Üben

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Am nächsten Morgen stehen Paddy und ich für unsere Verhältnisse früh auf und gehen wieder ins Musikzimmer, wo er gleich ans Klavier stürmt und eine Melodie beginnt zu spielen. Überrascht, aber begeistert höre ich ihm zu und als er die Hände wieder von den Tasten hebt, schaut er mich lächelnd an. "Wow, wie bist du darauf so schnell gekommen? ", frage ich überwältigt und er lacht:"Die ging mir schon die ganze Nacht im Kopf rum. Deswegen konnte ich nicht schlafen." Entsetzt starre ich ihn an. Und ich habe die ganze Zeit neben ihm fröhlich geschnarcht! Oh Gott! Er bemerkt meinen Gesichtsausdruck und grinst:"Deine Nächtlichen Gespräche sind sehr aufschlussreich. " Bei dem Satz bleibt mein Herz fast stehen. "Was? Ich rede nicht im Schlaf!", protestiere ich, aber er bekräftigt seine Worte im dem er mit verstellter Stimme sagt:"Und was war das dann? Ich zitiere: Paddy, ich liebe dich. Oh Paddy. Paddy, Paddy, Paddy! ", er schaut mich strafend an. "So ging das die ganze Nacht!", beschwert er sich und ich würde mich am liebsten unter dem Klavier verstecken. Das ist soo peinlich! "Paddy! Das stimmt doch gar nicht!", jammere ich mit hochrotem Kopf und da lacht er los. Oh, dieser Schuft! "Du Idiot! Mach mir doch nicht so eine Angst!", fauche ich jetzt und zwinkert mir zu. "Du hast zwar nicht geredet, aber du hast im Schlaf gelächelt. Und das meine ich ernst." Auch nicht besser, denn schließlich habe ich von ihm geträumt! Verlegen wende ich den Blick auf die Notenblätter und frage dann:"Wie soll der Song heißen?" Doch Paddy gibt keine Antwort und etwas beleidigt zucke ich die Schultern. Dann eben nicht! "Möchtest du auch mal spielen?", fragt er plötzlich auffordernd. Meine Antwort ist Lachen. Ich und spielen! "Meine Finger sind so unbeweglich, wie eine Kartoffel, die man Biegen will!", gebe ich Auskunft und Paddy lacht über den Vergleich. Der satte, fröhliche Ton lässt meine Schmetterlinge toben und die Hitze verstärkt sich noch auf meinen Wangen. Er soll aufhören zu lachen! "Guter Vergleich! Aber ich glaube, dass du mit der Hilfe eines Profis das ganz schnell hin kriegst!" Erst starre ich ihn etwas verwirrt an, doch dann kapiere ich. "Spinner! Angeber! Möchtegern Profi!", schimpfe ich lachend und er zwinkert mir übermütig zu. Doch dann zucke ich die Schultern und sage:"Probieren kann ich es ja mal." Er strahlt, nimmt einfach meine Hand und zieht mich neben sich auf den schmalen Hocker. Meine Hand kribbelt und etwas zu hastig ziehe ich sie weg. Er kommentiert das mit einem Grinsen und hochgezogenen Augenbrauen, was mich schon wieder trotzig werden lässt. Also werde ich ihm einen vernichtenden Blick zu und frage dann:" Also? Wenn du dich genug über mich lustig gemacht hast, kannst du mir dann zeigen, wie ich die Hände halten muss?" Über meine ruppige Stimme, grinst er nur noch mehr, nickt dann aber und legt seine Hände ebenfalls an die Tasten.

Wir üben fast eine Stunde, bis ich mich stöhnend und mit schmerzendem Rücken einfach zu Boden sinken lasse. Meine Hände, mein Rücken und sogar mein Kopf schmerzen und ich verstehe nicht, wie man jeden Tag sogar doppelt so lange da hocken kann. "Ist alles gut?" Paddy's leicht besorgte Stimme holt mich zurück in die Gegenwart, doch ich bekomme bloß ein murmelndes Ja heraus. Plötzlich erfüllt mich bleiernde Müdigkeit und als Paddy anfängt eine leise Melodie zu spielen, falle ich tatsächlich in einen traumlosen Schlaf.

Ein warmes Gefühl reißt mich aus den Tiefen meines Schlafes, aber ich bin so kaputt, dass ich nicht einmal die Augen öffnen kann. Vage bekomme ich mit, wie mich jemand ächzend und leise schimpfend trägt, dann wie ich auf etwas weiches gelegt werde. Aber schon wird wieder alles ruhig um mich.

"Ruby...hey ", eine sanfte, wohlbekannte Stimme weckt mich und etwas warmes streicht über meine Wange. Widerstrebend öffne ich die Augen und bin schlagartig hellwach. Paddy kniet über mir und scheint mein Gesicht genau zu studieren. Mit dem Finger streicht er zaghaft über meine Wange und sieht mir tief in die Augen.

Das Internat Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt