14 - Der Verfolger des Drachen

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Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 14


Vin lag auf dem Rücken und blickte zur Seite, dorthin, wo der Zaun das Ende des Gartens markierte und dahinter sich die Wiesen um die Wette in die Länge reckten und die Hügel in die Höhen. Sie sah zu, wie der Himmel sich rötlich verfärbte und die Sonne über den Horizont kletterte. Der Drache neben ihr war schon wach und beobachtete ebenfalls den Sonnenaufgang an. Er wirkte müde und Vin fragte sich, ob er überhaupt geschlafen hatte. Vielleicht war er aber bloß erschöpft.

Es musste über Nacht geregnet haben, denn auf den Grashalmen, die sich in ihrem Blickfeld befanden, waren unzählige Tropfen. Doch jetzt, da die Sonne schien, trockneten auch diese so langsam. Die Stadtbewohner schienen dies auch zu merken, denn die Straßen und Wege füllten sich, sodass unweigerlich Menschen an der Seite des Gartens vorbeigingen und den Drachen unanständig anstarrten. Vin merkte, wie der Drache von ihr abrückte, beinahe so, als wolle er nicht zusammen mit ihr gesehen werden, aber da dies bereits geschehen war, wenigstens Abstand zu wahren. Dann brüllte der Drache laut, entfaltete seine Flügel und bekam dadurch sowohl Staunen als auch verschreckte Gesichter als Reaktion.

Vin wollte zu ihm gehen, ihn fragen, ob es ihm besser ging, wenn er sich derartig als Objekt der Begierde zur Verfügung stellte, doch als sie nähertrat, erhielt sie nur ein lautes Knurren des Drachen in ihre Richtung.

Verletzt und genervt von dem Verhalten des Drachen stand Vin auf, klopfte sich einige Grashalme von ihrer Kleidung und ging dann auf die Haustür zu. Ohne einen Blick zurück wusste sie, dass Atlas der Gedanke gefiel, von allen angeguckt und bewundert zu werden und da sie keine Lust darauf hatte, ebenfalls Aufmerksamkeit zu bekommen und sich mit der Arroganz des Drachen abzugeben, wollte sie die Zeit lieber mit Leana verbringen.

Im Hausflur angekommen atmete sie einmal tief ein und aus. Obwohl sie versucht hatte, eben ruhig zu bleiben, fiel es ihr jetzt schwer, das Geschehene gleichgültig an sich vorbeiziehen zu lassen. Sie konnte ja verstehen, dass der Drache Hilfe nicht wirklich anerkannte und aus Gewohnheit wieder in sein altes Muster zurückfiel, jedoch nicht, dass er sich ihr Gegenüber verhielt wie am Anfang, als sie sich kennengelernt hatten und stets gestritten hatten.

Eigentlich hatte Vin gedacht, dass der Drache und sie mittlerweile besser waren als das. Aber offensichtlich hatte sie sich geirrt. In einem kurzen Moment der Schwäche war die Fassade des grünen Drachens wie ein schlecht gebautes, instabiles Kartenhaus zusammengebrochen und hatte ihr den verletzten, einsamen Drachen offenbart, der er war. Vin hatte die Karten aufgesammelt und ihm dabei geholfen, ein starkes, windbeständiges Kartenhaus zu bauen, doch wie es den Anschein hatte, dachte der Drache nicht ansatzweise daran, sich ihr dankbar zu zeigen und hat stattdessen das ihre zerstört.

Aber das Schlimmste daran war, dass Lloyd recht gehabt hatte. Atlas hatte sie ausgenutzt. Sie hatte ihm geholfen und der Drache ließ sie nun hängen, denn auch ihr ging es gerade nicht unbedingt blendend. Sie vermisste Zara und ihr Zuhause, war zudem vollkommen erschöpft, da sie nur kurz geschlafen hatte und ihre Laune hatte mit dem Verhalten Atlas' auch einen Tiefpunkt erreicht. Vollkommen ausgelaugt ließ sie sich auf einen der Sessel fallen und lehnte den Kopf gegen den Stoff an der Lehne.

Es machte sie fertig, dass der Drache stets nur Streit suchte und sich aufführte wie der Gott, als der er gegolten hatte. Vor seinem Fall hatte er sich auch so verhalten. Hatte er denn gar nichts aus der ganzen Sache gelernt? Mit Ausnahme dieser Stadt waren die meisten den Drachen sowieso feindlich gesinnt und dass er sich noch immer derart überlegen aufführte, würde wohl nie dazu beitragen, dass die Mordlust auf das Geschöpf verebbte.

Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt