13

117 6 0
                                    


Weißt du noch, als ich mit euch auf Tour war und zum ersten Mal meine Tage bekommen habe?"

„Wie?"

Er sah mich völlig perplex an.

„Wir waren in Japan und ich bin damals 11 Jahre alt gewesen. Mom war nicht dabei und ihr hattet nicht damit gerechnet, dass ich so früh zur Frau werde. Jedenfalls war das der ultimative Schock. Für alle."

Heute konnte ich darüber lachen. Damals war es der Weltuntergang schlechthin.

„Ich hatte Schmerzen und dachte, ich muss jetzt sterben. Ich war der festen Überzeugung, dass ich verbluten werde. Und ich hatte keine Tampons dabei. Ich wusste überhaupt nicht, wie das funktioniert. Du hast panisch versucht Mom anzurufen. Die war aber nicht zu erreichen. Also sind wir losgezogen und haben versucht den nächst besten Drogeriemarkt ausfindig zu machen. Wir konnten aber kein japanisch."

Mittlerweile lachten wir beide, obwohl uns Minuten vorher noch zum Heulen gewesen war.

„Ich weiß. Mike und Frank sind parallel losgezogen. Onkel Tré kam dann mit Gummihosen an, während Onkel Mike Mulltücher auftreiben konnte."

„Hey, sie haben's auch nur gut gemeint", schmunzelte Dad, weshalb ich mich langsam wieder beruhigte.

„Ihr ward so unbeholfen. Ihr hattet überhaupt keine Ahnung."

„Ja, weil das alles so schnell ging. Ein Jahr davor hast du noch mit Puppen gespielt."

Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Rasen. Er nahm neben mir Platz.

Die Staßenlaterne warf einen fahlen Schein auf den See. Seerosen schwammen auf der Oberfläche. Ab und an raschelte es im Schilf.

„Mein Körper war weiter als mein Kopf", gab ich zu und seufzte.

Er nickte.

Ich musste schmunzeln, als ich an eine weitere Gegebenheit denken musste.

„Noch schlimmer war trotzdem diese eine Sache als ich 7 war. Wir sind durch Europa getourt und waren in Italien. Du solltest auf mich aufpassen und hast es wie immer völlig verpeilt. Auf der Seite, die gegenüber der Bühne vor dem Veranstaltungsgelände lag, hat jemand bunte Heliumluftballons verkauft. Ich wollte unbedingt dieses Pony haben, also bin ich mit meinem Taschengeld in einem unbedachten Moment abgehauen. Leider habe ich dabei nicht bedacht, dass ich auch wieder zurück musste, meinen Backstagepass nicht dabei hatte und mich letztendlich verlaufen habe. Ich hab zwei Stunden bitterlich geweint, bis mich jemand von der Crew erkannte, erbarmt hat und schließlich zurück in den Backstagebereich brachte."

„Wie du mich angesehen hast, werde ich nie wieder vergessen. Das tat mir so leid."

„Ich war eben ein ziemlich explorationsfreudiges Kind", lachte ich. Es wurde kurz still. Für einen langen Moment lauschten wir lediglich dem Quarken der Frösche, bis Dad fortsetzte.

„Du wirst trotzdem immer mein kleines Mädchen sein."

Ich sah ihn gerührt an.

„Bill Schneider hatte Recht. Bei dir fällt mir das Loslassen schwerer als bei Jake und Joey."

„Warum denkst du, ist das so?"

Er dachte kurz nach, sah mir dann nachdenklich entgegen.

„Weil man Frauen beschützen muss. Sie sind schwächer. Es ist einfach anders."

„Kennst du den Spruch? Das Wichtigste, das Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben können, ist ihnen zu zeigen, wie sie ohne sie zurechtkommen."

„Ich weiß.

Ich ahnte weshalb er das sagte, worauf es hinaus laufen sollte.

„Du hast den Brief bezüglich des work and travel Angebots in Australien gelesen, stimmt's? Du wusstest es, seitdem die Tour gestartet ist?"

„Ja. Ich hab den Zettel auf deinem Schreibtisch gefunden."

„Ich wollte mir die Option einfach offen lassen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich liebe Musik, aber ich weiß nicht, ob ich das für immer machen will. Dad, es wäre nur für ein Jahr und es ist noch nicht entschieden. Es würde erst in sechs Monaten losgehen"

„Ich weiß. Ich würde mich für dich freuen und das auch finanziell unterstützen."

Sein Tonfall passte nicht zu der Aussage des Satzes. Tat er das wirklich?

„Ich muss älter werden und wachsen, sonst kann ich mich nicht entwickeln."

Er lächelte traurig.

„Das hast du schön gesagt."

Wir hingen unseren Gedanken nach.

„Du wirst immer mein Vater bleiben, auch wenn ich heirate oder Kinder bekomme, okay?"

Er antwortete nicht, drückte nur stumm meine Hand, als ob er mir sagen wollte, dass er verstand.

„Lass uns weiter gehen", räusperte er sich und zwinkerte er mir zu, bevor er sich übers Gesicht strich, nach oben erhob und mir die Hand entgegen reichte...

___________________

„Man könnte glatt von kollektivem Trauma reden. Traumata vererben sich laut Epigenetik übrigens an die Nachkommen."

Belustigt schlug ich die Mädchenzeitschrift zu, ehe ich auf Estelle, Ramona und Frankito sah, die Bill Schneider gerade vom Flughafen abgeholt hatte.

„Im ernst. So oft wie ihr in unserer Kindheit unterwegs gewesen seid, haben wir mindestens zwei Mal Disneyland Paris gut. Oder wir vier gründen eine Selbsthilfegruppe", warf ich in die Runde der ebenfalls anwesenden Väter. Dad, Onkel Frank und Onkel Mike schauten angewidert.

„Sechs. Jake und Joey gehören auch dazu."

„Eigentlich acht. Wenn man Brixton und Ryan einrechnet", verbesserte Estelle Ramona, aber ich winkte ab.

„Die sind ja noch zu klein."

„Also, was ist jetzt? Disneyland ja oder nein? Wir haben immerhin noch 3 off Tage in Frankreich."

Die Herrschaften schauten eher weniger begeistert.

„Wollt ihr euren Mädels wirklich diesen Wunsch abschlagen?"

Dad stöhnte schwer.

„Übrigens findet heute um 23 Uhr in der Innenstadt ein super starkes Clubkonzert statt. Ich überlege ernsthaft, ob ich da nicht auch noch hin gehe", schwärmte ich, erhielt aber wenig Begeisterung.

„Um diese Uhrzeit und in diesem Stadtteil? Auf keinen Fall", kam es sofort von seiner Seite. Ich sah ihn vernichtend an.

„Warum glaubst du daran überhaupt noch Mitspracherecht zu haben? Ich bin immerhin 18."

„Glauben tue ich überhaupt nichts. Wunder dich dann aber nicht, wenn du in dieser Nacht draußen schläfst."

„Das hast du nicht drauf."

Und damit waren wir wieder in einer wunderbar hitzigen Diskussion versunken. Willkommen in meinem Leben.

„Du glaubst nicht, zu was ich ungeahnte Kräfte entwickeln kann", kam es von Dad zurück. Ja, ja. So lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst.

„Vielleicht haben Ramona und Estelle ja Lust mitzukommen", schlug ich vor, erhielt aber eher weniger euphorische Blicke von Tré und Mike.

Frank bekam vor Schreck einen Hustenanfall.

Die zwei waren ebenfalls im hochsensiblen Alter und für wenige Tage Teil des Tourlebens.

„Tue was du nicht lassen kannst, aber verheize die Mädels bitte nicht zu riskanten Manövern", brummte mein Vater mit aufgesetzt vernichtendem Blick, während ich insgeheim beschloss mich auf jeden Fall über jegliche Bedenken hinweg zu setzen. Jetzt erst recht lautete meine Devise. Da konnte ich sehr dickköpfig sein.

somewhere now (Green Day fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt