Shen saß, wie nun schon seit einer Woche, auf dem weißen langweilen Krankenhausbett und griff nach einem der Bücher, die links neben dem Bett auf einem kleinen Nachttisch gestapelt waren. Leila war so freundlich und hatte ihr etwas Lesestoff gebracht, damit sie sich nicht allzu sehr langweilte. Eigentlich eine nette Geste, aber aber irgendwie konnte Shen sich überhaupt nicht auf die Zeilen konzentrieren. Sie hatte zwar bereits zwei von den fünf Büchern in fünf Tagen fertig gelesen, jedoch hatte sie danach keine Ahnung mehr worum es darin eigentlich ging.
Auch diesmal schweiften Shens Gedanken schon beim Betrachten des Covers ab. Sie blendete alles um sich herum aus. Das nervige und schrille Piepen der Maschinen neben ihr, das grelle Deckenlicht, das Rauschen des Windes, das sie durch ein gekipptes Fenster an der rechten Wand sehen konnte. Einfach alles.
Und das nur wegen diesem einen Gedanken. Ein Gedanke, der sie seit Tagen irre werden ließ.
Wo ist Leila?Seit Leila ihr die Bücher gebracht hatte, war sie nicht wiedergekommen. Shen erreichte sie auch nicht auf dem Handy, es war, als wäre ihre nette und einzige Freundin vom Erdboden verschluckt worden. Leise seufzte Shen. Sie machte sich verdammt Sorgen um Leila, da es einfach nicht ihre Art war, sich nicht zu melden. Aber vielleicht war sie auch einfach zu beschäftigt? Shen konnte sich gut vorstellen, dass sie nun in Geschichte mehr Hausaufgaben aufbekamen, nachdem die letzte Klassenarbeit mit einem Durchschnitt von 4,8 ausfiel. Aber selbst wenn es so wäre, Leila hätte sich sicher gemeldet. Oder?
Shen war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie gar nicht merkte wie die Tür aufging. Obwohl sie nicht sehr leise quitschte. Erst als sie ein "Guten Mittag, holde Maid.", aus dem Türrahmen wahrnahm, schreckte sie zuckend auf. Vor ihrem Bett stand Luke! Was wollte er denn hier? Shen hätte eher damit gerechnet, dass ihr Vater käme, als Luke hier zu sehen. Tatsächlich war ihr Dad nur einmal im Krankenhaus. Zwei Tage nach ihrer Einweisung. Er hatte sich für das Gespräch mit dem behandelnden Doktor extra rausgeputzt und klang wirklich freundlich, doch als er aus dem Krankenhaus ging, hatte er ihr einen -Das-Gibt-Ärger-Blick zugeworfen. Natürlich, weil sie ja auch verprügelt werden wollte!
"Ähm...Was genau tust du jetzt hier?", fragte die Brünette nach ein paar Sekunden des Schweigens und klang dabei schnippischer als sie wollte. Luke grinste verschmitzt.
"Auch schön Euch zu sehen.", erwiderte er bloß grinsend und verbeugte sich gespielt. Was war denn jetzt mit dem los?"Luke, was soll der Scheiß?", fragte Shen und war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob sie genervt oder belustigt sein sollte. War schon irgendwie witzig, wie er sich zum Affen machte. Aber es regte Shen auch auf, dass er ihr nicht einfach antwortete. Schon seltsam, wie viel sie sich traute, sobald eine Person nicht auf ihrer Schule war. Und auch irgendwie traurig.
Luke grinste einfach dümmlich vor sich hin und sah sich im Raum um. Nach gut zwei Minuten fragte er dann: "Bist du im Gefängnis oder im Krankenhaus?"
Okay, damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Ein Grinsen bildete sich auf Shens Lippen, was schon bald in ein Lachen überging.
Keine gute Idee.
Ihre Rippe fing an zu schmerzen und für einen kurzen Moment bekam sie keine Luft mehr, weshalb sie erstmal tief durchatmen musste. Automatisch fasste sie sich an ihre gebrochene Rippe, ehe sie wieder zu Luke sah. Aus seinem dämlichen Grinsen war ein besorgter Gesichtsausdruck geworden und er blickte fast wie vor Schreck erstarrt in Shens leicht verzogenes Gesicht. Sie zwang sich zu einem leichten Lächeln, woraufhin der Blondschopf sich wieder etwas entspannte."Tut mir leid.", nuschelte er leise, doch Shen winkte ab.
"Bin ich gestorben? Nein.", erwiderte sie bloß schulterzuckend und Luke musste wieder grinsen. Er sah schon irgendwie süß, aber eben nicht ihr Typ. So gar nicht.
"Also, was willst du?", versuchte Shen es noch einmal. Die Schmerzen ließen langsam wieder nach und sie lehnte sich wieder zurück."Leila hat mich geschickt. Ich soll dir sagen, dass sie nicht kommen kann weil es ihr echt scheiße geht."
Kaum hatte er das gesagt, hielt er sich grinsend den Mund zu. "Ups. Madame von Schwester hat mir verboten, vor dir zu fluchen."Shen musste schmunzeln. "Niedlich.", sagte sie gelassen, "Aber Leila ist doch gar nicht hier. Wie soll sie das also kontrollieren?", diesmal grinste sie leicht dümmlich und Luke musste lachen.
"Du ermutigst mich zum Fluchen. Cool!", meinte er weiterhin lachend und ließ sich auf einen Stuhl fallen.Shen verdrehte grinsend die Augen und beobachtete Luke dabei, wie er versuchte sich zu beruhigen. Ein lustiger Depp! Aber dann fiel ihr wieder ein, warum er überhaupt da war.
"Luke?", ihre Stimme klang wieder bedrückt. Oh man, sie war doch wirklich das einzige Mädchen im Universum, das von erschrocken zu genervt, zu amüsiert und zu besorgt innerhalb von zwei Minuten springen konnte.
Luke sah fragend zu Shen, sein Grinsen verblasste langsam."Was ist mit Leila?", fragte sie, versuchend, ihre Besorgnis nicht in ihrer Stimme klingen zu lassen. Funktionierte natürlich nicht. Stattdessen klang Shen, als wäre sie eine verängstigte Dreijährige.
"Ihr Husten ist schlimmer geworden.", meinte Luke und klang dabei relativ gelassen. Klar, es war ja einfach nur ein blöder Husten, aber er war schließlich immer noch ihr großer Bruder.Geschwisterliebe halt.
Schweigend nickte Shen und legte das Buch in ihrer linken Hand wieder zurück auf den Stapel. Wenn Luke ging, könne er ja die fertig gelesenen Bücher mitnehmen. Aber als Luke bereits Anstalten machte zu gehen, fiel ihr eine wichtige Frage ein, die sie beim Fragen schon fast hektisch schrie: "Warum geht Leila nicht an ihr Handy?"
Luke zuckte nur mit den Schultern. "Keine Ahnung, was bei euch Mädchen so im Kopf vorgeht, dass ihr eure Handys nicht mehr benutzt. Vielleicht hat ihr irgendein komischer Typ geschrieben. Aber ich werd sie mal fragen."
Shen nickte und sah dem gar nicht mal schlecht aussehenden Blondschopf nach, wie er mit zwei Büchern unter seinem Arm das Zimmer verließ. Und schon war sie wieder allein.Da man bis jetzt kaum was von Luke mitbekommen hat, wollte ich mal ein Kapitel nur mit ihm und Shen schreiben. Ihr könnt mir ja mal sagen, wie ihr Luke findet und ob man mehr von ihm hören soll. LG, Spirit
(1039 Wörter.)
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Ihr verfluchtes Lächeln
Romance[...] Und dann sagte niemand mehr etwas. Sie saßen bloß schweigend an die Mauer gelehnt da, tranken abwechselnd aus der Bierflasche und beobachteten den Sonnenaufgang. Und während sie das taten, stieg in Shen ein lange verschwundenes und so sehr her...