Das Internat

Selbst entscheiden

Heute ist es soweit! Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und quäle mich jetzt wieder einmal mit meinen Augenringen herum. Als ich endlich halbwegs zufrieden bin, stürme ich aus meinem Zimmer, die Treppe hinunter,  in den Speisesaal.
Ich hab Paddy's gestreiften Pullover angezogen, mir einen unordentlichen Seitenzopf geflochten und eine enge, schwarze Jeans angezogen. Mal schauen, ob seine Brüder den entwendeten Pulli erkennen. Und ich hoffe, dass ich Paddy gefalle, denn auch wegen ihm habe ich so hübsch gemacht. Ich stoße die Tür auf und schaue mich suchend um.

Dort sind nur ein paar Streber, aber Paddy kann ich nicht entdecken, was mich die Stirn runzeln lässt. Seit er sich "Entarnt" hat, ist immer von einer Traube verrückter Mädchen umgeben, die ihn anhimmeln. "Paddy ich liebe dich! " "Paddy, findest du mich hübsch? " "Paddy, wollen wir Freunde sein? " Kotz! Vorher hat ihn doch kein Schwein beachtet! Nur weil er ein bisschen berühmt ist! Ich lasse mich auf meinen Platz fallen, als ich auch schon lautes Mädchen Gelächter höre. Aha, anscheinend kommt Paddy. Da öffnet sich auch schon die Tür mit einem Knall und Paddy wird von mindestens zehn Mädchen in den Saal gezerrt. Sie kichern, während er eher verzweifelt aussieht. In mir kocht der Zorn hoch, als sie ihn hinter sich, zu ihren Plätzen ziehen und schubsen. Da reißt Paddy sich mit aller Gewalt los und sagt etwas zu den Mädchen, die darauf hin nur lachend den Kopf schütteln und ihn wieder packen. Da reicht es mir und ich stürme zornentbrannt auf die Gruppe zu. "Was soll der Scheiß?!" Alle drehen sich um und Paddy schaut mich dankbar an. Eines der Mädchen löst sich von Paddy und stolziert auf mich zu. Keinen Meter vor mir bleibt sie stehen und schaut mich abwertend an. "Was willst du hier? Geh zurück in deine Ecke, Emo! " Die anderen Mädchen beginnen zu kichern und ich starre sie kurz sprachlos an. Emo?! So hat mich noch niemand genannt! Da hole ich aus und meine Hand hinterlässt einen roten Abdruck auf ihrer Wange, als ich hasserfüllt zuschlage. Sie kreischt auf und will sich auf mich stürzen, doch zwei der Mädchen reagieren blitzschnell und halten Sie zurück. Da stehe ich, kampfbereit, mit blitzenden Augen und eine, zu meinem Ärger, sehr hübsche Blondine fragt:"Also? Was willst du? " Ich schnaube ungläubig auf und zische dann:"Was ich will? Ich will, dass Paddy selber entscheiden darf, wo er sitzen will! Und das er selber entscheiden darf, mit wem er abhängt! " Die Gruppe lacht höhnisch auf und die Blondine fragt Paddy, mit klimperten Wimpern:"Aber Paddy macht das doch freiwillig. Oder Paddy boy? " Er reißt sich nun komplett los und schüttelt entsetzt den Kopf. Dann stottert er:"Ich...ich bin es gewohnt morgens ganz in Ruhe aufzuwachen und ungestört zu frühstücken. Und das kann ich nur neben Ruby. Sie lässt mich ganz in Ruhe, bis ich von mir aus ein Gespräch anfange. " Während er redet, wirft er mir einen undeutbaren Blick zu. Dann geht er auf mich zu, nimmt meine Hand und zieht mich hastig hinter sich her, zu unsren Plätzen hin, wo er sich seufzend fallen lässt. Die Gruppe Mädchen schaut uns ungläubig hinterher und setzt sich dann schmollend und zeternd auf ihre Plätze. Da erscheint auch Herr Kaplan und wir beginnen schweigend zu essen, bis Paddy sich lächelnd zu mir beugt und in mein Ohr flüstert:"Danke und du siehst toll aus, in dem Pulli. " Ich verschlucke mich an meinem Brötchen und Paddy akzeptiert mein Gehuste mit einem amüsierten Lächeln und klopft mir auf den Rücken. Als ich mich halbwegs wieder unter Kontrolle habe, lacht er und fragt:"Was ist denn los? Du steckst Komplimente doch sonst immer so gut weg? " Ich schaue mit feuerrotem Gesicht auf meinen beziehungsweise seinen Pulli und murmel:"Ja schon, aber nicht wenn sie so plötzlich kommen. "