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Der Tag gestaltete sich unspektakulär. Die Bühne wurde aufgebaut. Dad probte wiederholt die Songs, die er mittlerweile eigentlich im Schlaf können musste, während ich mich mit den restlichen Crew und Familienmitgliedern im Backstagebereich langweilte.

Als Außenstehender hatte man oftmals keine Ahnung, wie ernüchternd und öde das Bandleben war. Fragte man Fans oder las in Bandforen dachte ein Großteil der Menschen, man feierte den gesamten Tag wilde Parties oder ließ im Tourbus die Sau raus. Das der Touralltag oftmals darin bestand in Industriegebieten abseits von Stadt und Flughafen stundenlang in der Maske oder in stickigen Hallen zu sitzen und auf den bevorstehenden Auftritt zu warten und äußerst trist war, ahnte niemand. Oftmals waren die Bedingungen nahezu prekär. Nicht immer schliefen wir in luxeriösen Hotels oder ließen uns an den Stränden der Welt die Sonne auf den Bauch scheinen. Genauer gesagt stellte das eher die Ausnahme dar. Gerade auf der anstehenden Tour, glichen die Auftritte einer Hetzjagd. Zeit für Sightseeingtrips blieb da wenig und bedeutete, dass man erst den Bus oder ein Taxi in die entfernt gelegene Stadt nehmen musste, sich stundenlang durch google maps suchte oder auf eigene Faust erkunden musste, wo gerade das nächste Konzert stieg.

So auch an diesem Tag.

Zu meinem Unmut fand ich keine Verbündeten. Es war einer der stickigsten Sommertag des Jahres und auch in Europa herrschte Hitze pur.

Weder Fleas Tochter, noch andere Bandmitglieder oder deren Töchter waren dazu zu bewegen, abends einen Abstecher in die Pariser Innenstadt zu machen.

Gutgläubig wie ich war, überschätzte ich mich mal.

Das begann schon damit, dass ich im Nachhinein eine mangelhafte Planung betrieb, nur den Hinweg und nicht den Rückweg organisierte und mich nicht mit ausreichend mit Wasser und Nahrungsmitteln eindeckte. Kurz gesagt: Ich lief blindlings darauf los. Getreu dem Motto: Kommt Zeit, kommt Rat.

Fest entschlossen bestellte ich mir um 21 Uhr ein Taxi. Die Menge war bereits in bester Stimmung, als ich entgegen des Stroms getarnt mit meiner schicken Sonnenbrille zum Eingang des Konzertplatzes lief. Für einen kurzen Moment bedauerte ich die Fans. Die Venue lag inmitten der prallen Sonne. Kein Baum, kein Strauch in der nahe stehenden Umgebung.

Ich schrieb Dad einen kurzen Text und bat darum, dass er die Menschenmenge ordentlich nass spritzen sollte, um dem Massenphänomen des Kreislaufkollapses entgegen zu steuern, ehe ich in das bereits wartende Taxi stieg.

Das Chaos folgte nur wenige Minuten später. Der Taxifahrer weigerte sich vehement englisch zu sprechen, vielleicht sprach er auch grundsätzlich keines, während meine Französischkenntnisse nicht ausreichten, um einen vernünftigen Satz zu formulieren. In Amerika hatten wir als zweite Fremdsprache aufgrund der Nähe zu Mexiko nur Spanisch gelernt und dementsprechend blieb mir nichts anderes übrig als mich mit Händen und Füßen zu verständigen.

Ich wusste letztendlich nicht mehr wie wir es geschafft hatten, aber irgendwann erreichten wir die Innenstadt samt zugehörigem Rockclub.

Zu dieser Zeit war ich bereits zum ersten Mal fast dehydriert. Es war zu warm, viel zu stickig. Notgedrungen füllte ich mir auf der Toilette einen umherstehenden Plastikbecher mit Wasser, den ich auf ex drang, ehe ich erneut nach draußen in den Club trat.

Seit den Vorfällen im November 2015 hatten sich die Sicherheitsvorkehrungen erneut verschärft. Man durfte nicht einmal einen Rucksack hinein nehmen, worüber ich mich zum erste Mal echauffiert hatte.

Trotz aller Zweifel rockte ich in den bevor stehenden Stunden ordentlich ab, verfasste nebenher eins, zwei Nachrichten in denen ich schrieb wo ich war, ehe ich mich wieder dem Konzert widmete.

Erst kurz nach Ende wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich einen bösen Fehler gemacht hatte. Mittlerweile hatte die Bedienung am Eingang gewechselt und von der einstigen Security Kraft fehlte jede Spur. Das allein wäre noch kein Weltuntergang, hätte der Typ nicht meinen Rucksack mitgenommen, in dessen Seitenfach sich mein Portemonnaie befand. Panisch versuchte ich anzudeuten, was da passiert war, aber der mittlerweile neue Sicherheitsbeauftragte blockte sofort ab und faselte irgendetwas auf Französisch, das ich gar nicht verstand. In diesem Moment wurde mir erstmals klar, was das für mich bedeutete. Es war zehn nach zwölf. Dad würde vor um halb zwei nicht erreichbar sein. Nach dem Konzert nahm er meist eine ausgiebige Dusche und quatschte mit den Jungs. Sein Smartphone hatte er meist im Tourbus eingeschlossen.

Blindlings entschloss ich mich Ramona zu schreiben. Die konnte mir zwar auch nicht helfen, war aber in der Lage weiterzuleiten wo ich war.

Ich tippte die Nachricht, während die Besucher allmählich den Club verließen, ehe ich wenige Minuten später auf den Straßen Paris verharrte.

Umgeben von Menschen, die sich nicht mit mir verständigen wollten und nicht einmal meine Sprache sprachen.

Erstklassig, Feena. Sowas konnte wieder nur mir passieren.

Mittlerweile war es stockdunkel geworden und die Straßen wirkten zunehmend leerer.


Ich hätte es natürlich nie über die Lippen gebracht, aber allem Anschein nach hatte mein alter Herr wie immer Recht behalten. Hilflos suchte ich mich eine gute halbe Stunde mittels google translator durch die Fahrpläne der Stadt.

Wohl war mir nicht dabei, als ich den unsicheren Weg in Richtung Hauptbahnhof nahm. Kurz nach halb eins ging von dort aus ein letzter Bus in Richtung des Industriegebietes.

Meinen Rucksack hatte ich mittlerweile komplett abgeschrieben.

Ich schlurfte mit dickem Kloßgefühl durch den Park und zog dabei ein ziemlich langes Gesicht. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich richtig einsam. Normalerweise kannte ich das gar nicht, denn ich war selten allein, hatte stets eine große Familie und einen umfangreichen Freundeskreis um mich.

Unsicher setzte ich ein Bein vor das andere und lief durch den Park, gezielt in die Richtung, die mir google als zentralen Punkt angegeben hatte.

Anfangs redete ich mir ein, dass ich mir hinter mir ertönenden Schritte ja nur eingebildet hatte. Das Rascheln im Gebüsch, die Geräusche. Sicher machte ich mir nur etwas vor. Das war nur die Angst. Selbst erfüllende Prophezeiung eben. Wie ein Karma sagte ich mir diese Worte auf, bis ich einen Schatten hinter mir erkannte.


Das wars dann wohl. Mit einer ungeheuren Stärke riss mich etwas zu Boden. Ich vernahm, eine ekelhafte Bierfahne, die mich beinahe zum würgen brachte. Ich fühlte wie eine Hand den Saum meiner Hose berührte und

Zu Tode erschrocken starrte ich in die kühlen Augen eines herunter gekommenen Mannes, der mir irgendetwas auf Französisch entgegen hauchte.

Innerlich rechnete ich bereits mit dem Schlimmsten. Missbrauch mit anschließendem Mord. Kein Mensch würde mich hier finden.

somewhere now (Green Day fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt