Taehyung
Mein Kopf dröhnte sogar noch mehr, als in den Tagen zuvor, obgleich ich mir einen solchen Zustand kaum zu träumen erwagt hatte.
Als meine Mutter vor knapp einer Woche zu mir gekommen war, um mir die schier nebensächliche Bitte entgegen zu bringen, für unbestimmte Zeit ein Auge auf den Sohn ihrer Kindheitsfreundin, der wohl eine Art Mobbingopfer gewesen sein musste, zu werfen, war mir das Ausmaß dieser Aktion nicht im Geringsten bewusst gewesen.
Ich hatte mir Jimin mit fettigen Haaren, schiefen Zähnen, einer runden Brille auf der Nase und einem Fimmel für Pullunder vorgestellt- Eben der typische Außenseiter, der immer nach Leberwurstbrot stank und über solch langweilige Themen Bescheid wusste, dass es sich um kein Wunder handelte, dass niemand ihn leiden konnte, aber nie im Leben hätte ich in Erwägung gezogen, er könnte so...gebrochen sein.
Allein diese fälschliche Voreingenommenheit zeigte nur allzu deutlich, wie oberflächlich und gnadenlos die Menschheit eigentlich war- und ich gehörte ohne jede Zweifel dazu.
Nie in meiner bisherigen Existenz war die Notwendigkeit dazu vorhanden gewesen, tiefer zu denken, als das, was Einem tagtäglich angeboten wurde, ob durch Medien, oder eben die eigene Umgebung, doch unter den Umständen der vergangenen Tage begann ich allmählich, mich zu fragen, ob nicht meine komplette bisherige Lebensweise in irgendeiner Art verwerflich und ignorant gewesen war.
Ebenso war mir allerdings bewusst, dass ich nicht über die Macht verfügte, die Vergangenheit zu ändern- umso mehr Ansporn, die Gegenwart in die Hand zu nehmen.
"Und TaeTae, wie ist es gelaufen?", begrüßte mich meiner Mutter ohne jegliche Umschweife, sobald ich die, wie des Öfteren, laut knarzende Tür hinter mir gelassen hatte und so, wie ich sie kannte- und das tat ich selbstverständlich nicht gerade wenig- hatte sie in ihrer Ungeduld vermutlich die vorherigen dreißig Minuten direkt vor dieser gewartet.
Manchmal, um nicht zu sagen, ausgesprochen oft in letzter Zeit, vergaß ich, dass es einzig meine Denkweise war, die sich geändert hatte- meine Umgebung war immer noch die selbe, obwohl sie sich inzwischen teilweise beinahe befremdlich anfühlte.
Die aufmerksamen und mit Wissbegierde gefüllten, rehbraunen Augen meiner Mutter, die nach wie vor auf mir ruhten, brachten mich gedanklich auf ihre Frage zurück und sogleich ebenso auf ein Vorhaben meinerseits von eigentlich enormer Wichtigkeit, welches ich aber über meine Grübeleien nahezu wieder vergessen hatte.
Fester umgriff ich das Mobiltelefon in meiner rechten Hand, welches den ausschlaggebenden Beweis umhüllte, in dem ich tatsächlich eine ausschlaggebende Besserung für Jimin zu sehen vermochte.
"Nicht viel anders, als erwartet.", antwortete ich der großgewachsenen Frau wahrheitsgemäß, die trotz dieser wenigversprechenden Vorwegnahme nicht einen Funken ihres Interesses verloren zu haben schien. "Er verhält sich unsicherer, als ein frischgeborenes Rehkitz, dabei ist er eigentlich kein wirklich schlechter Tänzer, eher im Gegenteil."
Den Fakt, dass der wenig Ältere mit ziemlich großer Sicherheit zusätzlich noch an einer Essstörung litt, kehrte ich absichtlich unter den Tisch, aus dem simplen Grund, dass ich der Meinung war, er hätte schon mit genug Dingen zu kämpfen, als dass ich seine Mutter noch auf diese Fährte bringen musste.
"Den Mundschutz hat er immer noch nicht abgenommen?", erkundigte sich meine Erzeugerin weiter, das familieneigene Festnetztelefon bereits griffbereit, um sich alsbaldig den selben Fragen vonseiten ihrer alten Freundin zu stellen, wenn unser Gespräch erst einmal beendet war.
"Nein, aber das war auch abzusehen gewesen. Tatsächlich aber, habe ich eine viel bedeutendere Entdeckung gemacht.", begann ich bereits im Voraus, ihr mein Vorhaben möglichst schmackhaft zu verkaufen und versuchte nebenbei, mein Mobiltelefon zu entsperren, was aufgrund meines leider etwas komplizierten Musters, erst beim dritten Versuch wirklich eintraf, weshalb meiner äußerst ungeduldigen Mutter bereits ein entnervtes Seufzen entfloh.
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Past~Jikook
Hayran KurguDie Vergangenheit vergisst und vergibt nie. Den einen prägt sie fürs Leben und lässt tiefe Narben zurück. An dem anderen zieht sie vorbei, entrinnt seinem Bewusstsein. Was geschieht, wenn diese zwei Menschen aufeinander treffen? Die Vergangenheit ve...