Jungkook
Nicht nur das Verhalten Yoongis am vorherigen Tag hatte sich als äußerst eigenartig und ausweichend erwiesen, heute war ihm gefühlt die halbe Schule damit gefolgt, ja sogar Jimin schien darin verwickelt und allmählich drohte ich wirklich, durchzudrehen.
"Youngjae, warte mal kurz!", startete ich einen weiteren, kläglichen Versuch, endlich jemanden dazu zu bringen, mir ein paar Informationen zukommen zu lassen- oder mich zumindest nicht beinahe vollständig zu ignorieren, doch hatte ich meine Rechnung ohne Taehyung gemacht, der plötzlich schier aus dem Nichts auftauchte und den Schwarzhaarigen schon beinahe gewalttätig mit sich zerrte.
"Er ist gerade beschäftigt, tut mir leid, Kookie."
Resigniert wandte ich meinen gesamten Oberkörper Richtung Eingangstür der Mensa, in welcher ich mich momentan aufhielt, in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht würde diese passieren und mich vorzugsweise nicht sofort umgehen, doch nichteinmal eine dieser möglichen Situationen traf ein.
Zum ersten Mal seit schon gut einem Jahr fühlte ich mich tatsächlich in irgendeiner Art...allein.
Natürlich gab es eine reichliche Auswahl an Menschen, die einfach anhand meines Beliebtheitsgrades nichts daran auszusetzen hätten, würde ich mich zu ihnen gesellen, doch oberflächliche Gespräche zog ich der Einsamkeit nicht unbedingt vor.
Es war irgendwo schon ein wenig lächerlich, wenn ausgerechnet der beliebteste Schüler der gesamten Stufe von sich selbst behauptete, einsam zu sein, da ich sogesehen immer Leute um mich hatte, wenn auch ab und zu unfreiwillig.
Anhand dieser verwirrenden Gefühlslage kamen mir plötzlich die Worte in den Sinn, die Yoongi als Antwort dienten, als ich ihn damals- bevor er unserem Freundeskreis angehörte- fragte, ob er denn keine Einsamkeit verspürte.
"Einsamkeit ist nichts, was sich an der Anzahl der Personen, die dich umgeben, definieren lässt."
Zu früheren Zeiten war es mir einfach nie gelungen, den Sinn hinter diesem Ausspruch zu erfassen, aber in meiner jetzigen Lage war ich durchaus so weit, von mir behaupten zu können, dass ich seinen Worten nachempfand.
Allerdings steckte in dieser eigentlich so unbedeutenden Erkenntnis weitaus mehr, als man auf den ersten Blick zu realisieren vermochte, denn sie löste eine Art Kettenreaktion in Bezug auf den Großteil meiner vergangenen Handlungen aus.
All der Dreck, durch den ich gegangen war, all die Opfer, die ich gebracht hatte, all die Schulden, die ich auf mich nahm, nur um 'beliebt' zu sein waren vollkommen bedeutungslos gewesen.
Die Beliebtheit war es nicht, die einen guten Menschen aus dir machte- oder zumindest einen glücklichen.
Natürlich war Ansehen immer ein angenehmes Gefühl, man wurde in seinem Sein bestätigt und erlangte wachsendes Selbstbewusstsein, doch zu was führte all dies, wenn man dennoch stets von der verbitternden Emotion des Alleinseins begleitet wurde?
Meine komplette Vergangenheit war, um es nüchtern auszudrücken, für den Eimer und im Gegensatz dazu erschien mir die Freundschaft zu Yugyeom von einem Augenblick auf den nächsten so wertvoll, dass eine nie dagewesene Rührung sich in mir ausbreitete und ungünstigerweise auch meine Augen dazu animierte, ihre jahrelang angestaute Tränenflüssigkeit loszuwerden.
"Woah, Jungkook, du heulst doch jetzt nicht etwa, weil wir dich umg- weil die meisten von uns gerade keine Zeit für dich haben, oder?", ertönte auf einmal überraschend genau die Stimme meines ersten wahren und gleichzeitig besten Freundes neben mir und in diesem- zumindest für mich- emotionalen Moment, waren mir seine Wortwahl, der Inhalt dieser und einfach alles vollkommen egal, weshalb ich den Schwarzhaarigen unter meiner tränenverschleierten Sicht einfach ohne jede Umschweife in meine Arme zog.
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Past~Jikook
FanfictionDie Vergangenheit vergisst und vergibt nie. Den einen prägt sie fürs Leben und lässt tiefe Narben zurück. An dem anderen zieht sie vorbei, entrinnt seinem Bewusstsein. Was geschieht, wenn diese zwei Menschen aufeinander treffen? Die Vergangenheit ve...