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Ich wurde vom Klingeln meines Handys geweckt. Ich stellte den Alarm aus und hörte wieder sein Gebrumme hinter mir. Erst jetzt fiel mir der tätowierte Arm auf, der unter meinem Kopf lag.

Ich schaute mich so gut es ging um. Tim musste sich heute Nacht oder das, was davon noch übrig geblieben war, ausgezogen haben, denn sein roter Anzug lag auf dem Boden und sein halbnackter Körper drückte sich von hinten an mich, was es mir erschwerte mich aufzusetzen.

Ich blieb einen Moment noch in seinen Armen liegen und fragte mich, warum ich seine Nähe so genoss.

Dann versuchte ich vorsichtig aus seiner Umarmung raus zu kommen und rannte förmlich ins Bad. Dort machte ich mich dann für mein Meeting fertig, zu dem ich gleich gehen würde.

Als ich wieder aus dem Bad kam, setzte sich Tim grade schwerfällig seine schwarze Brille auf die Nase und sah mich an, immer noch im Bett liegend.

"Ich geh mal davon aus, du hast genug Geld und alles ist noch da, wenn ich später wieder komme?", fragte ich ihn während ich meine Schuhe anzog.

Er nickte nur, also nahm ich meine Sachen und verschwand aus dem Zimmer.

******

Erschöpft öffnete ich die Tür zu meinem Hotelzimmer. Ich stellte die Tasche ab und wollte mich grade wieder ins Bett fallen lassen, als er mich mit einem grinsenden 'Morgen' zu Tode erschreckte.

"Fuck, was machst du denn noch hier?", fragte ich und guckte ihn dabei böse an. Ich hatte echt nicht damit gerechnet, dass er immer noch in meinem Bett lag.

Er legte, immer noch grinsend, das Handy weg und meinte nur: "Alles noch da."

"Damit meinte ich aber nicht dich." Ich setzte mich neben ihn und fragte, was er denn noch hier mache.

"Wenn du mich loswerden willst, dann sags einfach."

"Okay, ja, ich wäre jetzt echt gerne mal alleine.", meinte ich daraufhin, was er allerdings ignorierte und weiter grinsend auf seinem Handy rum drückte.

"Wo warst du eigentlich grade?", fragte er mich dann nach ein paar Minuten der Stille.

"Bei 'nem Meeting. Realtiv uninteressant das alles." Als er mich dann weiter fragend ansah fügte ich hinzu: "Ich hab die Firma meiner Eltern übernommen, nachdem sie gestorben sind. Jetzt war ich grade Kunden angeln."

"Ich bin mir sicher, du kannst alles angeln oder?", fragte er lachend.

"Naja, so gut is' das jetzt nich' gelaufen. Wegen 'nem gewissen Herrn war ich nich gut genug vorbereitet und ausgeschlafen auch nicht"

"Soll ich dem Herrn vielleicht mal 'nen Besuch abstatten und den zu Recht weisen?", fragte er scherzhaft.

Jetzt musste ich auch lachen und sagte: "Klar, kannst dem auch gleich sagen, dass sein Bett eigentlich neben an ist"

In dem Moment klopfte es an der Tür: "Tim?" Mit einem 'Ja' seinerseits wurde die Tür geöffnet und der Mann stand wieder im Zimmer.

Mit einem kurzen 'Hey', begrüßte er mich und wendete sich dann auch gleich Tim zu. "Also du kommst nach?"

Tim nickte nur. Der Kerl wollte wieder gehen, da meinte er noch: "Ach ja, du weißt ja, nimm sie. Bitte. Ich will sowas nicht noch mal mit ansehen, okay?" Er hatte in seiner Tasche rum gekramt, welche er über der Schulter trägt, und warf ihm dann etwas zu.

"Ja, Mutter.", antwortete Tim genervt.

Sie verabschiedeten sich kurz und der Kerl verschwand wieder.

"Okay, zwei Sachen", sagte ich dann verwirrt. "Erstens: Wer is der Kerl denn jetzt? Ich hab dem gestern aus seinem Zimmer geholt und der war sowas von unhöflich"

Tim lachte. "Das ist Lukas, bzw. Alligatoah, mein Bandkollege. Der ist eigentlich echt nett, braucht aber seinen Schönheitsschlaf." Darauf antwortete ich nur mit einem leisen 'Achso'.

"Und zweitens?", fragte er mich, als ich nicht weiter sprach.

"Ach ja. Zweitens: Was ist das?", fragte ich und zeigte dabei auf die Packung, die er in den Händen hält.

"Öhm...", kam erstmal nur von ihm. "Naja... Das sind - ähm... Anti- ... depressiva.", beendete er dann irgendwann seinen Satz.

Ich guckte ihn mit großen Augen an. Damit hab ich jetzt echt nicht gerechnet. "Also hast du Depressionen?", fragte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst zu ihm hätte sagen sollen.

"Laut meinem Therapeuten schon."

Wir redeten sehr lange. Über alles mögliche. Er erklärte mir, dass er eine echt schwere Kindheit hinter sich hatte und es im Erwachsenenleben wohl nicht besser wurde. Dazu kommt dann noch, dass er Drogen nahm um damit fertig zu werden, diese es aber meistens nur verschlimmerten.

"Dann war ich letztens am überlegen ob ich drei Pillen nehme und mir sicher sein konnte, dass es bei 'nem Rausch bleibt oder ob ich vier nehme und damit 'ne mögliche Überdosis in Kauf nehme." Auf meine Vermutung, dass er dann die vier Pillen genommen hat, schüttelte er nur den Kopf und sagte: "Fünf."

Das zerbrach mir irgendwie das Herz. Ich wollte nicht, dass er leidet. Aus Reflex nahm ich seine Hand in meine und legte meinen Kopf auf seine Schulter.

"Das hat mir dann im Endeffekt nur einen Besuch im Krankenhaus, einen beim Therapeuten, 1000€ Strafe und enttäuschte Freunde und Familie gebracht."

Ich redete auch über meine Kindheit. Wie meine Familie dauernd umgezogen ist und ich nie so wirklich Anschluss gefunden hab. Ich erzählte ihm, dass ich eigentlich immer Künstlerin werden wollte. Dass ich meinen Traum aber vor zwei Jahren aufgegeben hab, um die Firma meiner Eltern weiterzuführen.

Wir redeten wie gesagt über sehr viel und das auch echt lange. Am Ende schlief ich dann mit meinem Kopf auf seiner Brust und in seinen Armen liegend ein.

Heiliger TimääähWo Geschichten leben. Entdecke jetzt