10 - R. Seavers

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Everybody got their demons, even wide awake or dreaming

Am Morgen sagte keiner was. Weder Grace noch Will sprachen und ich sowieso nicht. Ein falsches Wort könnte mir den Kopf kosten und das konnte ich nicht riskieren.

„Warum so gesprächig?", scherzte Liam und sah zu seinem Kumpel.

Dieser sah von seiner Tasse auf, nickte kurz und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Will war noch müde, er schien nicht wirklich geschlafen zu haben, was bei mir nicht anders war. Er lehnte sich im Stuhl zurück und sah zu dem Brünetten Mann der sich gerade an die Theke lehnte.

„Was hast du heute noch vor?", fragte Will.

„Papierkram", antwortete Liam, „heute Abend steigt eine Party auf der anderen Seite, bist du dabei?"

Will nickte.

„Ich werd zur Anlage fahren", hörte ich Will.

Obwohl ich die anderen Worte nicht hörte die aus seinem Mund kamen, gehörte dem Blonden meine ganze Aufmerksamkeit. Hoffnung breitete sich in mir aus, nur ein kleines Fünkchen.

Erst als Liam und Grace aus der Küche verschwanden und eine Hand vor meinem Gesicht schnipste hörte ich wieder richtig.

„Wenn das auffliegt bin ich es der dich umbringt", murmelte Will.

Ich nickte und konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Glücklich warf ich ihm die Arme um den Hals und drückte meine Lippen auf seine. Will hatte den Arm um mich gelegt und sah kurz zur Küchentür aus der sein Freund nur wenige Minuten vorher verschwunden war.

„Iss was und dann mach dich fertig, je schneller wir weg sind desto weniger fragt er", murmelte Will wieder.

~~~

Mit seiner Hand an meinem Rücken schob er mich durch die riesige Anlage. Ich trug eine weiße Hose zusammen mit einem schwarzen Pulli. Zu meiner Verwunderung hatte Will heute nur eine Jeans an und ein dunkelgraues T-Shirt. Vor dem Büro kramte er in seiner Hosentasche, zog eine Karte raus, wie die die ich aus Liam's Jacke hatte, und öffnete die große Tür. Im Raum drückte er die selbe Tür wieder zu und sah sich um.

„Und nach was suchst du genau?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern und ging zu dem Bücherregal. Schnell überflog ich das meiste was auf den Ordnern stand und blieb an einem hängen. Gründung. Mit meiner Hand griff ich danach, wurde aber schnell wieder aufgehalten. Will nahm mit den Ordner ab und setzte sich auf das Sofa vor dem Regal. Er fing an darin zu Blättern.

„Verträge. Kopien davon. Rechnungen. Briefe...", zählte er auf.

„Briefe von wem?", fragte ich nach.

Will versuchte die Namen zu entziffern und zuckte mit den Schultern.

„Kann ich nicht erkennen", murmelte er.

Ich nahm ihm den Ordern ab und versuchte ebenfalls die Namen zu entziffern. Wieso waren die auch Hand geschrieben? Genervt blätterte ich in dem Ordner zurück zu den Verträgen.

„Die selbe Unterschrift", nuschelte ich und legte den Ordner neben mir auf die Couch.

Endlich setzte ich mich, nahm den Vertrag aus der durchsichtigen Hülle und blätterte wieder zu dem Brief.

J. Bourne, wahrscheinlich Liam's Vater und daneben war ein R. Seavers.

„Wer ist R. Seavers?", fragte ich.

Der Name stand auf jedem Vertrag und die meisten Briefe kamen von der Person.

„Hab ich noch nie gehört", wunderte sich Will.

Er setzte sich neben mich und las sich die Verträge durch. Auch ich las die Verträge und was da alles drinnen stand war mehr als beängstigend.

„Dieses System ist krank", murmelte ich.

Bevor Will antworten konnte verschwand ich schon aus dem Büro. Mit dem Zettel in der Hand suchte ich nach Ethan's Zimmer. Als ich endlich ankam platzte ich einfach in das Zimmer. Nur mit einem weißen Handtuch um die Hüfte sah er überrascht zur Tür.

„Hope?", fragte er verwirrt.

„Dieses System besteht daraus jeden zu ermorden der nicht innerhalb von drei Monaten verkauft wird", kam es aus mir raus.

Noch immer verwirrt sah er mich an. Ich hob die Hand mit dem Vertrag hoch und sah ihn an.

„Liam's Vater und dieser verdammte R. Seavers haben jeden dieser Verträge unterschrieben und darin steht das jeder der länger als drei Monate in dieser Anlage verbringt hingerichtet wird."

Ethan nahm mir den Zettel ab und las sich die Zeilen durch.

„Schwarz auf weiß", ergänzte ich.

Der Mann setzte sich auf sein Bett und ging sich durch die Haare.

„Das kann nicht wahr sein", nuschelte er.

„Wie ein verdammtes Tierheim", sagte ich, „wie können Menschenleben nur so wenig wert sein?"

Seine blauen Augen gingen zu mir. Nervös fuhr ich mir durch die Haare und sah mich etwas um.

„Hope", seine Stimme kam nur stumpf bei mir an.

„Hope", wiederholte er.

„Hope!", er wurde lauter und ich sah zu ihm, „du bist nervös."

„Natürlich bin ich nervös! Es ist als hätte die uns ein Ablaufdatum gegeben und wir können nichts dagegen machen!"

„Kleines", seufzte er.

„Ethan, sie ermorden Menschen, jeden Tag. Wie soll man sowas aufhalten?", schluckte ich.

Er hielt den Zettel hoch: „Bring das auf die andere Seite. Da draußen sind mehr Leute als die die hinter diesem Bullshit stehen."

„Wie soll ich das anstellen?", fragte ich, „ich komm alleine nicht raus und keiner dieser Leute hier wird nur einen Fuß in die reale Welt setzten."

„Ich hol dich morgen ab und wir fahren raus. Kriegst du das kopiert?", fragte er.

„Keine Ahnung, aber ich werde eh nicht rauskommen", seufzte ich.

„Ich lass mir was einfallen. Versuch nur das hier zu kopieren", sagte Ethan.

Ich nickte langsam, nahm den Zettel in die Hand und überflog die Worte nochmal. Erst merkte ich die Hand an meinem Bein garnicht. Als Ethan meine Hand etwas runterdrückte, so das ich ihn wieder sehen konnte, merkte ich wie er mein Bein an der Seite hoch strich. Während wir uns ansahen kam mir der Kuss wieder in den Kopf. Unbedeutend könnte man denken und doch bedeutete er etwas, ein kurzer Kuss auf die Wange.
Meine Hand legte ich an seine Wange.

„Wir sollten das nicht tun", flüsterte ich und strich mit dem Daumen seine Lippe entlang.

„Weiß doch keiner", murmelte er und zog mich noch näher an sich.

Bevor ich mir eine Antwort überlegen konnte lagen meine Lippen schon auf seine. Ethan zu küssen war anders als bei Will. Echt. Ein kribbeln durchzog meine Lippen und meine Hand verschwand in seinen Haaren. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen.

Dann löste er sich. Ethan sah zu mir hoch.

„Ich vermiss dich Kleines", murmelte er.

Mich ließ das lächeln und ich drückte ihm noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Er nahm seine Hand von meinem Bein und seufzte.

„Du solltest zurück", sagte er leise.

Ich nickte leicht und nahm meine Hand aus seinen Haaren. Ein leises „Bis dann" kam über meine Lippen ehe ich mit dem Vertrag in der Hand das Zimmer verließ. Ich hörte meine Schritte in den großen leeren Fluren und drückte mich gegen die schwere Bürotür. Will sah vom Sofa zu mir auf.

„Das wird noch schlimmer Süße", sagte er besorgt.

Hope. || Abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt