Während ich so auf den Boden starrem stellt Ethen fest, dass Mama „schon wieder" schwanger ist. Sie lächelt darauf hin nur, streicht sich über den mittlerweile beängstigend großen Bauch und bittet uns zu Kaffe und Kuchen ins Wohnzimmer.
„So, dann ist es wohl an der Zeit euch etwas mitzuteilen." Beginnt Mama als wir alle am Tisch sitzen.
„Ich denke, ich war nicht ganz ehrlich zu dir, Eth." Sie macht eine kurze Pause und sieht zu Boden. „Ich habe euch nicht eingeladen, um euch endlich noch einmal wieder zu sehen, oder euch meine neue Familie vorzustellen. Eigentlich wollte ich euch Lou vorstellen." Mama legt mir eine Hand auf die Schulter. Sie lastet dort wie ein Stein. Ich habe das Gefühl, als wolle sie bei mir Halt suchen, aber ich bin nicht einmal dazu im Stande sie anzusehen. „Lou ist nicht Mattis Tochter, sondern deine, Eth." Ethen schluckt schwer. Er hat es also tatsächlich nicht gewusst. Er hat nicht gewusst, dass er noch eine Tochter hat. Er hat mich also gar nicht ignorieren können. Vielleicht nimmt er mich dann ja doch als seine Tochter an? Aber sein Gesichtsausdruck verrät nichts. Er starrt Mama einfach nur perplex an.
„Ja, und Lou," fährt Mama daher schnell fort, „diese drei hübschen jungen Männer hier sind deine älteren Brüder, aber das hast du dir mit Sicherheit auch schon gedacht." Sie lächelt mich unsicher an.
Nichts passiert, alles ist ruhig und wir sehen Mama einfach nur an, zu keiner Regung fähig. Bis Papa plötzlich das Schweigen bricht: „Na dann lasst uns mal den Kuchen anschneiden, sonst wird uns noch der Kaffee kalt."
Einige Minuten essen wir schweigend, bis Ethen seine Gabel zur Seite legt und Mama ansieht. „Und du bist dir da, sicher, also es gibt keinen Zweifel?" Mama schüttelt den Kopf. „Ich war mir schon während der Schwangerschaft nicht sicher, nach der Geburt aber sehr. Wir haben aber auch einen Vaterschaftstest machen lassen." Für einen Moment betrachtet sie versonnen die drei Jungs, als würde sie sich an längst vergangenen Zeiten erinnern. „Sie sah genau so aus wie ihr damals, wie aus dem Gesicht geschnitten." Und an Ethen gewannt; „Ich habe den Test noch, wenn du ihn haben willst." Ethen nickt, schüttelt dann den Kopf und nickt wieder, verwirrt und scheinbar völlig von der Rolle reibt er sich durchs Gesicht. Er scheint es nicht zu schaffen, mir ins Gesicht zu sehen, aber ich schaffe ich es ja auch nicht. Ich sitze gerade mit meinem leiblichen Vater und meinen Brüdern an einem Tisch, irgendwie ist das ein seltsames Gefühl.
Plötzlich stöhnt Mama auf „Aua" ihr Gesicht ist schmerzverzerrt und sie hält sich mit beiden Händen den Bauch. Entsetzt sieht Papa sie an. „Was ist los?" „Wehen!" presst Mama hervor, „Sehr stark!". „Ähm, Papa," stammele ich perplex und deute unter Mamas Stuhl, wo sich eine immer größer werdende Pfütze angesammelt hat. „Die Fruchtblase." Papa macht einen Eindruck, als währe er total überfordert.
Aber Dank Mama die uns beiden abwechselnd Befehle zu schreit, schaffen wir es dann doch recht schnell sie und die Krankenhaustasche ins Auto zu verfrachten.
Nach nicht einmal einer viertel Stunde sitze ich also alleine am Esstisch mit Ethen und den Jungs. Meine Schwester hat sich schon gleich nach der Begrüßung zu einer Freundin aus dem Staub gemacht. Das würde ich jetzt auch gerne machen, aber ich glaube das würde keinen guten Eindruck machen. Es herrscht eine unbehagliche Stille, verlegen stochere ich mit der Gabel in dem Rest meines Kuchens herum, einfach nur um irgendetwas zu machen und nicht die vier mir gegenüber ansehen zu müssen.

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Ich Und Meine Brüder
Fiksi RemajaLou ist 14 und erfährt, dass ihr Vater gar nicht ihr leiblicher Vater ist und sie zudem drei ältere Brüder hat, von denen sie bisher nichts wusste. Schon steht ihr gesamter Altag auf dem Kopf. Wie geht man damit um, auf einmal zu einer der bekanntes...