I3 - Violetta

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Nervös krame ich in meiner Tasche. Meine Hand zittert. Ich atme tief durch. Versuche es zumindest. In wenigen Minuten schreibe ich meine allerletzte Matheklausur, dann bin ich frei. Frei von der Schule. Eigentlich toll oder? Naja sagen wir es so, es wäre toll, wäre da nicht er. Er, mein Mathelehrer Joachim Fissu, wegen dem ich ständig die Konzentration verliere, der mich total hibbelig macht, der mich zum lächeln bringt. Und ja, heute soll ich Abschied von ihm nehmen. Ob ich das kann weiß ich nicht so genau. Ich vergesse was ich in meiner Tasche gesucht habe, stelle sie unter den Tisch und tippe auf meinem leeren Klausurbogen herum. Mein Blick schweift aus dem Fenster. Draußen kämpft sich die Sonne durch die dichte Wolkendecke.
,,Violetta", ich zucke zusammen. Joachim steht vor mir und grinst mich an. Wie ist er hier reingekommen? Seit wann steht er hier? Wie...? Mein Herz schlägt noch heftiger als es eh schon schlägt, mir wird verdammt warm. Er hält mir ein Blatt hin. Die Klausur verdammt!
Zitternd nehme ich sie entgegen und schaue sie mir an. Er geht weiter, teile an den Rest des Kurses aus, setzt sich hinters Pult. Meine Gedanken kreisen. Nur nicht um Mathe. Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen, ich hebe den Blick. Und da! Er sieht mich an. Ich sehe ihn an. Irgendwie bin ich gefangen in seinem Blick. Ich muss sehr verzweifelt ausgesehen haben, denn er schenkt mir ein mitleidiges Lächeln.
Ich versuche mich wieder zu konzentrieren. Sinus, Kosinus, Kurvendiskussion.... ich habe mich gut vorbereitet und fühlte mich sicher, doch jetzt herrscht völlige Leere in meinem Kopf. Scheiße, das ist meine Abschlussprüfung! Ich kämpfe mit mir, mit den Tränen, sehe nach draußen. Die Zeit verstreicht, ich kann ihn nicht ansehen. Fange ich damit an, kann ich nicht aufhören und jetzt gerade ist es mir peinlich. Sehr peinlich dass er sieht dass ich gar nichts kann...
Das Ende der Klausur, Joachim steht auf, sammelt alle Blätter ein. Ich bin völlig fertig und starre ins Nichts. Mein Blatt ist leer. Als er bei mir vorbeiläuft und das Blatt einsammelt, bleibt er länger stehen und seufzt.
Der Kurs verlässt den Raum, ich sitze immer noch versteinert auf meinem Platz. Ehrlich gesagt realisiere ich das Ganze nicht so. Keine Ahnung worüber ich trauriger sein soll- darüber dass ich in Mathe eine 6 kassiere, oder darüber, dass ich ihn nie wieder sehen werde.
Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und ich zucke heftig zusammen. Joachim. Meine Körpertemperatur steigt ins Unermessliche, mein Blutdruck wahrscheinlich auch.
Ich drehe mein Gesicht zu ihm nach oben, er sieht mich mitleidig an. ,,Hey, ich weiß dass du es kannst. Nicht ganz dein Tag heute hm?", er holt sich einen Stuhl, setzt sich neben mich.
Da ist es um mich geschehen. Ich breche zusammen, das ist alles zu viel. Er. Abschluss. Er. Mathe. Er.
,,Pschttttt", er streichelt meinen Arm. Ich lasse mich in seine Arme fallen, weine an seiner Brust und er lässt es zu, umarmt mich.
Ich weiß nicht wie lange wir so da saßen, doch irgendwann höre ich auf zu weinen. Trotzdem liege ich in seinen Armen, höre seinen Herzschlag und will dass es nie endet.
,,Violetta...", beginnt er. Ich setze mich wieder gerade hin und sehe ihn an. Er zieht zwei Blätter hervor und legt sie vor mich. Die Klausur - und die Lösungen. ,,Jeder verdient eine zweite Chance oder? Und du kannst es wirklich", er lächelt mich an. Ich bin fassungslos. Keine Ahnung was ich sagen soll. ,,Ja guck nicht so, fang an", lacht er, ,,aber kopier nicht alles 1:1"
Ich lächele jetzt auch, weiß nicht wie ich mich bedanken soll. Ohne groß darüber nachzudenken, fast aus Reflex, werfe ich meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Just in dem Moment merke ich, dass das einerseits das ist, was ich gebraucht habe, was die Angst und Aufregung in mir wegwirft, andererseits, dass das total falsch ist. Sofort breche ich ab, sehe ihn schockiert an. Er lächelt nur, gibt mir einen Kuss, geht nach vorne. ,,Ich dich auch", sagt er nur. Ich beginne zu schreiben.

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