Und nochmal Virginia

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Es bleibt erst mal wieder bei Ruby's Sicht

Als wir das Büro gerade verlassen wollen, ruft uns Herr de Limo zurück. Paddy und ich tauschen überraschte Blicke und wenden uns um. Der Mann kommt zu uns und strahlt Paddy an. "Lieber Patrick, wir sind gerade dabei das mit dem Jugendamt zu klären und es kann sein, dass du in einem Monat wieder zu deinen Geschwistern darfst." Paddy erstarrt neben mir und ich weiß nicht was ich denken soll. Ein Monat? Ich habe Paddy nur noch einen einzigen Monat? Auch er braucht einen Moment um zu verstehen, doch dann stößt er einen lauten Jubelschrei aus und springt dem Mann in die Arme. "Danke, danke, danke! ", ruft er immer wieder freudig und seine Augen glitzern verdächtig, was mich zum grinsen bringt. "Aber du hast gehört! Sicher ist es noch nicht, ne?", ermahnt Frau Rudolf ihn und eilig nickt er.

Als wir wieder auf dem Gang stehen, fällt mir Paddy ebenfalls um den Hals, doch anders als sonst dränge ich ihn weg. Überrascht schaut er mich an, doch ich drehe mich weg und mache mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Meine Gedanken kreisen und ich muss sie erstmal sortieren. Das heißt, in einem Monat bin ich hier auch raus. Eigentlich schön, aber dann heißt das auch, dass Paddy weg ist. Das ich nicht mehr seinen wundervollen Geruch in der Nase haben werde, nicht mehr sein chaotisches Zimmer sehen werde. "Verdammt! ", fluche ich, als mir die Tränen in die Augen steigen. Ich will nicht heulen und so beschleunige ich meine Schritte noch mehr, als Paddy mir hinterher ruft:"Ruby, mach mal langsam! Ich bin doch nicht so schnell! " Gegen meinen Willen muss ich grinsen. Wie macht der Kerl das nur, dass er mich immer aufheitern kann? Ich bleibe stehen und warte bis er herangekommen ist. Ich spüre seinen besorgten Blick auf mir und schaue stur zu Boden, als er meine Hand nimmt und mich so zwingt, stehen zu bleiben. Meine Hand kribbelt und jetzt traue ich mich erstrecht nicht mehr aufzusehen. Oh Gott, wo ist nur meine Würde hin? Doch da hebt Paddy die Hand und legt zwei Finger an mein Kinn, um es sanft hoch zu drücken. Zögernd sehe ich in seine tiefblauen Augen und versuche ihm so meine Sorgen zu übermitteln. Da zieht er mich zu sich und drückt mich ganz fest an sich. Ich schließe die Augen und genieße die Nähe zu ihm, sein Duft macht mich ganz wuschig und plötzlich will ich, dass er mich küsst. Wenigstens einmal. Also hebe ich den Kopf wieder und studiere sein Gesicht, bis mein Blick an seinen Lippen hängen bleibt. Seine Augen weiten sich und er schaut mich groß an. Er hat verstanden! "Ruby, ich...ich kann nicht. Jedenfalls noch nicht. ", stottert er leise und ein wenig enttäuscht antworte ich:"Im Zimmer hättest du es auch gemacht. " Er lacht leise und schüttelt den Kopf. "Ich wollte, aber dann hat mich der Mut wieder verlassen. Ich hab gesehen, dass du es wolltest. "
"Oh Gott, du hast es gemerkt? Denkst du jetzt, ich bin geil auf dich? ", kreische ich erschrocken und er bricht in schallendes Gelächter aus. "Ruby! Das würde ich nie denken! " Etwas beruhigt lache ich ebenfalls, als wir unten vor Paddy's Zimmer stehen und leises Geklacker hören. Paddy runzelt die Stirn und legt den Finger an die Lippen. Dann horcht er an die Tür, seine Augen verdunkeln sich bedenklich und mit drei Handgriffen hat er die Tür auf und brüllt:"Was soll das! " Ich Folge ihm in den Raum und erstarre. Virginia steht mitten im Raum und zerreißt Paddy's Notenblätter! Mit einem Schrei stürze ich mich auf sie und werfe sie so zu Boden. Sie kreischt auf und Paddy stürzt zu den zerstörten Zetteln und starrt mit wachsendem Entsetzen den Schaden an. Dann hebt er den Blick und wir Mädchen erstarren unter dem Ausdruck in seinen Augen.
Er starrt Virginia an, die unter seinen Blicken immer kleiner wird und fragt dann leise:"Warum? "
Er schreit nicht, er schlägt sie nicht, er schaut sie einfach an und das macht mir Angst.

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