Samstag, 25. August 2018 - 1 Monat, 11 Tage nachdem ich den Friedhof verließ

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Vielleicht hatten Jin und ich doch nicht all unsere Spuren verwischt, wie ich gestern gesagt hatte. Denn heute Morgen wurde ich durch Lärm in der Küche geweckt und kurze Zeit später stürmte Jimin mit einem wutverzerrten Gesicht in Namjoons Zimmer, wo der arme Kerl gerade noch friedlich geschlafen hat.

„Namjoon wir müssen reden! Komm bitte ins Wohnzimmer.", genauso schnell, wie er neben dem Bett aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden. Stattdessen kam er energisch ins Wohnzimmer gestampft und setzte sich so schnell auf das Sofa, dass der ebenfalls verschlafene Jin kaum genug Zeit hatte auszuweichen. Da saß er nun mit verschränkten Armen und seiner Vorderlippe bockig vorgeschoben in einen Schmollmund. Das war die Version von Jimin, die mir immer am meisten Angst gemacht hatte. Wenn Jimin wütend war, befand man sich wirklich mitten in der Gefahrenzone einer Naturkatastrophe. Ich wusste zwar nicht was Namjoon getan hatte, aber er tat mir in diesem Moment wirklich leid.

Nach nur wenigen Minuten kam er dann auch schließlich. Während Jimin in diesem Zustand war, sollte man ihn lieber nicht warten lassen. Joon ging einige Schritte auf das Sofa und Jimin zu, aber der eiskalte Blick seines Mitbewohners ließ ihn sofort zurückweichen. Stattdessen setzte er sich auf den Sessel und ich schlich mich seufzend rüber zu Jin, der am unbesetzten Ende des Sofas saß. „Das wird interessant.", flüsterte er mir zu, sobald ich mich neben ihn setzte.

„Weißt du, dass ich diese Eier gekauft habe, weil ich dir eine Frühstücksomelette machen wollte? Als danke dafür, dass du mir neulich Frühstück gemacht hast.", lenkte Jimin jetzt alle Aufmerksamkeit auf sich.

„Oh, dass ist echt nett von dir Jimin.", sagte Namjoon mit einem vorsichtigen Lächeln.

„Ja, nur leider kann ich diese Eier jetzt nirgends mehr finden!", erwiderte Jimin sichtlich gereizt.

Namjoon runzelte Stirn und neigte seinen Kopf leicht als er fragte: „Aber sie können die können sich doch nicht so einfach in Luft aufgelöst haben?"

„Wow, und du sollst anscheinend einen IQ von 140 haben?! Namjoon, ich bin nicht dämlich! Seit einiger Zeit ‚verschwindet' bei uns Essen. Und ich fand es okay, als es nur unser Eis und unsere Chips waren. Aber wirklich?! Ich war vorgestern einkaufen! Vorgestern!!! Der Kühlschrank ist jetzt fast komplett leer! Die Eier, das Gemüse, das Fleisch! Weißt du, ich bin jetzt wirklich kein kleinlicher Mitbewohner. Du hast gerade keine Milch da, dann nimm halt welche von mir. Damit habe ich kein Problem. Aber ohne zu Fragen den gesamten Kühlschrank leer zu fressen?! So kann das nicht weitergehen, Namjoon!", während Jimins Wutrede wurde Namjoon immer kleiner und kleiner in seinem Sitz.

„Hast du etwa alle Zutaten für unser Dinner einfach aus dem Kühlschrank genommen?", fragte ich Jin leise.

„Woher denn sonst? Ich gehe doch nicht einfach in einen Supermarkt, und spaziere mit zwei Paprika wieder heraus! Wie hast du dir das vorgestellt, Kook. Außerdem wäre das Diebstahl! Ich stehle doch nicht.", antwortete er sofort energisch. Ich schaute ihn nur vorwurfsvoll mit hochgezogener Braue an, währen Namjoon endlich seine Stimme wiedergefunden hatte.

„Jimin, das war wirklich nicht ich...", stotterte er hervor und sofort ballte Jimin seine kleinen Hände zu bedrohlichen Fäusten.

„Verkauf mich nicht für blöd, Kim Namjoon! Wo soll das ganze Essen denn sonst hin sein?! Ist vielleicht jemand eingebrochen und dachte sich ‚ah ne, eigentlich habe ich doch schon genug Handys und Fernseher. Ich nehme mal lieber das Rindersteak mit!'?", erwiderte Jimin wütend.

„Hey, dass war Fleisch von höchster Qualität! Das würde ich auch lieber stehlen als so einen blöden Fernseher!", rief Jin entrüstet und ich musste tatsächlich ein bisschen Lachen. „Irgendwie hast du ja tatsächlich das Fleisch geklaut!", gab ich zu bedenken und sofort warf Jin mir ebenfalls einen wütenden Blick zu. Allerdings war Jin bei weitem nicht so einschüchtern wie Jimin, also grinste ich einfach nur frech zurück und widmete mich wieder dem anderen Streitgespräch direkt vor uns, bevor Jin auch nur die Chance hatte darauf zu reagieren.

„Jimin, ich schwöre ich habe das Essen nicht angefasst. Ich kann mir auch nicht erklären, wie alles verschwinden konnte.", er sah bei diesen Worten so niedergeschlagen aus, dass ich sofort zu ihm rüber laufen wollte und ich trösten wollte. Das hatte er wirklich nicht verdient! Aber anscheinend hatten seine Emotionen nicht nur bei mir was bewirkt, sondern auch bei Jimin, denn seine Stimme war auf einmal viel ruhiger und einfühlsamer, als er antwortete: „Aber wer war es dann?"

Namjoon schüttelte nur ratlos seinen Kopf.

„Ich meine, das ganze hat erst angefangen, als du eingezogen bist, also kannst es eigentlich nur du sein. Aber vielleicht machst du es ja nicht bewusst? Vielleicht bist du ein Schlaf-Esser?", fragte Jimin nach einer kurzen Pause der nachdenklichen Stille.

„Weißt du, ich glaube das könnte echt sein. Es ist mir auch früher schon mal passiert, dass manche Snacks einfach so weg waren, von denen ich eigentlich sicher war, dass ich noch genug davon hatte. Aber ich hatte einfach immer gedacht, dass ich mich nur getäuscht hatte. Diese Theorie macht tatsächlich Sinn."

„Dann werden wir diese Theorie wohl beweisen müssen.", sagte Jimin mit einem Nicken. Ein Lächeln breitete sich auf den Gesichtern der beiden Lebenden aus. Und so begann die Mission ‚Ist Namjoon ein Schlaf-Esser?' der beiden Mitbewohner. Für Jin und mich begann allerdings eine ganz andere Mission: Die Mission ‚Lass beide glauben, dass Namjoon tatsächlich ein Schlaf-Esser ist, damit wir weiter ihr Essen essen können'. Und ich wusste jetzt schon, dass das ein riesen Spaß werden würde.

Ghosted [Ger]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt