Ich starrte jetzt wahrscheinlich schon seit zehn Minuten auf die kleine Notiz direkt vor mir. Die ‚i's waren mehr geneigt als die anderen Buchstaben, aber sonst war es eine sehr ordentliche Schrift – leicht verschnörkelt, aber gut leserlich. Doch je länger ich auf die Worte vor mir blickte, desto mehr verschwammen sie vor meinen Augen. Es lag allerdings nicht an den Worten oder der Schrift, dass ich dich die Nachricht nicht so ganz verstehen wollte, meine Gedanken waren einfach nicht im hier und jetzt. Stattdessen drehte sich in meinem Kopf alles, was gestern passiert war, wieder und wieder.
Ich war zu dem einzigen anderen Geist gerannt, den ich kannte – Lisa. Ob es jetzt eine gute Idee gewesen war ausgerechnet zu Jins bester Freundin zu laufen, darüber hatte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht nachgedacht. Aber ehrlich gesagt hatte ich gestern überhaupt nicht viel gedacht. Seit dem Zeitpunkt, in dem ich mich selber dabei erwischt hatte, wie ich durch Jins frischgefärbte blonde Haare fahren wollte, war alles irgendwie an mir vorbeigezogen, während sich meine Beine von selbst bewegt hatten. Lisa hatte mich gestern in ihrem Café aufgenommen und bei einem großen Milchshake hatte ich ihr mein Herz ausgeschüttet. Und nach dem ich bestimmt 20.000-mal gesagt habe, dass ich unmöglich zurück zu Jin gehen konnte, hatte sie mich mit zu sich nach Hause genommen. Jetzt war es 12 Stunden später und ich bin gerade aufgewacht. Lisa war wieder im Café laut dem Zettel neben der Couch, ich war also allein. Allein, um endlich all meine Gedanken ordnen zu können. Lisa hatte ein paar interessante Sachen gesagt, die ich gestern nicht so wirklich wahrhaben wollte. Aber jetzt mit ein bisschen Abstand, konnte ich in Ruhe darüber reflektieren.
„Wann hast du bemerkt, dass du dich so fühlst?", hatte sie gefragt und ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich wusste es nicht. Wir hatten all diese Sachen zusammen unternommen und ich hatte so viele Dinge gefühlt. Jin hatte so viel in mir aufgewühlt von dem ich dachte, dass es mit mir gestorben war. Da war auf einmal so viel Leben in mir drin, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass mein Herz nicht nur wegen der ganzen Aufregung schneller geschlagen hat.
„Du sagst mir also, dass ihr zusammen tanzen wart, ihr habt eine Fahrradtour gemacht, wart zusammen im Kino, er hat für dich gekocht und so? Kook sorry, aber für mich klingt das alles ziemlich eindeutig nach Dates.", gab sie mir zu denken.
„Nenn mich bitte nicht Kook. Nur Jin nennt mich so. Und nein, so war das nicht. Das war nur... Warte! Denkst du er hat das als Dates gesehen?"
„Ich weiß es nicht. Seitdem du da bist, kommt Jin nicht mehr so häufig vorbei, weißt du. Zuerst war ich ja schon ein bisschen eingeschnappt, aber jetzt macht alles Sinn. Ich dachte du hast mich als seine beste Freundin ersetzt, aber jetzt glaube ich, dass du vielleicht für ihn mehr bist als ‚nur' ein bester Freund.", meinte sie.
„Fuck!", fluchte ich.
„Hey! Warum solche Kraftausdrücke? Ist es nicht etwas Gutes, dass ich denke, dass deine Gefühle vielleicht nicht einseitig sind?", fragte sie und zog eine Augenbraue hoch.
„Nein! Absolut nicht! Erstens weißt du nicht, ob er tatsächlich so fühlt. Und zweitens will ich gar nicht so fühlen! Ich darf so nicht fühlen!", rief ich panisch aus. Ich merkte wie meine Hände anfingen zu zittern und dasselbe bittere Gefühl begann in meiner Brust zu brodeln, wie als ich aus der Wohnung gerannt war.
„Aber warum denn nicht?", hatte das Mädchen verwirrt gefragt und auf einmal sprudelten die Worte nur so aus mir heraus.
„Warum nicht? Da sind so verdammt viele Gründe! Ich kann keine Gefühle für Jin haben. Jin ist mein einziger Freund hier. Mit meinen Gefühlen mache ich doch alles kaputt. Ich kann Jin nicht verlieren! Ohne ihn habe ich niemanden mehr hier! Das kann ich nicht riskieren. Außerdem ist er sozusagen mein Mentor. Ich schaue so sehr zu ihm auf. Was für eine abgefuckte Beziehung wäre das denn – ist ja wie Schüler und Lehrer! Das geht doch nicht! Außerdem was ist mit Jimin? Jimin und ich waren verlobt, weißt du? Wir wollten den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Ich bin doch nur hier, weil ich Jimin sehen wollte, nur deshalb habe ich den Friedhof verlassen! Verlobt! Verlobt und ich ersetzte ihn nach nur vier Monaten! So viel kann man also auf mein Wort geben! Ich bin wirklich ein schrecklicher Mensch!"
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Ghosted [Ger]
FanficAU in der Jungkook bei einem tragischen Unfall starb und sich entscheidet ein Poltergeist zu werden, als er seinen festen Freund Jimin in den Armen eines anderen Mannes sieht. Ships: Jikook, Minjoon, Jinkook