4O ▪ Merle

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Der Himmel verdunkelt sich. Sterne blinken vereinzelt auf. Wow, wann gab es das letzte Mal Sterne in Berlin?
Die Nacht ist klar und kalt, sodass ich zu frieren beginne. Ich stehe auf dem umzäunten Dach der Schule uns blicke gemeinsam mit meinen Freundinnen Josi und Sophie sowohl über die Dächer unserer Schulgebäude, als auch über die Dächer Berlins. Für das Musical, was die AG heute aufgeführt hat, wurden Freiwillige gesucht, die als Barista aushelfen. Irgendwas schien Frau Klukra, unsere Französischlehrerin allerdings am Wort freiwillig nicht verstanden zu haben, denn sonst wären wir kaum hier. Sophie sitzt auf einem der herausragenden, geschlossen Dachfenstern, Josi liegt wie ein Seestern auf dem Boden und starrt Löcher in den Himmel. Den ganzen Abend sind wir von Tisch zu Tisch geeilt, haben Bestellungen aufgenommen, Getränke verteilt und kassiert. Kein Wunder warum wir also völlig ausgelaugt sind.

Für mich war der Abend aber nicht so ein Fiasko, wie für meine beiden Kolleginnen, denn die stetige Motivation, die mich heute begleitete, war er. Reiner Zufall dass ich ausgerechnet seine Schicht teilte. Herr Wolf, mein Deutschlehrer, der heute Abend Getränke zapfend hinter dem selbst konstellierten Tresen, bestehend aus drei aneinandergereihten Tischen, stand. Jedes Mal musste ich grinsen, wenn ich mit einer neuen Bestellung auf ihn zugeeilt bin, jedes Mal haben meine Hände gezittert, als er mir nett lächelnd diese anreichte. Es sah einfach zu süß aus- er in dieser Highschool-Football-Jacke.

Es wird ruhiger, kurz darauf beginnen hunderte von Menschen circa fünf Stockwerke unter uns, sich über den Schulhof auf ihren Heimweg zu machen. Von hier oben aus betrachtet sehen sie aus wie eine Schar kleiner Käfer auf Wanderschaft. Sophie springt auf. ,,So, ich geh dann mal in die Heia! Wer kommt mit?", Josis Hand streckt sich ihr vom Boden aus entgegen und Sophie hilft ihr hoch. Gemeinsam laufen wir die Außentreppe hinunter auf den Hof. ,,Meine Bahn kommt gleich, wir sehn uns!", Josi stöhnt, umarmt uns flüchtig und läuft davon.
Der Schulhof leert sich langsam, Sophie und ich betrachten das Geschehen. ,,Ah, da ist meine Schwester!", Sophie deutet auf eine Frau, die aufgrund der Dunkelheit nur noch schemenhaft zu erkennen ist. ,,Bis dann!", wir umarmen uns, dann ist auch sie weg und lässt mich zurück.

Kurz darauf ist es stockdunkel, sodass mir langsam unwohl wird. Mein Hany piept. Neue Nachricht: Mama: Schatz, kommst du bitte mit der Bahn? Papa steht bei Potsdam im Stau. Kuss. Na toll. Berlin Schöneberg bei Nacht. Alleine. Leck mich. Ich sehe in den Himmel und wünsche mir nichts mehr, als gerade bei ihm zu liegen. In seiner Wohnung. Auf seiner Couch. Seufzend beginne ich den Weg zur U-Bahn, als ich meinen Namen höre.

,,Ja?", frage ich in die Dunkelheit zurück. Plötzlich taucht eine Gestalt neben mir auf. Ich erschrecke mich so sehr, dass ich beinahe gegen eine Laterne gestolpert wäre. ,,Sorry, das wollte ich nicht", er. Mein Puls beschleunigt auf 180, mein Herz dreht konplett am Rad. Sprachlos. ,,Du kannst doch jetzt nicht alleine mit der U-Bahn fahren!", wir gehen zusammen zum Gleis. ,,Keine Sorge, machen Sie sich da keine Umstände.",gebe ich zurück. ,,Ich muss eh mit der Bahn fahren und dazu ist mein Gewissen noch beruhigt", er lächelt, ich erwidere dies. Schweigend steigen wir in die Bahn ein. Erst jetzt merke ich, wie müde ich bin. ,,Willst du dich setzen?", fragt er. Ich unterdrücke ein Gähnen und nicke. Zusammen setzen wir uns hin. Wir sind komplett alleine, doch als ich einen besoffenen Mann sehe (und dazu sowohl höre als auch rieche), bin ich wirklich froh, hier doch nicht ganz allein zu sitzen. Meine Augen werden schwer.

,,Aufwachen Merle!", sanft weckt er mich. ,,Bin ich etwa eingeschlafen?", will ich wissen.,,Ja bist du und ich hoffe doch stark dass ich bequem war", lacht er. Oh nein wie peinlich! Ich spüre wie mir die Röte ins Gesicht steigt.,,Kein Grund rot zu werden. Du musst aussteigen", bemerkt er.
Die Türen öffnen sich.,,Danke", sage ich, bevor ich gehe.

,,Warte", er hält seine Hand zwischen die Türen und verhinder damit sowohl, dass sie sich schließen, als auch, dass die Bahn weiterfährt. Verdutzt bleibe ich stehen und drehe mich um. Er macht einen Schritt auf mich zu, packt mich an der Taille, zieht mich zu sich und küsst mich

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