Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 29
Flötenklänge ließen Vin die Augen öffnen. Sie hatte nicht geschlafen, lediglich ihren Kopf gegen die kalten Gitterstäbe hinter sich gelehnt und versucht, nicht darüber nachzudenken, was kommen möge. Es war lange her, dass sie das letzte Mal eine Flöte gehört hatte; früher hatte manch einer auf dem Marktplatz gespielt. Damals hatte die Melodie sie zum Lächeln gebracht, jetzt war es das Vorspiel des Todes, das sie bis zum letzten Atemzug begleiten würde.Sie hatte versucht, die Gitterstäbe schmelzen zu lassen, zu sprengen oder zur Seite zu biegen, doch es wollte ihr nicht gelingen. Auch der pulsierende Energieball in ihrem Inneren war zu einem kleinen, flackernden Punkt verkommen. Es fühlte sich an, als sei nicht nur ihre Magie, sondern auch ihre Energie erloschen.
Nichtsdestotrotz versuchte sie, sich noch ein wenig zu entspannen, ein letzter Versuch, noch ein wenig Kraft zu tanken für das, was kommen mochte.
Dies wurde ihr allerdings verwehrt, als Wachen durch die Tür traten. Obwohl sie denselben roten Umhang trugen wie sonst auch, hatte Vin ob der glänzenderen Rüstung und feineren Kleidung das Gefühl, als haben sie sich heute edler gekleidet, weil eine andere Hinrichtung als sonst stattfand. Ein bewegendes Ereignis. Die Einmaligkeit, einen Drachen sein Leben aushauchen zu sehen. Natürlich würden viele Menschen da sein und deshalb wollten auch die Wachen ein guten Eindruck machen.
Mit zitternden Fingern suchte sie nach Zaras Hand, um diese fest zu umschließen. Im nächsten Moment sprangen sie erschrocken auf. Der Boden bebte unter ihren Füßen. Die Wachen hielten an und sahen sich um, offenbar wussten sie genauso gut wie Vin, was gerade passierte.
»Was ist los?«, wollte Zara wissen, die nicht spüren konnte, was gerade im Nebenraum passierte. Wenn auch nur noch sehr schwach, eher wie eine Erinnerung die kurz vor dem inneren Auge aufblitzte und dann schnell verschwand, hatte Vin gespürt, dass Atlas gerade in die Aren ageführt werden sollte und sich, seinem Temperament und Eigenwillen entsprechend, heftig wehrte.
Wie wild schien sich der riesige Drache gegen die Gitterstäbe zu werfen, denn kurze Zeit später hörte man ein leises Knurren. Der Adamant der Stäbe schien ihm zuzusetzen, doch Atlas wäre nicht Atlas, wenn er nicht stur versuchen würde, doch noch im letzten Moment auszubrechen und der Demütigung zu entgehen. Kurz schilderte sie Zara, dass es Atlas war, der die Vibration im Boden auslöste.
Vin hasste es, nicht dabei sein zu können und so konnte sie nur erahnen, dass, als die Geräusche verklangen, Atlas in die Arena getrieben wurde. Auch sie würden sich bald dort befinden, denn die Wachen schienen sich gefangen zu haben, sie betraten nun die Zelle und traten mit steinharter Miene auf die beiden Freundinnen zu. Einzig ein junger Mann mit langen braunen Locken betrachtete sie mitleidig. Vin wand sich unter seinem Blick. Sie fühlte sich schwach, wenn andere sie bemitleideten, denn dann hatte sie das Gefühl, dass die Lage wirklich so auswegslos war, wie sie erschien.
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Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche Freundschaft
Fantasy*** WATTYS 2018 - GEWINNER in der Kategorie DIE VERBORGENEN PERLEN *** Als ein Jahrtausende alter Drache auf dem Acker vor ihrem Haus eine Bruchlandung hinlegt, ist Vinley verständlicherweise überrascht. Wie kommt es, dass das mächtige Geschlecht, d...