24. August 2018- 1 Monat, 10 Tage nach dem ich den Friedhof verließ

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Jin und ich unternahmen jetzt regelmäßig etwas zusammen und ich musste zugeben, dass es echt gut tat mehr aus dem Haus zu kommen. Zum Beispiel hatte Jin anscheinend nicht gescherzt als er vor ein paar Tagen vorgeschlagen hatte Fahrräder zu klauen und eine kleine Tour zu machen. Naja, wir hatten die Fahrräder nicht direkt gestohlen, sondern nur ausgeliehen. Wir hatten sie brav in der Nacht wieder zurück gebracht. Das coolste was wir gemacht hatten, war aber mit Abstand unser Kinobesuch. Wir verbrachten den ganzen Tag im Kino. Den ein oder anderen Film hatten wir ernsthaft angeschaut, aber bei anderen hatten wir wiedermal unsere Streiche gespielt. Irgendwann artete es in einen erbitterten Wettstreit aus, wer von uns es schaffte mehr Personen aus dem Kino werfen zu lassen. Popcorn-Werfen, war da wirklich das harmloseste, was wir uns einfielen ließen. Jin hat übrigens gewonnen. Aber nur ganz knapp. Es stand 5 zu 6, als das Kino schloss. Auch wenn ich verloren hatte, hatte ich unglaublich viel Spaß gehabt. Aber der schönste Moment war, als wir ein Pärchen zusammenbrachten. Die beiden saßen die ganze Zeit angespannt nebeneinander und warfen sich heimliche sehnsüchtige Blicke zu. Mit genau der richtigen Mischung aus verschütteter Limonade und Popcorn gemixt mit hemmungslosem Gezupfe an Ärmeln, schafften wir beide es, dass die beiden immer näher zueinander rutschten und schließlich Händchen haltend den Kinosaal verließen. Ich war echt unglaublich stolz auf uns. Auch Jin hatte in diesem Moment sehr zufrieden gegrinst, als er zu mir sagte: „Das war super cool Kook! Ich glaube, das ist mehr deine Stärke. Leute auseinander bringen liegt dir einfach nicht im Blut. Ich glaube du bist ein Liebesgeist, so was wie ein Liebesengel, bloß halt als Geist." Das Licht im Kinosaal war dumpf und schwach, aber in diesem Moment hatten seine Augen so hell geleuchtet. Sofort breitete sich auch ein breites Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ein Liebesgeist – das gefiel mir. Vielleicht konnte ich ja tatsächlich noch etwas Gutes hier bewirken.

Die Woche war unglaublich aufregend gewesen. Aber nach all diesen ereignisreichen Tagen hatten wir heute beschlossen alles etwas ruhiger angehen zu lassen. Jin wollte heute für mich kochen. Ich hatte natürlich angeboten ihm zu helfen, aber Jin hatte nur so etwas gemurmelt von wegen „Das hier ist nicht Ratatouille. Die Ratten bleiben draußen, nur die Köche kommen in die Küche."

Kurz war ich mir unsicher, ob ich davon nicht vielleicht beleidigt sein sollte, aber andererseits kochte Jin für mich – da konnte ich ja wirklich nicht sauer sein. Also nutze ich die Zeit einfach, um Jimins Rekord in all seinen Videospielen zu knacken.

Nach gefühlten drei Stunden kam Jin dann auch tatsächlich aus der Küche raus. Seine dunklen Haare waren ein wahres Durcheinander und ich schwöre seine Stirn glänzte verdächtig, obwohl Jin immer lautstark versicherte, dass er nicht schwitze, so etwas machen nur Amateure.

„Du siehst mehr aus, als würdest du von einem Schlachtfeld kommen als aus einer Küche.", lachte ich, während ich das Spiel ausschaltete und sofort zum Tisch eilte.

„So fühlt es sich auch an.", grummelte Jin, „Ich kann nicht alles Zutaten anfassen, weißt du. Da muss man kreativ werden."

„Ich hätte dir auch wirklich helfen können.", erwiderte ich.

„Nein, ich wollte dir was Gutes tun.", sagte er. Aber bevor ich auch nur eine Bemerkung darüber machen konnte, dass er anscheinend weich wurde, fügte er schnell hinzu: „Außerdem hast du keinerlei Erfahrung mit dem Zubereiten solcher exquisiten Speisen und hättest bestimmt das gesamte Essen versalzen."

Während er das sagte, tanzte sein typisches freches Grinsen auf dem Gesicht und automatisch musste ich zurückgrinsen. „Jaja, gib's zu! Du wolltest mich beeindrucken.", zwinkerte ich ihm und zu und für einen kleinen Moment glaubte ich echt, ihn erröten zu sehen, aber er drehte sich schnell um und verschwand wieder in die Küche.

Er kam zurück mit zwei Schüsseln voller Suppe. Ich verkniff mit weitere freche Bemerkungen, weil ich inzwischen schon echt hungrig war und die Suppe duftete echt fantastisch. Und sie schmeckte auch so. Kaum hatte ich den ersten Löffel in meinen Mund genommen, weiteten sich meine Augen und überrascht schaute ich Jin an. Dessen intensiver erwartungsvoller Blick aus seinen dunklen Augen ruhte bereits auf mir. Schnell schluckte ich und sprach: „Jin, das schmeckt mega gut!"

Sofort zuckten seine Mundwinkel nach oben und seine vollen Lippen formten ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht. Es war nicht sein typisches freches Feixen, das hier war ein echtes aufrichtiges Lächeln und ich wünschte mir in diesem Moment so sehr, dass er nicht aufhören würde so zu lächeln. Aber natürlich war das Blödsinn, schließlich mussten wir beide ja noch unsere Suppe weiter essen. Mit einem kleinen Räuspern brach er den Blickkontakt und widmete sich seinem Essen. Ich spürte, wie ich drohte rot zu werden, also schaute ich ebenfalls schnell nach unten zu meiner Schüssel.

Die Stimmung lockerte sich aber schnell wieder auf. Jin erzählte ein paar seiner Witze und wir lachten gemeinsam. Wir redeten über Musik, Sport und was uns sonst noch so beschäftigte. Wir gingen über zu der Hauptspeise und redeten über Filme, die wir mögen, über Orte, zu denen wir reisen wollen und über Dinge, die wir gerne getan haben, bevor das alles hier passiert ist. Es war merkwürdig über so etwas Simples wie unsere Hobbies zu reden, weil es einerseits so normal war und wir uns einfach besser kennenlernen wollten, aber gleichzeitig redeten wir im Perfekt. Andererseits hatte ich auch nie gedacht, dass ich jemals wieder in der Lage sein würde, einfach mit einem Freund am Tisch zu sitzen und gemütlich zu essen oder ins Kino zu gehen oder all die anderen Dinge, die ich mit Jin unternommen hatte. Mit Jin wurden all diese Dinge auf einmal wieder möglich und dafür war ich so unglaublich dankbar. Er machte, dass ich weniger Angst vor all dem Ungewissen hatte. Er machte, dass alles hier irgendwie ganz okay. Ich war dankbar dafür, dass er an meiner Seite war und mir das alles hier zeigte, dass er...

„Du machst, dass ich mich lebendig fühle.", platzte ich auf einmal sagen und ich verfluchte mich sofort dafür. Ich hatte echt keinen Filter! Das war jetzt mega merkwürdig! Jin dachte offensichtlich das Gleiche, denn er verschluckte sich an seinem Nachtisch und begann wie wild zu husten.

„Oh shit! Bist du okay?", fragte ich und sprang auf, um ihm zu helfen, aber Jin gestikulierte mir mit seiner Hand, dass ich mich wieder hinsetzten solle, während er noch weiter hustete.

„Sorry, dass ist mir einfach so rausgerutscht... Das war dämlich, ich entschuldige mich.", sagte ich während ich immer noch besorgt beobachtete, wie Jin sich langsam erholte.

„Meintest du das denn wirklich?", fragte Jin mich ernst, aber mit noch etwas angeschlagener Stimme. Seine tiefbraunen Augen blickten mich intensiv an und auf einmal fühlte ich mich wie auf heißen Kohlen. Ja klar, hatte ich das ernst gemeint, aber so hatte ich das nicht sagen wollen. Und wenn ich jetzt zugab, dass ich es ernst meinte, würde Jin mich bestimmt für verrückt halten, aber ich wollte ihn auch nicht anlügen. Ich nickte einfach kurz.

„Gut, denn wenn du das wirklich gemeint hast, musst du dich auch nicht dafür entschuldigen. Ich fühle mich geehrt, dass ich dich so fühlen lassen kann und ehrlich gesagt, fühle ich mich auch lebendiger, seitdem du da bist.", er sah kurz so aus, als würde er noch etwas sagen wollen, aber dann schloss er seinen Mund einfach wieder, ohne dass ein Laut herausgekommen wäre und lächelte mich an. Aber ich war eh viel zu abgelenkt von seinen Worten, um mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was er noch hätte hinzufügen können. Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Und überhaupt, seit wann hörte sich seine Stimme so sanft und warm an?

Meine Verwirrung hielt auch noch an, während wir gemeinsam die Küche aufräumten. Und da drin sah es wirklich aus, wie auf einem Schlachtfeld! Aber wir schafften es all unsere Spuren zu verwischen und alles blitzblank zu hinterlassen bis Jimin und Namjoon nach Hause kamen. Pünktlich, als sich die Tür öffnete legte Jin den letzten Löffel weg. Sobald die beiden Lebenden wieder unter uns waren, hatte wir andere Sachen, um die wir uns kümmern mussten und mein Gefühlschaos trat wieder in den Hintergrund, wo es langsam und still unter den Teppich gekehrt wurde.

Ghosted [Ger]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt