4 - Der Freund des Drachen

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Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 4

»Du hast was?!«

Entsetzt blickte Zara Vin an, die ihr soeben eröffnet hatte, dass einer der gesuchten Drachen in ihren Kürbissen gelandet war und nun in ihrem Gewächshaus wohnte, während Vin sich um diesen kümmerte hinsichtlich Verletzungen und Durst. Vin hätte sich am Liebsten geschlagen. Wieso hatte sie es Zara nur erzählt? Am Liebsten hätte sie gar nichts gesagt, denn das andere Mädchen hatte laut geschrien, dass Vin befürchtete, jeden Moment käme jemand, um sie wegen Verrates an ihrem Dorf festzunehmen.

»Nicht so laut«, zischte Vin, die nun ein bisschen sauer auf ihre Freundin war ob der fehlenden Diskretion. Daraufhin schwieg Zara – das ewige Plappermaul – und starrte Vin unentwegt an.

Dann, als realisiere sie erst jetzt, dass Vin sie keinesfalls auf den Arm nehmen wollte, fragte sie: »Jetzt ernsthaft? Erzähl! Welche Farbe hat er?«

Und von da an war sie nicht mehr zu bremsen. Sie stellte Fragen zu den Augen, Schuppen und Fressgewohnheiten des Drachens und Vin konnte kaum alle beantworten. Dies schien Zara allerdings nicht zu stören. Vin lächelte während des Redeflusses, beobachtete das Glänzen in den Augen ihrer Freundin und war mehr als nur ein weiteres Mal froh, sie zu haben.

Die Fragen wurden irgendwann weniger und da beschloss Vin, die Fragerunde zu beenden und ihre Freundin bis zum Marktplatz zurück zu dirigieren.

Noch immer waren Protestrufe hörbar und über die Drachen wurde auch viel geschimpft. Vin fragte sich plötzlich, ob der Drache, der in ihrem Gewächshaus wohnte, wirklich der letzte Drache war. Ja, er hatte es so gesagt, doch vielleicht hatten auch andere Himmelsschlangen überlebt und er wusste es nur nicht. Wenn dies der Fall wäre, dann würden die Dörfler vielleicht nicht nach dem grünen Drachen suchen, so hoffte Vin.

Rauch schwebte in Wölkchen nach oben zum Himmel und Vin bemerkte entsetzt, dass in der Mitte der Menschenmenge ein Feuer gelegt wurde. Es erinnerte sie an die Bilder, die sie in Zeichenbüchern gesehen hatte: Verbrennungen auf öffentlichen Plätzen, bei denen Rauch über den Himmel zog und Menschen entsetzt oder jubelnd daneben standen.

Vin war unsicher, was sie wegen des Drachens tun sollte. Letztendlich fragte sie einfach Zara um Rat.

»Dein Gewächshaus ist von der Straße aus zu sehen«, sagte Zara, »das heißt, dass der Drache irgendwo anders hinmuss. Hast du nicht noch Platz in dem Haus oder dahinter?«

Deprimiert schüttelte Vin den Kopf. »Hinter dem Haus würden ihn die Nachbarn sehen. Das funktioniert nicht. Und in mein Haus lasse ich ihn erst recht nicht!«, stellte sie klar, denn obwohl sie nun in gewisser Weise verantwortlich für den Drachen war, wollte sie ihn dennoch nicht in ihr Haus lassen und ihn die Erinnerungen an ihre Eltern entwürdigen lassen, und vor allem deswegen nicht, weil sie eine genuine Abneigung gegen Drachen hegte.

»So sehr es mir auch missfällt zu sagen, Vin, ich fürchte, dass du den Drachen von hier wegbringen musst und ihn vielleicht...«, fing Zara an und fing an, mit ihren Fingern zu knacken, wie immer, wenn sie angestrengt nachdachte, »in eine Höhle oder auf einen Berg. Egal wo, solange man ihn nicht findet.«

Eigentlich fand Vin diese Idee gar nicht schlecht, doch dann fiel ihr etwas ein: »Er ist verletzt! Er kann nicht mal fliegen und das Laufen schien ihm auch schwerzufallen.« Schier verzweifelt blickte sie wieder zu dem Feuer, das noch ruhig vor sich hin flackerte, aber zu einer lichterloh brennenden Säule werden würde, wenn dort ein Drache verbrannt wurde.

Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt