15 - Das Echo des Drachen

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Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 15


Vor Angst und Schrecken zog sich Vins Herz zusammen. Entgeistert starrte sie den Jungen an, der ihr soeben eröffnet hatte, dass sie schnell kommen musste, da etwas mit ihrem Drachen sei. Ihrem Drachen, hatte er gesagt. Es klang falsch, als Lloyd es aussprach, und doch fühlte es sich in ihrem Herzen richtig an. Aber war sie nicht selbst vor wenigen Minuten noch der Meinung gewesen, dass der Drache nicht ihr und auch sonst niemandem gehörte? Es war, als wollte sie sich vor dem Fremden rechtfertigen, doch Lloyd, der sie wohl durchschaut hatte, wusste, dass ihr der Drache viel bedeutete.

Sie schob den Gedanken beiseite und sprintete los, bis sie am Garten angekommen war. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz setzte aus, als sie die in dunkelgrau gekleideten Personen sah, die sich in einem Kreis um den Drachen herum aufgestellt hatten. Sie sah Atlas, wie er Feuer um sich spie, um die Fremden von sich fernzuhalten, doch mysteriöserweise konnten die Flammen den Personen nichts anhaben.

Die Beobachtenden waren zur Seite gewichen und sahen dem in die Enge getriebenen Drachen nun zu oder waren komplett verschwunden. Vins Blick wanderte zurück zu Atlas, denn mehr konnte sie nicht machen. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre er zu Eis erstarrt und so konnte sie nur beobachten, was geschah. Ihre Angst lähmte sie. Sie war nicht mehr der Herr über ihren eigenen Körper und auch nicht über ihr Gehirn, wie es den Anschein hatte, denn sie hatte keinerlei Idee, was sie tun sollte.

Sie hatte während des ewigen Streites mit dem Drachen und der Suche nach den Dracheneiern vollkommen vergessen, dass sie auf der Flucht waren. Wäre sie nur aufmerksamer gewesen! Und nicht dem Fremden nachgerannt!

Vin bewegte sich langsam vorwärts und war kaum in der Lage, sich zu bewegen, so sehr hatte sie Angst um den Drachen ergriffen. Als sie jedoch beinahe bei den Fremden angekommen war und sich in den Kreis drängen wollte, um zu dem kämpfenden Drachen zu gelangen, beschwörten Erstere einen Wall aus blauen Feuer herauf. Die Augen der Mitglieder des Kreises glühten gelb und Vin konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob dies auch Drachenseelen waren. Waren sie ob der Tode ihrer Drachen so verbittert, dass sie den letzten auch noch töten wollten?

Die erhobenen Arme schienen das bläuliche Feuer zu lenken und sie lenkten es weiter auf den Drachen zu. Vin erwachte aus ihrer Starre und zögerte nicht, bis zu dem Kreis aus Drachenseelen zu rennen. Ihr Blick traf den des Drachen, der sie warnend anblickte, doch das Mädchen ignorierte jegliche Warnung und versuchte, sich zwischen zwei Gestalten durchzuquetschen. Keine von ihnen wandte sich ihr zu, sondern sie konzentrierten sich einfach weiterhin auf das den Drachen einkreisende, blaue Feuer. Deswegen war es für Vin ein Leichtes, bis zu Atlas zu gelangen.

Beinahe war sie bei der großen Kreatur angekommen, doch noch ehe sie die Hand nach dem Drachen ausstrecken konnte, hatte ebenjener sich aufgebäumt und sie dabei nach hinten geworfen, sodass sie rücklings fiel. Dann, ehe der Drache seine Pranken wieder zu Boden sausen lassen konnte, bewegte Vin sich ein Stück nach hinten, um nicht in dem Bereich zu liegen, auf dem er aufkommen würde. Mit wütend blitzenden Augen ließ er seine Vorderbeine vor ihr aufkommen, doch Vin erkannte, dass es sich nicht um die sonst auftretende Wut handelte, aber so richtig konnte sie den Blick des Drachen nicht deuten. War es Sorge?

Vin lenkte ihre Konzentration auf das blaue Feuer, das seinen Kreis unaufhaltsam enger um die beiden zog. Ehe sich das Mädchen etwas überlegen konnte, spürte sie eine unglaubliche Hitze und Druck an ihrem Rücken und kurz darauf sah sie, wie rotglühendes Feuer an ihren Seiten vorbeischoss. War der Druck an ihrem Rücken etwa auch von dem Flammenstoß? Sie drehte sich um und wünschte sich sofort, sie hätte es nicht getan. Atlas, der Drache, dem sie trotz Differenzen und Querelen vertraute, schickte eine Feuersalve nach der anderen los und nahm dabei keine Rücksicht darauf, sie nicht zu treffen.

Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt