Die Sonne tauchte das Dach in einen schimmernden Goldton, auch wenn Shen ihn nicht sehen konnte. Ihre Augen waren geschlossen, sie lag auf dem Rücken. Obwohl es Herbst war und der Wind ihre Haare verwehte, war Shen seltsam warm. Aber sie genoss es. Sie genoss das alles hier. Aber irgendjemand musste natürlich wieder anfangen zu sprechen und anscheinend war das Luke: "Leute, ich muss los. Schreibe heut' noch ne Klausur."
Er lächelte hilflos, aber selbst ein Blinder hätte erkannt, dass er damit nur sein Grinsen überspielte. Luke konnte irgendwie wegen allem lachen. Aber wahrscheinlich mochte Shen ihn genau deshalb so sehr.Luke stand auf, rief im Gehen noch "Viel Spaß euch Pappnasen!" und bevor Leila irgendetwas hätte erwidern können, rannte er schon die Feuertreppe hinunter.
"Arschloch.", murmelte Leila und verdrehte die Augen, das Grinsen auf ihren Lippen verriet aber, dass sie seinen Spruch mit Humor nahm. Diese beiden waren echt speziell.
"Also.", setzte Leila dann erneut an, "Wie gefällt dir dein Geburtstag bis jetzt?" Sie grinste verschmitzt. Ihr Grinsen war fast so süß wie ihr Lächeln. Fast."Ist die Frage ernst gemeint?", Shen setzte sich breit lächelnd auf. "Das ist jetzt schon der beste Geburtstag den ich je hatte!"
Daraufhin fing Leila an zu lachen, Shen stieg mit ein. Dieses niedliche Grunzlachen steckte echt an.
Als das Gelächter langsam verstummte, sah Leila mit zusammengekniffenen Augenlidern in Richtung Sonne. Shen konnte förmlich sehen, wie ihre beste und einzige Freundin in Gedanken versank. Worüber sie wohl nachdachte? Vielleicht darüber, was die beiden als nächstes machen würden?Und gerade, als Shen selbst dabei war abzudriften, drang wieder Leilas Stimme zu ihr durch.
"Weißt du noch, als ich dir erzählt hab, dass mein Dad im Krankenhaus ist?" Sie klang leise, irgendwie vorsichtig.
Shen nickte. Sie hatte gewusst, dass Leila es ihr irgendwann sagen würde.
"Künstliches Koma.", sagte sie als Bestätigung, dass sie wirklich noch wusste was passiert war. Für eine Weile schwieg Leila, aber das war okay. Sie brauchte eben ihre Zeit.
"Er...Hatte einen Autounfall.", Leila klang, als würde sie gleich ersticken. In Shens Kehle bildete sich ein Klos und ihre Hände fingen an zu schwitzen. Denn auf einmal kamen die schlimmsten Theorien in ihrem Kopf auf. Hatte er eine Krankheit, die im Auto erst eingeschlagen hatte? Oder wurde er absichtlich angefahren? Manche würden jetzt sagen, Shen war paranoid und möglicherweise war sie das auch. Man könnte diese Gedanken fast schon als Zwangsgedanken anerkennen, aber so war sie nun mal."Ich hab kurz vor dem Unfall noch mit ihm telefoniert...Ich, hätte ich nicht angerufen...", stammelte Leila. Sie gab sich doch nicht wirklich die Schuld für den Unfall?
Shen hätte am liebsten etwas dazu gesagt, aber ihre Kehle war ausgetrocknet und ihr Kopf war leer. Was sollte man in so einer Situation auch sagen? Ach, morgen ist auch noch ein Tag? Ganz sicher nicht.Leila redete weiter, ihr Blick war auf einen Kieselstein fixiert. "Ich hab ihm gesagt, dass ich eine Person liebe die ich nicht lieben sollte..."
Stille. Zumindest zwischen den beiden. Aber Shens Gedanken tobten wieder. Das war echt komisch. Im einen Moment fand sie keine Worte und im nächsten kreisten Millionen von Fragen in ihrem Kopf. Und bevor sie darüber überhaupt nachdenken konnte, bahnte sich eine davon den Weg über ihre Zunge: "Was für eine Person?"
Sie merkte selbst, dass sie seltsam monoton klang. Und nicht nur ihre Stimmlage hatte sich verändert. Ihr Mitgefühl wurde zu...Eifersucht? Nein. Nein, das konnte nicht sein. Auf wen sollte sie schon eifersüchtig sein? Schließlich war Shen ja nicht verliebt!
Oder doch?
Leila sah sie etwas stutzig an. Sie hatte den Stimmungswechsel wohl bemerkt. Na super.
Aber Gott sei Dank redete sie nicht weiter darüber. "Eine...Besondere Person. Sehr besonders. Und mein Dad heißt die Liebe zu dieser Person nicht gut..."
Ein kurzer Stimmbruch. Sie räusperte sich, versuchte irgendwie, ihre Stimme wiederzugewinnen. Der Anblick brach Shen das Herz. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sich in die Lage von Leila zu versetzen, das einzige was sie fühlte war Eifersucht. Wie sie von dieser Person redete...Er konnte sich echt glücklich schätzen.Shen hasste ihn jetzt schon.
"Leils.", begann die Brünette dann doch, "Du musst nichts weiter sagen." Vorsichtig legte sie ihre Hand auf Leilas Schulter, aber ihre beste Freundin schlug diese einfach weg. Ein Stich durchfuhr Shen. Hatte sie etwas falsch gemacht? Wieso war Leila denn so abweisend?
"Lass das...bitte.", murmelte sie rau. Ihre Stimme klang, als hätte sie zwei Tage lang nichts getrunken. Aber sie redete weiter: "Ich glaube, ich habe ihn so sehr geschockt, dass...dass er..."
"...Dass er abgelenkt war.", beendete Shen den Satz. Ohne jegliche Emotion in ihrer Stimme. Möglicherweise war das eine Art Abwehrmethode. Um nichts mehr an sich ran zu lassen. Sie wusste es nicht und es war ihr auch egal. Im Moment wollte sie einfach nach Hause. Allein sein.
Aber Leila wollte das anscheinend nicht. "Es interessiert dich anscheinend doch nicht." Sie klang immer noch angeschlagen, aber trotzdem lag eine Spur von Wut in ihrer Stimme, als sie aufstand. "Ich höre mir jedes deiner scheiß Probleme an und sobald ich mal Hilfe brauche, machst du einen auf unnahbar? Danke!"
Und mit diesen Worten nahm sie ihre Tasche, warf sie sich über die Schulter und machte sich auf den Weg zur Feuertreppe."Leils, das war doch nicht...", fing Shen an, wurde aber unterbrochen: "Lass diesen Spitznamen! Ich hasse es, wenn du mich so nennst!"
Shen meinte, etwas auf ihrer Wange schimmern zu sehen. Aber da war sie schon hinter der Kante verschwunden und bald waren ihre Schritte nicht mehr als ein Echo in Shens Kopf. Sie starrte mit leicht geöffnetem Mund über die Dachkante, unfähig etwas zu tun. Und dann, als sie realisierte was gerade passiert war, schob sich diese eine Frage in den Vordergrund.
"Wieso sind Frauen so kompliziert?!", brüllte sie hinaus, Tränen rannen über ihre Wangen.Das war definitiv der schlimmste Geburtstag ihres Lebens.
(982 Wörter.)
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Ihr verfluchtes Lächeln
Dragoste[...] Und dann sagte niemand mehr etwas. Sie saßen bloß schweigend an die Mauer gelehnt da, tranken abwechselnd aus der Bierflasche und beobachteten den Sonnenaufgang. Und während sie das taten, stieg in Shen ein lange verschwundenes und so sehr her...