Vielleicht war ich irgendwo in einer Zwischenwelt gefangen gewesen, denn ich kann mich an absolut nichts erinnern von den letzten paar Tagen. Ich wusste nur, dass ich mich irgendwann wieder hier, auf der Erde fand. Klar, zuerst war ich schockiert. Für einen winzigen Moment dachte ich, dass ich vielleicht doch nicht gestorben bin. Ich dachte, dass ich vielleicht nur im Koma war, oder vielleicht doch nur alles geträumt hatte. Aber ich war weder in einem Krankenhaus noch in meinem eigenen Schlafzimmer aufgewacht. Irgendwie ist es ja fast ironisch, dass ich genau während meiner eigenen Beerdigung wieder zu mir finde. Aber ehrlich gesagt habe ich das am Anfang gar nicht verstanden, dass ich gerade bei meiner eigenen Beerdigung bin. Ich war viel zu verwirrt um überhaupt zu verstehen, was da gerade vor sich ging. So lange war da nur Schwärze und Leere gewesen und auf einmal war ich wieder unter den Lebenden. Aber es fühlte sich so anders an. Es windete fürchterlich an diesem Tag, so richtiges Aprilwetter. Doch ich fühlte nichts auf meiner Haut. Die Blätter in den Bäumen raschelten und die frisch aufgeblühten Gänseblümchen wogen sich im Wind, aber es waren nicht die starken Böen, die mich erschaudern ließen. Es war kalt, alles um mich herum war so kalt. Oder war ich es etwa, der so kalt war? Ich wusste sofort, dass irgendetwas nicht stimmte, aber erst als ich Jimins Schluchzen hörte wurde mit langsam bewusst was. Das Geräusch des Weinens meines Liebsten würde ich auch aus kilometerweiter Entfernung noch erkennen. Mein Herz hatte sich diesen Klang eingeprägt, weil dieses bitterliche Schluchzen etwas ist, das meine ganze Brust schmerzen lässt. Seitdem ich Jimin zum ersten Mal habe weinen hören, damals als er dachte er hätte seine Prüfung verhauen und würde sein Studium nicht schaffen, seitdem hatte ich mir geschworen alles dafür zu tun, dass er niemals wieder so traurig sein muss. Natürlich war es naiv von mir gewesen, ich konnte nicht alles böse von ihm fernhalten und ab und zu war ich auch der Grund gewesen, warum er geweint hat, aber es hat mir jedes Mal aufs Neue das Herz gebrochen. Als ich also dieses schmerzliche Schluchzen hörte, erwachte ich sofort aus meiner Schockstarre und sah wie er bitterlich weinte und seinen Kopf in der Jacke unseres Freundes Taehyung vergrub. Links neben ihnen standen meine Eltern und mein Bruder, ebenfalls in Tränen aufgelöst. Und drum herum standen der Rest meiner Familie und all meine Freunde. Sie alle schauten zu, wie ein Sarg in die Erde gelassen wurde. Schnell lief ich auf sie alle zu.
„Jimin, Mum, Dad! Ich bin hier! Ich bin hier!", schrie ich, aber keiner drehte sich zu mir um. Ich rief und rief nach ihnen und als ich endlich bei ihnen angekommen war griff ich nach ihnen, aber meine Hand griff ins Leere. Sie ging einfach durch meine Freunde und Familie durch. Ich konnte sie nicht anfassen. Schockiert schaute ich meine Hand an – das war der Moment in dem ich wirklich realisierte, dass ich nicht wirklich da war. Ich schaute auf den Grabstein vor mir und tatsächlich – da stand mein Name, Jeon Jeongguk. Ich war tatsächlich tot!
Es brauchte eine Weile, bis ich das ganze verarbeitet hatte. Irgendwie hatte ich die ganze Zeit schon gewusst, dass ich tot bin, aber es tatsächlich nochmal so vor einem zu sehen, war ein eigenartiges Gefühl. Danach kam die Wut. Warum um alles in der Welt war ich hier? Sollte ich nicht im Himmel sein, oder vielleicht hatten die ganzen homophoben Leute ja doch recht und ich sollte eigentlich in der Hölle sein. Selbst da wäre ich jetzt lieber wie hier. Warum war ich hier auf der Erde, wenn ich doch nichts tun konnte? Ich war ein Geist! Ich konnte nicht mal meine Wut rauslassen und gegen irgendetwas treten, weil mein Fuß einfach hindurch schlagen würde, als wäre ich nur Luft.
Nach der Wut kam die Verzweiflung. Warum war ich hier? Wie lange würde ich hierbleiben? Sitze ich jetzt für immer hier fest? Ich wollte schreien, weinen, toben, alles auf einmal. Aber niemand konnte mich und meinen Schmerz hören. Stattdessen musste ich zuschauen, wie alle Menschen, die ich liebte sich von mir verabschiedeten und dann einfach mich und mein Grab hinter sich ließen.
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Ghosted [Ger]
FanficAU in der Jungkook bei einem tragischen Unfall starb und sich entscheidet ein Poltergeist zu werden, als er seinen festen Freund Jimin in den Armen eines anderen Mannes sieht. Ships: Jikook, Minjoon, Jinkook