Wie üblich quetschte Lia sich durch die Menge Unterstufenschüler, welche alle gleichzeitig in den Bus nach Hause einsteigen wollten. Ihrer Hektik nach zu urteilen schienen die Kinder zu befürchten, dass der Bus ohne sie losfahren würde, wenn sie nicht alle innerhalb von genau drei Sekunden einen Platz gefunden hätten. Nachdem Lia tief eingeatmet und noch einmal ein Stoßgebet gegen Himmel gesendet hatte (sie wollte auf keinen Fall zwischen den lauten und vor Schweiß miefenden Kindern stehen), schmiss sie sich in die brutale Schlacht um einen Sitzplatz. Tatsächlich ergatterte sie noch einen Platz im Gang, sodass sie das Problem der aneinanderklebenden Menschenmasse bereits gelöst hatte.
Es blieb das Problem der Lautstärke. Überall um sie herum wurde in einem hohen Pegel über Chatverläufe, Hausaufgaben und Mitschüler diskutiert, sodass Lia keine andere Wahl hatte, als aggressiv in ihrem Rucksack nach Kopfhörern zu wühlen.
Nachdem sie ihre nicht vorhandene Rucksack-Ordnung bereits das dritte Mal durchsucht hatte, gab sie auf. Sie hatte sie wohl irgendwo vergessen.
Um sich die zwanzig Minuten Heimfahrt auf andere Weise zu erleichtern, schloss sie die Augen. Sie ging ihre Tagesplanung durch, wobei sie ihrem Mittagessen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Was ihre Mutter wohl gekocht hatte?
Ihre Gedanken wanderten von einer Kategorie zur nächsten, und Lia kehrte erst kurz vor ihrem Ausstieg wieder zu sich selbst zurück. Eine Millisekunde lang wusste sie nicht, wo sie war und was sie getan hatte, so sehr war sie in ihren Gedanken verloren gewesen. Um sich ihrer Umgebung wieder bewusst zu werden, betrachtete Lia das Geschehen im Bus aufmerksam.
Einige Kinder versuchten mit äußerst schmieriger Handschrift, ihre Hausaufgaben noch vor dem Mittagessen zu erledigen. Die nächsten starrten mit Kopfhörern in den Ohren unentwegt aus dem Fenster - Sie schienen den Bus in Gedanken anzufeuern. An einer Trennwand angelehnt stand ein Junge, der Lia musterte. Direkt daneben war...
Lia konnte nicht anders, als sofort zu dem Jungen zurück zu schauen. Er lächelte sie sanft an und gab ihr das seltsame Gefühl, verstanden zu werden. Vermutlich war er ebenso genervt von der täglichen Busfahrerei wie sie - seine leicht hochgezogenen Augenbrauen und sein dezent nach oben gehobener Mundwinkel verbildlichten einen Seufzer, der wohl den jüngeren Schülern galt.Lia erwiderte seine Geste mit einem verständnisvollen Lächeln. Bevor der Augenkontakt mit dem Fremden länger wurde, schaute sie sich um und erkannte die nächste Haltestelle als "ihre". Als sie ihren Rucksack schulterte und aus dem Bus stieg, stelle sie fest, dass der Junge bereits verschwunden war.
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BROKEN (TRUST)
TeenfikceJa, es ist schon seltsam, wie sich Lia und Paul kennen lernen. Es erscheint wie Ironie des Schicksals, dass sich ihre Wege so oft berührt, aber nie gekreuzt hatten. Und als sich ihre Welten endlich vermischen, wird ihre Beziehung zueinander noch ku...