haben und saßen weit auseinander zwischen den restlichen WindClan- Katzen. Vogelschweif und Wolfsherz hatten die Köpfe dicht zusammengesteckt und tuschelten leise, während Efeubein völlig abseits hockte und alle anderen zu ignorieren schien.

»Ist die Stimmung immer so?«, fragte Aqua nicht sehr begeistert. Die beiden Kätzinnen hatten Fremdschatten weiter flussabwärts beerdigt, weil sie an der falschen Stelle aus den unterirdischen Tunneln an die Oberfläche gekommen waren. Wahrscheinlich war das auch gut so. Die gefleckte Kriegerin hatte noch immer nicht genügend Mut gesammelt, um der Schwarzen Blüte beichten zu können, dass sie für den Tod ihrer Eltern und ihres Bruders verantwortlich war.

»Eigentlich nicht«, antwortete Terra der gestreiften Kätzin. Mit den Augen suchte sie nach Hechtkralle und fand ihn schließlich. Er redete eindringlich mit Spritzklang und Kräuselsturm, dem Kater, der sich kurzfristig noch dem WindClan angeschlossen hatte. »Was ist hier los?«, fragte sie bei ihm angekommen.

»Wir haben Donner, Blitz, Sturm und Wirbel gefunden«, entgegnete der blaugraue Krieger bedrückt.

»Das sind doch gute Neuigkeiten«, miaute sie und musste ein Schnurren unterdrücken, weil Spritzklang Aqua mit so großen und fragenden Augen musterte, dass sie denen einer Eule ähnlich sahen.

»Himmelglanz ist tot. Sie wurde ermordet«, erklärte Hechtkralle einsilbig.

Terra erstarrte. »Von wem?«

Ihr Gefährte schüttelte den Kopf. Offenbar redete er nicht gerne, wenn eine Katze gestorben war. Spritzklang beantwortete die Frage für ihn: »Wahrscheinlich von eben diesem Donnerblitzwirbelsturm, den wir finden sollten.«

»Wovon redet sie?«, wollte Aqua wissen.

»Wer bist du überhaupt?«, zischte die cremefarbene Kätzin sie an und wandte sich dann an Terra. »Wo hast du sie gefunden? Im Zweibeinerort? Gehört sie zum Stamm?«

»Nein«, beruhigte die gefleckte Kriegerin sie. »Sie hat Hechtkralle und mir das Leben gerettet.« Sofort sah Spritzklang beschämt zu Boden. »Wo ist Schattenstern?«

Wortlos deutete Hechtkralle auf die schwarze Anführerin, die bei den drei Wölfen war. Weises Reh war bei ihr und legte Keet einen Kräuterumschlag auf die rechte Vorderpfote. Eilig trabte Terra auf sie zu und vergewisserte sich noch, dass Aqua ihr auch folgte. Bei der Schwarzen Blüte angekommen, erhob sich sofort Brud auf die Pfoten und musterte misstrauisch die gestreifte Kätzin hinter ihr. Auch die Anführerin selbst warf zuerst einen Blick auf Aqua, bevor sie Terra mit einem Nicken zum Reden ermutigte.

»Schattenstern...« Ihre Stimme stockte. Jetzt ist die richtige Gelegenheit! Meine Chance, bei ihr um Vergebung zu bitten! Aber die Wölfe... Sie werden mich bestimmt zerfleischen, wenn sie merken, dass die Schwarze Blüte wütend auf mich ist.

»Nun?«, hakte die schwarze Kätzin nach. »Du willst mir doch sicher erklären, wer diese Fremde ist, die du mitgebracht hast?«

»Wenn du erlaubst...« Mit einer ehrfürchtigen Verbeugung trat Aqua selbst vor. »Ich bitte darum, mich deinem Clan anschließen zu dürfen. Mein Name ist Aqua. Ich lebte bis vor Kurzem noch in der Kanalisation des Zweibeinerortes, aber dort ist es jetzt zu gefährlich, nachdem die Schlitzschwestern an die Macht gekommen sind.«

Als Schattenstern schwieg, fügte Terra noch hastig hinzu: »Sie hat Hechtkralle und mir das Leben gerettet.«

»Aber für Mila und Fremdschatten haben ihre Mühen nicht gereicht?«

Aqua legte den Kopf schief ohne aufzublicken. »In meiner Höhle ist nur eine weitere Katze gestorben, keine zwei.«

»Die Katzen vom Stamm der tanzenden Knochen haben Mila über den Rand einer Schlucht gehetzt«, erklärte Terra mit belegter Stimme. »Ich konnte es nicht verhindern. Es tut mir leid...« Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst. Warum ist es so leicht, sich für Milas Tod zu entschuldigen und so schwer, auch nur an die Familie der Schwarzen Blüte zu denken. Ich wollte das alles nicht...

Die schwarze Kätzin wechselte einen Blick mit Brud. Der graue Wolf beugte sich zu Keet und Ami hinüber und knurrte ihnen etwas ins Ohr, woraufhin beide ein wehleidiges Jaulen von sich gaben. Erschrocken sprangen alle Katzen bis auf Schattenstern selbst zurück.

»Keine Sorge«, beruhigte die Anführerin ihre Clan-Gefährten. »Sie hegen keinen Groll gegen euch. Das ist ihre Art zu trauern.« Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass Weises Reh mit wehendem Schweif davoneilte und sich zu Wirbelwasser hindurchdrängte, die immer noch schwer verletzt war und sich nicht bewegen konnte. Die Schwarze Blüte nickte Aqua freundlich zu. »Willkommen im WindClan, Aqua. Ich hoffe, du wirst dich zwischen deinen neuen Clan-Gefährten wohl fühlen.«

»Danke.« Die gestreifte Kätzin wandte sich zum Gehen und Terra wollte ihr gerade folgen, als die Anführerin sie zurückhielt.

»Nein! Warte!«

Die hellgrau-schwarze Kriegerin drehte sich um.

»Ich muss mit dir reden.«

Verwundert setzte Terra sich. »Worüber?«

Die Schwarze Blüte seufzte resigniert und blickte zum Himmel hoch. »Weißt du, manchmal denke ich, dass der SternenClan uns mit seinen ewigen Prophezeiungen und Hindernissen prüfen möchte. Ob wir wirklich ein Clan sind und zusammenhalten, wenn die Zeiten schwer sind.«

Toller Anfang, dachte Terra und erinnerte sich an die kleinen Grüppchen, die sie bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Was kommt jetzt? Sie kann sich doch nicht wegen so einer Kleinigkeit so große Sorgen machen?

»Wir haben viele Katzen verloren, zu viele. Von einigen weiß ich nicht mal, ob sie überhaupt noch leben...«

Terra schwieg, obwohl sie genau wusste, wen die schwarze Kätzin meinte. Traumschweif und Seelenpfote. Und vielleicht auch noch Aschenhaar. Wenn sie nur wüsste, was der Stamm mit ihnen gemacht hat... Was ich mit ihrem Bruder gemacht habe... Aber da war auch noch etwas Anderes in dem Blick der Anführerin. Etwas Weiches, Sanftes. An wen dachte sie? Liebte sie etwa jemanden?

»Doch sobald wir einen Feind hinter uns haben, taucht vor uns ein neuer auf«, fuhr die Schwarze Blüte fort und gab ein frustriertes Fauchen von sich. »Nun sag mir, Terra, bist du die besagte Erde, die den Krieg der Clans verhindern kann?«

Geschockt starrte die gefleckte Kätzin ihre Anführerin an. Woher weiß sie davon! Ich habe es niemandem gesagt außer... außer Hechtkralle! Unwillkürlich sträubte sich ihr Nackenfell, doch als Brud ein leises Knurren vernehmen ließ, besann sie sich schnell eines Besseren und legte es wieder an. »Ich... ich weiß es nicht!«, stieß sie hervor.

»Du weißt es nicht?« Schattenstern schien überrascht.

»Ich...« Terra seufzte. Mit stockenden Worten erzählte die hellgrau-schwarze Kätzin ihrer Anführerin, wie Wind ihr die Prophezeiung in einem Traum überbracht hatte. Dann erzählte sie, was ihr in dieser ›Zwischenwelt‹ passiert war, in der sie hatte ausharren müssen, nachdem man sie verletzt hatte. Sie erzählte von Fluss uns seinen seltsamen Aussagen über Prophezeiungen, dass er nur der Überbringer der Nachricht war und selbst praktisch nie sicher war, was sie genau bedeuteten. Sie erzählte von ihren unendlich vielen Versuchen, den Weg zum Leben zu finden, bis Glutjunges ihn ihr gezeigt hatte. Die ganze Zeit über hörte die Schwarze Blüte aufmerksam zu und als sie zu Schneeauge-Rußpelz, Rotwind und den Jungen kam, schnurrte die schwarze Kätzin leise vor sich hin.

»Ich verstehe«, sagte Schattenstern, als Terra geendet hatte. Ihr trübes Auge starrte die Kriegerin an als wolle es ihr das Schuldgeständnis herausziehen.

Plötzlich ertönte ein lauter Ruf. Es war Blendfeuer. Seine Stimme klang verärgert und panisch zugleich: »Schattenstern! Zwei Katzen sind hier und wollen mit dir sprechen!«

Warrior Cats - Dunkle SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt