02 - Sauber

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And I could try to run
but it would be useless

Ich saß auf dem Bett des kleinen Zimmers. Es war nicht viel, ein Bett und eine Tür die zu einem kleinen Bad führte das mit Klo und Waschbecken ausgestattet war. Duschen und umziehen durften wir erst wenn wir „sauber" waren, dass bedeutet wenn die Ergebnisse da sind.

Meine Tür flog auf und ein Arzt trat ins Zimmer. Sein Blick ging von den Papieren zu mir.

„Hope?", fragte er.

Ich nickte.

„Besitzt du keinen Nachnamen?", versuchte er zu scherzen.

„Ist in dem Loch hier doch eh unwichtig", antwortete ich gelangweilt.

Ich wollte die Ergebnisse nicht hören. Keine der Möglichkeiten gefiel mir, selbst die momentane Situation passte mir nicht. Es konnte nicht gut für mich ausgehen, entweder würde ich zurück auf der Straße landen, bei den zerfallenen Häusern oder in einer dieser, ach so schönen, Nachbauten aus der ich irgendwann wieder verschwinden würde.

„Du bist sauber", hörte ich die Stimme des Arztes, „ich muss nochmal deine Daten kontrollieren."

„Wieso? Haben Sie dafür nicht diesen verdammten Chip der in meinem Arm steckt?", ich klang gereizt.

Zugegeben, ich war gereizt. Immerhin saß ich seit Tagen in diesem kleinen Raum, mit nur einem Bett, keiner hatte mit mir gesprochen, es war nur ich und diese Wände.

„Die verraten nur dem Käufer wo du steckst. Die Informationen die er daraus dann lesen kann müssen wir noch eingeben", erklärte der Arzt, „also kann ich?"

„Ob Sie das können weiß ich nicht, aber ich komm nicht dran vorbei", antwortete ich augenverdrehend.

Ohne darauf einzugehen fing er mit seinen Fragen an.

„Alter?" - „18."

„Geburtsort?" - „New York."

„Geburtstag?"

Ich sah zu ihm auf: „Ist der wichtig?"

Er nickte ohne von den Papieren aufzusehen.

„22.12", antwortete ich.

Nach weiteren Fragen verließ er den Raum. Die Tür ging zu und ein paar Minuten später wieder auf. Wieder einer dieser trainierten, in schwarz gekleideten Minions. Er zog mich vom Bett und schob mich vor sich her. Die Flure entlang an den ganzen Zimmertüren vorbei. Wie im Gefängnis, ein Heim. Nichts wo man sein wollte. In der obersten Etage ließ er mich vor einer Tür stehen und klopfte, dann blieb er kerzengerade hinter mir stehen, wie beim Militär.

Die Tür öffnete sich und eine ältere Frau lächelte mich an. Ihre Haare waren bereits grau, das Kleid das sie trug erinnerte mich an die 70er. Nicht die Hippie Kleider für die man die 70er kennt, nein ein hochgeschlossenes, schlichtes Kleid, das ihr über die Knie ging.

„Komm rein Kleines, ziehen wir dich mal an", sagte die Frau freundlich.

Sie zog mich sanft mit ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Mit ihrer zittrigen Hand zeigte sie zu einer Tür.

„Da ist das Bad. Geh erstmal duschen und zieh dir den Bademantel drüber der dort hängt, ich such dir in der Zeit was zum anziehen raus."

Ich nickte und zwang mich zu einem leichten Lächeln ehe ich in dem Bad verschwand um zu duschen. Kaum prallte das warme Wasser auf meine Haut wurde mir klar wie sehr ich das vermisste hatte.

Die Städte glichen Schlachtfeldern. Kein Wasser, kein Strom. Wer sich waschen wollte musste entweder das Dreckswasser nehmen, was es nunmal nicht besser machte, oder konnte sich an einer Katzenwäsche versuchen, auch das klappte nicht. Die meisten entschieden sich also dazu es ganz zu lassen.

Frisch geduscht zog ich mir den besagten Bademantel an und warf einen Blick in den Spiegel. Mit einer Hand wischte ich die Wassertropfen weg, die vor kurzem noch als Dampf im Bad waren und betrachtete das Mädchen im Spiegel. Es war nichts mehr von dem kleinen Mädchen da. Dieses Mädchen das so viel lachte, unbeschwert ihr leben genoss, unwissend was gerade passierte. Die Hoffnung war weg und doch stand ich dort.

Ich seufzte kurz und trat aus dem Bad, die Dame sah mich mit ihren blauen Augen an.

„Was ist denn los Kindchen? Du bist auf dem Weg in ein besseres Leben", sagte sie aufmunternd.

„Besseres Leben? Ich werde verkauft wie ein Kleidungsstück gute Frau. Das ist kein Leben", seufzte ich.

Sie legte ihre Hände an mein Gesicht und sah mich an.

„Hope richtig?", fragte sie, worauf ich mit einem Nicken antwortete.

„Du bist jung und hübsch Kleines. Du hast, anders als die meisten hier, ein Herz und ein Gehirn. Deine Eltern haben dich nicht um sonst so genannt. Der kleine Junge dem du helfen wolltest braucht dich, nicht nur dieser kleine Junge. Sei stark Süße, find einen Weg uns alle aus diesem Blödsinn, das die neue Welt nennen, rauszuholen", sprach sie.

Etwas verwirrt und überrascht sah ich die Dame vor mir an.

„Was meinen Sie?"

„Ich sitze hier seit 20 Jahren, als der ganze Schwachsinn angefangen hat. Du bist die erste die weiß was falsch daran ist. Wer weiß ob da noch mehr von dir sind, irgendwo da draußen. Aber hier drin bist du gerade meine letzte Hoffnung für die Menschheit", erklärte sie, „und jetzt hob, zieh dich an."

Die letzten Worten sagte sie wieder so motiviert. Ich tat was die alte Frau mir sagte und zog mir die Sachen an, die sie für mich rausgesucht hatte, an. Eine schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt was etwas kürzer war als mir lieb war. Zufrieden drückte mich die Frau auf einen Stuhl und fing an mir die Haare zu kämen. Als sie die Knoten der letzten Wochen aus meinen Haaren bekommen hatte, machte sie sich ans Make-Up.

„Haben Sie vielleicht ein Haargummi was ich haben kann?", fragte ich als die Frau mich betrachtete.

Sie war wohl fertig, denn sie hielt mir ein schwarzes Haargummi hin und lächelte zufrieden.

„Jetzt merk dir meine Worte Hope, finde verbündete und bring diesen Dreckskerl der auf diese Idee kam zu Fall. Nicht alleine, aber ich bin sicher du findest Leute", weiter kam sie nicht.

Es klopfte wieder und ein Mann trat rein.

„Ich soll sie holen. Ist das Mädchen fertig?", fragte der Mann genervt.

Unter dem schwarzen Shirt sah man die Tattoos an seinen Armen und auch an seinem Hals waren welche. Als er nach meinem Arm griff bemerkte ich auch die an seiner Hand. Wer war dieser Kerl und wieso schien ihm das genauso wenig zu passen wie mir?

„Ethan", sagte die Frau an ihn gewandt, „pass auf sie auf. Ihr könnt euch gut gebrauchen."

Die blauen Augen des Mannes sahen zu mir.

„Wofür kann ich sie gebrauchen?", fragte er.

„Ihr denkt gleich. Ihr seit nur auf der falschen Schicht", grinste die Dame und verschwand hinter einer Tür.

„Was meint sie?", fragte er jetzt an mich gewandt.

„Ich weiß es nicht genau. Alles was mir einfallen könnte ist das dieses Ganze hier kein Leben ist", erklärte er.

Ethan, wie die Frau ihn genannt hatte, schien es zu begreifen. Wenigstens einer von uns.

Hope. || Abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt