1. Kapitel

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Ein blauschimmernder Schmetterling landete auf dem Fenstersimms. Fasziniert beobachtete Sam das Insekt.

Nicht das sie den Kunstunterricht nicht interessant gefunden hätte, doch an diesem Tag herrschte eine seltsam drückende Stimmung.

Sam konnte sich nicht erklären warum, aber vielleicht lag es auch einfach an dem Wetter. Arcadia Bay war für seinen schnellen Wetterwechsel bekannt.

Ein Blick aus dem Fenster bestätigte ihre Vermutung. Der Himmel wurde von düsteren Wolken verdeckt, welche keinen einzigen Sonnenstrahl hindurch ließen.

Sam seufzte. Es sah sehr nach Regen aus, und sie hatte keinen Schirm dabei. Es kam oft vor, dass sie den Weg zu ihrem Wohnheim rennen musste, weil es stürmte und regnete, und sie in aller Eile morgens ihren Schirm vergessen hatte.

Sam fokusierte ihren Blick wieder zu dem Schmetterling. Irgendwas an diesem Anblick faszinierte sie. Und sie konnte nicht mal sagen, was.

Samantha seufzte, ihr Blick wanderte zur Uhr, welche über der Tafel des Klassenzimmers befestigt war. Noch fünf Minuten, bemerkte sie erleichtert.

Sam hatte Kunst nicht umsonst gewählt, sie liebte diesen Zeichenkurs, aber die Doppelstunde am Montagmorgen war einfach nicht auszuhalten.

Samantha blickte sich um. In diesem Klassenzimmer, dem Kunstraum, standen acht Tische. Ihre Lehrerin, Mrs. Delrey, stand vorne an der Tafel, und überschlug sich fast vor Freude, ihren Schülern von verschiedenen Schattierungsarten mit Kohlestiften berichten zu können.

Sam sank etwas weiter in ihrem Stuhl zusammen. Ihre Augen wanderten zur Uhr. Noch 4 Minuten. Die Rothaarige blickte sich weiter um.

An dem Einzeltisch neben ihr saß Alyssa Anderson. Das stämmige Mädchen mit der violetten Strähne im Haar redete nicht besonders viel mit Sam, war aber dennoch freundlich.

Vor Alyssa saß Daniel. Der Schwarzhaarige zeichnete unglaublich gute Bilder in kürzester Zeit, und darum beneidete Sam ihn. Ihre Werke waren zwar gut, aber sie brauchte Ewigkeiten dafür.

Alles, was nicht für die nächste halbe Stunde auf der Selben stelle blieb, konnte sie nicht zeichnen. Noch drei Minuten.

Sam fiel auf, dass drei Schüler fehlten: Lucie, Jamie und Andrew. Ob sie einfach den Unterricht ausfallen ließen, oder einen guten Grund hatten, wusste sie nicht.

Eigentlich war es Samantha aber auch relativ egal. Sie hatte mit keinem von den dreien jemals ein richtiges Gespräch geführt. In der ersten Reihe saßen dann noch die Carlyle-Zwillinge, Ann und Kathy.

Beide glichen sich, ganz nach dem cliché, komplett. Sam belegte nun schon das ganze Jahr über diesen Kurs, auseinander halten konnte sie die beiden aber trotzdem nicht.

Sam blickte entmutigt zur Uhr, während Mrs. Delrey mittlerweile von Farbschattierungen sprach (Niemals drei Nuancen dunkler!). Ihre Miene hellte sich sofort auf, als sie bemerkte, dass es in einer Minute klingeln würde.

Da ihre Biologielehrerin krank war, hatte sie nun bis zum Nachmittagsunterricht frei. Sam liebte ihre Stundenverteilung. Da zwischen den meisten Stunden immer eine Freistunde lag, hatte sie unendlich viel Zeit wenn einmal ein Kurs ausfiel.

Leise packte sie die Stifte, die noch auf dem Tisch rumlagen, in ihr kleines Mäppchen, und stopfte es in ihren kleinen Rucksack.

Die drei Blätter mit Notizen, die sie am Anfang der Stunde gemacht hatte, als sie noch halbwegs motiviert war, legte sie in ihren Block. Diesen packte sie ebenfalls ein, und schloss den Reißverschluss ihres Rucksacks.

Gerade zur richtigen Zeit - die Glocke zum Ende der Stunde ertönte. Als Sam aufstehen wollte, sah sie etwas schimmerndes aus dem Augenwinkel. Sie drehte ihren Kopf, und sah den Schmetterling, der langsam und anmutig auf sie zuflog.

Noch immer wunderte sie sich wie er in das Klassenzimmer gekommen war. Es war Montagmorgen, was bedeutete, dass die Fenster über das Wochenende auf jeden Fall geschlossen waren.

Und auch während der Doppelstunde war nicht einmal das Fenster geöffnet worden. Sam beobachtete, wie der kleine Schmetterling auf der Kante ihres Tisches landete.

Sam blickte sich kurz um. Keiner außer ihr befand sich noch in dem Raum. Ihr Blick wechselte kurz zwischen Tür und Schmetterling. Schnell holte die Rothaarige ihren Block wieder heraus, genau wie eine geringe Anzahl an Kohlestiften.

Sie erwartete, dass der Schmetterling jederzeit wieder wegflog, vor allem wegen ihren ruckartigen Bewegungen in seiner unmittelbaren Umgebung. Doch der blaue Falter bewegte sich kein bisschen.

Schnell schlug Sam eine leere Seite auf, und plante im Kopf kurz die zeichnung. Ihre Kohlestifte waren für starke, herausstechende Konturen geeognet, doch sie wollte keine anderen Stifte benutzen.

Sie würde den wunderschönen Schmetterling einfach sehr groß zeichnen, um genug Platz für Details zu haben. Falls es überhaupt zu Details kommen würde.

Sie wollte ein lebendes Objekt zeichnen, dass genaudo schnell weg sein könnte wie es gekommen war. Sam zeichnete die ersten Linien mit lockerem Handgelenk, achtete gar nicht darauf ob sie schön waren oder nicht.

Schon nach den ersten Linien ergab sich das Bild des Schmetterlings. Sam zeichnete weiter und weiter, und hatte wirklich das Gefühl, dass aus dieser einfachen zeichnung etwas werden könnte.

"Da bist du ja", ertönte eine Stimme vom anderen Ende des Raumes. Sam wandte ihren Blick ruckartig von der Zeichnung ab, und sah in Richtung Tür.

Max und Warren standen im Türrahmen, Max eher zurückhaltend, Warren verschmitzt lächelnd. Sam lächelte die beiden an.

Sie konnte nicht wirklich behaupten, beste Freunde hier in Arcadia Bay zu haben, doch die beiden zählten definitiv zu ihrem Freundeskreis.

"Was machst du noch hier?", fragte Warren. "Wir haben Freistunde. Eine Freistunde, die du sitzend in einem leeren Klassenzimmer verbringst."

Sam lachte leicht. "Ich verschwende meine Zeit nicht, ich nutze sie nur sinnvoll." "Ach ja?", schaltete sich nun auch Max ein.

"Wir wollten doch ins two whales. Und nun haben wir das gesamte Gelände nach dir abgesucht. Das du hier bist, und nichts machst, hätten wir uns auch gleich denken können."

Sam mochte es, wenn Max lächelte. Sie lächelte selten, aber wenn sie es tat, war es echt. "Ich habe diesen wunderschönen Schmetterling gezeichnet", erklärte Sam und hielt demonstrativ ihre Zeichnung hoch.

"Welcher Schmetterling?", fragte Warren verwirrt. Sam sah zur Tischkante, wo der Schmetterling eigentlich sitzen sollte.

Doch er war verschwinden.

Focused          [Nathan Prescott FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt