Leila musste anscheinend an der selben Haltestelle aussteigen wie Shen. Wie weit entfernt wohnten die beiden voneinander?
Bevor sie zu Leila gingen, holten die Mädels sich eine Pizza und zwei Cappuccinos und als es anfing zu regnen, rannten sie den Weg zu Leila. Als sie an dem Mehrfamilienhaus ankamen, waren die beiden komplett durchnässt, da sie mit ihren Jacken den Pizzakarton trocken hielten. Und genau darüber mussten sie lachen. Sie riskierten eine Erkältung, nur um die Pizza trocken zu halten. Das war absurd, aber sie taten es trotzdem. Einfach weil!Lachend schloss Leila die Tür auf und ging rein. Shen hielt sie die Tür natürlich offen.
"Ich mach das nur für die Pizza.", sagte sie und erneut fingen beide an zu lachen. Genau so wie früher, dachte Shen.Nachdem sie sich beruhigt hatten, gingen sie drei Stockwerke nach oben und kamen vor einer weiteren Tür zum stehen. Erneut schloss Leila die Tür auf und ließ diesmal Shen vor. "Ich hoffe du hast keine Katzenhaarallergie.", meinte Leila grinsend. Shens Augen weiteten sich. Sie hatte eine Katze?! Sie wollte schon immer eins der kleinen Fellknäule haben!
Freudig sah Shen sich um. Sie musste wie ein sich schüttelnder Hund ausgesehen haben. Denn immerhin fing Leila an zu lachen. Und das auch nicht dezent. Auch Shen musste breit grinsen, legte den Pizzakarton auf den Boden und zog ihre Chucks aus.
"Wie heißt eure Katze?", fragte Shen, als auch Leila ihre Schuhe ausgezogen hatte. Doch bevor diese antworten konnte, ertönte plötzlich die Stimme einer dritten Person. "Mich würde eher interessieren, wie du heißt."
Shen drehte sich um. Vor ihr stand ein groß gebauter Junge mit dunkelblonden Haaren und bernsteinfarbenen Augen. Er lächelte charmant."Verzieh dich, Luke.", meinte Leila und klang plötzlich genervt.
Das war definitiv ihr Bruder, man erkannte es bereits an den Gesichtszügen der beiden. Lang, markant und doch irgendwie sanft. Sie hatten dasselbe Leuchten in den Augen. So lebensfroh. Irgendwie unbeschwert. Dazu kam natürlich noch Leilas Stimmungswandel und die Tatsache, dass sie am Ende des Satzes noch seinen Namen gesagt hatte. Ein Psychotrick. Shen grinste leicht. Es war definitiv die richtige Entscheidung gewesen, als Wahlfach Psychologie zu wählen. Das machte einen Menschen so viel interessanter.Luke fing an zu grinsen. "Na gut." Sagte er. "Ich und meine Pizza verziehen uns." Damit hob er den Pizzakarton vom Boden auf und wollte gerade verschwinden, als Shen ihren Schuh aufhob und ihn Luke volle Kanne an den Hinterkopf warf. Dieser schrie erschrocken auf und ließ den Karton fallen, den Shen noch in der Luft auffing.
"Ich bin Shen.", sagte sie noch breit grinsend zu ihm, bevor die Mädels lachend nach rechts abbogen und durch eine mit Edding beschriebene Tür verschwanden. Als Shen sich in Leilas Zimmer umsah, klappte ihre Kinnlade runter. Dieses Zimmer war sicher siebzehn Quadratmeter groß! Die Wand war himmelblau gestrichen, das Bett war flach, aber breit und darauf lagen zig Kuscheltiere und Kissen. Der Boden war mit weißem Teppich belegt, der Schrank war voll beklebt mit Postkarten und an jeder Wand hingen mindestens drei eingerahmte Familienbilder und jeweils ein Poster von unterschiedlichen Sängern. Einmal war es P!nk, an der anderen Wand war es Jess Glynne, an der nächsten war ein Bild von der Violinkünstlerin Lindsey Stirling und an der letzten Wand lächelte Coldplay einen an.
Der Schreibtisch stand in der Ecke, er war cremefarben und ziemlich breit. Darauf stand ein PC und eine ziemlich große Soundanlage. Außerdem war über dem Tisch ein Wandregal angebracht, auf dem Spiele, Blurays und CDs standen. Neben dem Schrank war ein voll gestelltes Bücherregal.
Shen hatte sich sofort in dieses Zimmer verliebt. Es war einfach perfekt! So ein Zimmer wollte sie auch immer. Allerdings musste Shen sich mit einer grauen Tapete, einem schmalen Bett, einem alten Kleiderschrank und einer kleinen Komode zurechtfinden. Sehr viel mehr war darin nicht vorhanden.
Was Shen aber am meisten faszinierte, war der kleine Tisch links neben der Tür. Denn darauf stand ein Plattenspieler! Sofort ging das immer noch durchnässte Mädchen in die Hocke und sah sich den Spieler aus der Nähe an. So einen wollte sie schon immer haben! Leila bemerkte Shens Begeisterung für den Plattenspieler natürlich, öffnete ihren Kleiderschrank und holte eine Platte raus. Was auch immer die dort zu suchen hatte. Breit grinsend machte Shen ihr Platz, Leila legte die Platte ein und der Raum wurde von Musik ausgefüllt.
Die Brünette erkannte die Band sofort: ACDC sang auf diesem Album. Shens Herz machte einen Satz. Sie liebte diese Band!
Wie eine verrückte fing sie plötzlich an durch Leilas Zimmer zu tanzen, blendete diese dabei völlig aus. Sie nahm auch nicht ihr Grunzlachen wahr, bis plötzlich noch eine Stimme in das Gelächter einstimmte. Shen erstarrte. Sie sah zum Türrahmen und blickte in die Augen von Leilas Mutter, die laut lachte und begeistert klatschte. Ihr stieg die Röte ins Gesicht.
peinlich!Shen lächelte peinlich berührt. Als die etwas rundliche Frau mit den hellbraunen Haaren und den Grübchen wieder zur Ruhe kam, lächelte sie breit. "Eine sehr beeindruckende Tanzeinlage!" Leila fing erneut an zu lachen, ihre Mutter und Shen grinsten sich an. "Ich bin Viola Skye, freut mich.", sagte sie schließlich und reichte Shen die Hand. "Shen. Shen Jaydes.", meinte sie, ergriff Violas Hand und schüttelte sie leicht. Viola hatte genau das selbe Lächeln wie Leila. Shen mochte sie jetzt schon!
Nach einem kurzen Gespräch über die Tagespläne der beiden, verließ Viola das Zimmer und ließ die Mädchen alleine. "Wenn du willst geb ich dir was zu anziehen von mir. Denn so nass lasse ich dich nicht auf mein Bett!", meinte Leila grinsend und ging ohne eine Antwort abzuwarten zu ihrem Kleiderschrank. Sie holte eine schwarze Leggins, eine graue Jogginghose, ein hellblaues Tank-Top und einen roten Pullover aus dem Schrank und reichte Shen die Jogginghose mit dem Pullover.
"Das müsste dir passen. Das Bad ist den Gang entlang, die zweite Tür rechts." Erklärte sie. "Du kannst dich aber natürlich auch hier umziehen."Shen entschied sich dafür, die Klamotten im Schlafzimmer anzuziehen. Spätestens am Mittwoch mussten sie sich ja sowieso in der Schulumkleide gemeinsam umziehen, da war das ja sowieso egal. Außerdem fand Shen es noch nie schlimm, sich vor anderen umzuziehen. Warum sollte sie auch? Sie schämte sich nicht für ihren Körper und das würde auch so bleiben.
Shen drehte sich mit dem Rücken zu Leila. Als sie ihr Oberteil auszog und gerade den Pullover anziehen wollte, fragte Leila: "Woher kommen die Blutergüsse?"
Ihre Stimme klang geschockt. Ein paar Sekunden musste Shen überlegen, was sie meinte, doch dann fiel es ihr wieder ein. Ihr Rücken war noch nicht ganz verheilt nach der Sache mit den Schulbüchern. Eigentlich hatte sich der Zustand sogar verschlimmert. Die Flecken waren von blau zu dunkellila umgestiegen.Shen schluckte leise. Sie wollte Leila nicht mit ihren Problemen belästigen, aber lügen wollte sie auch nicht. Also fing sie an zu erzählen.
"Das waren ein paar Idioten aus meiner...unserer Klasse. Sie haben ein Problem mit meiner Sexualität und demütigen mich deshalb gerne. Letzte Woche haben sie mich zu Boden gestoßen und meine Tasche über mir ausgeleert. Schulbücher können ganz schön wehtun." Shen versuchte, entspannt zu klingen, doch klang sie dabei eher wie ein verängstigtes Kleinkind. Und ja, sie hatte Angst. Angst, Leila irgendwie zu verschrecken. Total absurd, dachte sie, aber so war sie nunmal."Lass mich raten. Cassandra war eine von ihnen?", fragte Leila. Erneut klang sie total monoton. So emotionslos.
Die Brünette nickte bloß und zog sich den Pulli über. Nach kurzem Schweigen fragte Leila dann: "Warum wendest du dich nicht an einen Lehrer?"Verdammt.
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Ihr verfluchtes Lächeln
Romantik[...] Und dann sagte niemand mehr etwas. Sie saßen bloß schweigend an die Mauer gelehnt da, tranken abwechselnd aus der Bierflasche und beobachteten den Sonnenaufgang. Und während sie das taten, stieg in Shen ein lange verschwundenes und so sehr her...