17 - Der Aufbruch des Drachen

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Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 17


»Ich verstehe immer noch nicht, warum wir nicht hierbleiben können!«, beschwerte sich Vin, als Mirnen zum Aufbruch drängte. Er hatte zwei Pferde organisiert, die aufgezäumt und gesattelt vor ihnen standen und ungeduldig mit ihren Hufen scharrten. Vin jedoch hatte sich zu Lloyd und Leana, die einige Meter von ihnen entfernt standen, umgedreht und hatte das Gefühl, noch Worte der Dankbarkeit sprechen zu müssen.

Das Mädchen würde ganz besonders Lloyd vermissen, der ihr trotz seines Hasses auf den Drachen geholfen hatte und selbst vom Verschwinden ebenjener Kreatur betroffen zu sein schien. Er hatte ihr nicht helfen müssen, aber dass er es dennoch getan hatte, dass rechnete Vin ihm hoch an.

»Kommst du?«, ertönte Mirnens gelangweilte Stimme, der offenbar keine Lust hatte, ihr zu erklären, warum genau sie jetzt nicht hierbleiben konnten. Genervt atmete Vin aus. Das konnte ja heiter werden! Wenn die Ausbildung schon auf diese Weise anfing, wie sollte es dann erst im weiteren Verlauf werden? Sie drehte sich zu ihm und den Pferden um und ging dann auf den schwarzen Hengst zu, der für sie gedacht war, um ihm kurz über den Hals zu streicheln. Es fühlte sich an wie Verrat, ein Wesen ähnlicher Farbe wie der Drache zu berühren und auf ihm zu reiten und sie hatte das Gefühl, Atlas zu ersetzen.

Noch immer stand sie wie zu einer Salzsäule erstarrt vor dem Rappen und konnte sich beim besten Willen nicht überwinden, aufzusteigen. Offensichtlich verstand Mirnen ihr Problem nicht, denn er ging zu ihr hin und fragte: »Bist du überhaupt schon einmal geritten?« Daraufhin löste Vin sich aus ihrer Starre und merkte, dass sich wenigstens das Fell nicht so anfühlen würde wie Atlas. »Auf einem Pferd noch nie«, antwortete sie wahrheitsgemäß, »aber nach einem Flug mit dem Drachen schockt mich wahrscheinlich gar nichts mehr.« Sie dachte zurück an ihren zweiten Flug mit dem Drachen, bei dem er kurz vor der Landung überraschenderweise einen Sturzflug gemacht hatte.

Dies entlockte der Drachenseele ein heiseres Lachen. »Was hat er denn verbrochen?« Vin wollte nicht antworten, denn es ging ihn eigentlich nichts an. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass es befreiend sein könnte, darüber zu reden und antwortete deshalb: »Er hat sich einfach fallen lassen und erst wenige Meter über dem Boden seine Flügel wieder ausgebreitet ... und er war verletzt dabei.« Mirnen grinste verhalten, ehe er etwas von seinem Drachen erzählte. »Meiner hat während eines Fluges beschlossen, dass Fische ganz interessant seien und ist mit Schwung ins Wasser geflogen.«

Vin lächelte, schob dann ihren Fuß in den Steigbügel und zog sich dann hinauf. Erleichternd ausatmend, weil das Pferd kleiner war als ein Drache, blickte sie zu Mirnen herunter. »Wir können los«, meinte sie entschlossen, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. Sie hatte bereits ihre eigentliche Heimat hinter sich lassen müssen und nun sollte sie schon wieder fort. Ihr machte das Fremde Angst und doch trieb sie das Pferd an.

Eigentlich hätte sie glücklich sein müssen, dass das Pferd nicht plötzlich abhob, um ruckelnd voranzufliegen und dann mit einem Sturzflug zu landen, doch es stimmte sie eher traurig. Lediglich das leichte Schaukeln beruhigte sie und hielt sie davon ab, in Tränen auszubrechen. Dann, als die beiden aus der Stadt draußen waren, begannen sie, zu galoppieren und obwohl Vin noch nie geritten war, kriegte sie es sofort hin, sich in den Bügeln aufzustellen und über die grüne Weite zu preschen. Selbst der Galopp war ruhiger als der Flug des Drachen.

Mehrere Male blickte Vin über die Schulter zurück und sah, wie die Stadt kleiner und kleiner wurde, bis sie schließlich hinter den leichten Hügeln verschwand. Wehmütig dachte sie an Lloyd und Zara, Freunde, die sie hatte zurücklassen müssen. Mirnen neben ihr blickte mit stoischer Ruhe voraus und schien nicht zu merken, was für ein Strudel der Gefühle sich in ihr breitmachte. Da war plötzlich nicht mehr bloß die Wehmut, sondern auch Angst um Atlas und unbändiger Zorn, dass es seit der Begegnung mit dem Drachen in ihrem Leben abwärts ging und sie sich jetzt mit der Drachenseele herumplagen musste.

Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt