Atlantis - Stadt des Wassers

2.Kapitel

Melissa tänzelte nervös hin und her. Langsam sah ich auf. „Und was soll ich deiner Meinung jetzt tun?" fragte ich verwirrt. Warum hatte Melissa mir das jetzt gezeigt? „Francesca ist doch deine Nachbarin! Was ist, wenn es dich als Nächstes trifft? Was ist, wenn es diese Leute auf die Straße abgesehen haben, aus der du kommst? Machst du dir gar keine Sorgen?" fragte Melissa hysterisch. „Wow, Melissa. Wenn ich dich höre, zweifle ich wirklich an der menschlichen Logik. Warum sollte es diese Typen interessieren, in welcher Straße man wohnt?!", antwortete ich spöttisch.
Melissa runzelte die Stirn. „Was willst du damit sagen?" fragte sie zischelnd.
„Dass du entweder dramatisierst oder einfach mal wieder im Mittelpunkt stehen willst.", erklärte ich unbeeindruckt.
Das verschlug Melissa die Sprache.
Die Tür ging auf und Jessica kam dicht gefolgt von Herr Damico, unserem Mathelehrer herein. Schnell huschten wir auf unsere Plätze. Die Tische waren in langen Reihen aufgestellt, die nur vom Mittelgang unterbrochen wurden. Emma saß direkt am Mittelgang und mein Platz war rechts neben ihr. Auf meiner anderen Seite saß Chiara Martinelli. Sie gehörte zu einer der wenigen Italiener-Familien, die trotz der Vorfälle in Italien geblieben waren und sich an die Deutschen angepasst hatten. „Ciao.", begrüßte ich sie in ihrer Heimatsprache. Ich schlug mein Heft auf und zog meinen Kugelschreiber aus meinem Federmäppchen. „Ciao.", grüßte sie knapp zurück.
„Ist alles okay?", fragte ich gedämpft.
Herr Damico hatte bereits mit dem Unterricht angefangen und erklärte uns irgendwas über die Integralrechnungen.
Chiara sah starr an die Tafel. „Der Vorfall am Meer zieht mich ein bisschen runter.", gestand sie leise.
„Stimmt. Arme Francesca. Ihre Familie tut mir leid.", flüsterte ich zurück.
Herr Damico ließ seinen Blick durchs Klassenzimmer schweifen und ich schrieb schnell die wenigen Sätze an der Tafel in mein Heft ab.
„Es ist nicht nur das.", fuhr Chiara mit verhaltener Stimme zögernd fort, als Herr Damico sich wieder der Tafel zu wandte. „Es war wieder eine Italienerin. Was ist, wenn es meine Familie auch trifft? Bis jetzt wurden immer nur Italiener ins Meer gezogen. Meine Eltern wollen deshalb vielleicht wegziehen."
Das war bestimmt schwer für Chiara. Leider hatten ihre Eltern aber Recht. Es waren bis jetzt nur Italiener erwischt worden. Aber warum nahmen die Wassermänner nur Italiener? War das Absicht oder Zufall? Und wenn es Absicht war, warum dann nur Italiener? Mein Verstand glaubte immer noch an einen Traum. Das konnte nicht wahr sein. Das war zu märchenhaft.
Ich schwieg.
Chiara verlor auch kein Wort mehr.
Wir beide saßen angespannt da und schrieben die Sätze und Rechnungen in unser Heft. Aber ich hatte das Gefühl, dass Chiara wie ich nicht wirklich dem Unterricht folgte, sondern ihren eigenen Gedanken und Bedenken nachhing. Mathe war jetzt wirklich nicht wichtig. Plötzlich schob Emma einen Zettel zu mir rüber.

Warum machst du so ein :(-Gesicht? Was hat Chiara gesagt?

Emma war wirklich aufmerksam. Unauffällig warf ich Herr Damico einen Blick zu, doch dieser war gerade mit Melissa beschäftigt, welche an der Tafel stand und bei der Gleichung nicht einen Schritt vorankam. Dann schrieb ich schnell eine Antwort.

Chiara ist besorgt. Ist dir aufgefallen, dass die Wassermänner immer nur Italiener ins Meer ziehen?

Die Antwort kam bereits nach weniger als einer halben Minute.

Nein, ist mir noch nicht aufgefallen. Aber jetzt wo du's sagst. Stimmt. Für Chiara muss das echt beunruhigend sein.

Ihre Eltern wollen deswegen wegziehen.

Oh nein! :( Ich mag Chiara. Das ist echt schade!

Ich beruhigte sie.

Es ist noch nichts entschieden. Aber wenn das so weitergeht, sieht's schlecht aus. Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie meine Eltern reagieren werden...

Jetzt krieg mal nicht die Panik. Deine Eltern sind doch keine Angsthasen. Wahrscheinlich finden sie das sogar interessant! XD

Ich musste grinsen. Meine Mutter liebte alte Geschichten und Kulturen. Sie interessierte sich besonders brennend für die italienische Geschichte.