Kapitel 04

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Montag ging ich ins Krankenhaus, um meinen wöchentlichen Check über mich hergehen zu lassen. Der Pfleger, der sich um meinen schlafenden Körper und auch im Nachhinein um mich gekümmert hatte, war selbst jetzt noch, nach meiner Entlassung, für mich zuständig. Er nahm Blut ab, überprüfte meinen Blutdruck, stellte mich auf die Waage und redete mit mir über meine Erinnerungen. Ihm musste ich von meiner Woche erzählen, wie ich täglich den Park besucht und keinerlei Erinnerungen erhalten hatte. Es war wichtig, dass ich, wenn nicht mit der Ärztin, wenigstens mit ihm offen über meine Gefühle und Gedanken redete. So konnte man meine Gesundheit im Blick behalten und erkennen, ob sich mein Körper veränderte.

„Du darfst dich nicht zwingen, Carolin."

„Ich weiß. Ich fühle mich nur sehr einsam. Es gibt doch nur dich und die Katzen."

Er lächelte. „Ich fühle mich geehrt, dass du mich aufzählst."

„Komm schon, Markus, du weißt, dass du mein Freund bist." Ich gab ihm einen spielerischen Stoß gegen die Schulter, was ihn lachen ließ.

„Klar", grinste er. „Wenn es diese Woche in meine Schicht passt und meine Freundin nicht glaubt, dass ich ein Date habe, komme ich dich im Park besuchen. Ich nehme an, dass du weiterhin jeden Tag dort sein wirst."

„Hat sie denn wirklich so ein Problem mit mir?", fragte ich nach, während ich mich aufrichtete. Der Pfleger nickte, öffnete die Tür für mich und ließ mich vorgehen.

„Sie ist der Meinung, dass du hinter mir her bist und deshalb so viel Zeit mit mir verbringst. Ihr gefällt nicht, dass ich selbst jetzt noch in Kontakt mit dir stehe, obwohl du entlassen wurdest", erzählte er zerknirscht, während er mich zum Ausgang begleitete.

„Das ist doch lächerlich. Darf ein Mädchen nicht mit einem Mann befreundet sein?" Ich schnitt eine Grimasse. Markus' Freundin machte dauernd Theater. Sie war schon von mir genervt gewesen, als ich noch Patientin in diesem Haus gewesen und auf meinen Pfleger angewiesen war. Er hatte mir oft erzählt, dass sie sich gestritten hatten, weil die Eifersucht seiner Freundin die Überhand genommen hatte. Das hatte sich nach meiner Entlassung nicht verändert, dabei war Markus bloß ein enger Vertrauter von mir geworden. Der einzige Freund, den ich besaß.

„Mach dir nichts daraus. Ich werde dich nicht hängen lassen." Markus zeigte mir sein strahlendes Lächeln. Ich mochte diesen Mann. Er war cool drauf, locker und offen, hilfsbereit und freundlich, attraktiv. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war er in der vollen Blüte seines Alters, glaubte ich. Der Pfleger hatte eine einzigartige Ausstrahlung, war ein richtiger Sonnenschein.

Am Ausgang umarmten wir uns. „Ich würde mich über Unterhaltung freuen. Melde dich einfach, wenn du Zeit für mich hast", sagte ich zum Abschied. Ich winkte ihm noch einmal zu, ehe ich das Gelände des Krankenhauses verließ und geradewegs zur nächsten Bushaltestelle ging, um zum Park zu kommen. Montags fehlte mir Zeit, weil ich für die Untersuchungen recht lange hier war und der Termin immer erst zur Mittagszeit stattfand.

Unterwegs kaufte ich mir noch eine Currywurst mit Pommes, aß sie auf dem Weg von der Innenstadt zum Park und schaute mich immer wieder aufmerksam um, ob nicht doch irgendwo ein Hinweis war, der Erinnerungen hervorlocken konnte. Ich wollte partout die Hoffnung nicht aufgeben, mich irgendwann wieder an alles erinnern zu können.

In meinen Ohren dröhnte der Bass von Rock, blendete sämtliche Geräusche der Stadt aus. All die Autos, Hupen, Gespräche, das mochte ich nicht besonders. Es war unangenehm, wenn so viele Töne auf einmal durch mein Gehör drangen und mein Gehirn versuchte diese zu sortieren. Ich mochte es schlichtweg nicht. Im Park war es zwar auch laut, doch dort bekam man wenigstens nichts mehr von dem Straßenverkehr mit. Dort hatte man das Gefühl, dass man eine andere Welt betreten hatte, die durch die Natur deutlich friedlicher wirkte.

So hatte ich schon als kleines Mädchen gedacht, wusste ich. Wenn meine Eltern mit mir nach draußen gegangen waren, dann grundsätzlich in einen Wald oder den Park, wo wir weg von der Stadt waren und uns nicht mit Ampeln, Autos und LKWs beschäftigen mussten. In der Natur konnte man abschalten, seinen Gedanken nachgehen und sich nicht dauerhaft von etwas ablenken lassen.

Erst, als ich mein vertrautes Umfeld um mich herum hatte, schaltete ich die Musik aus, packte die Kopfhörer weg und verbrachte den Nachmittag an meinem gewohnten Platz.



An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich mich medizinisch nicht auskenne. Ich habe weitgehend versucht alles sehr real zu formulieren, um es nicht zu irreal klingen zu lassen und hoffe, dass es unter den Lesern keine Ärzte gibt, die mir einen Vortrag halten werden, wie unglaubwürdig die Grundidee meiner Geschichte doch ist. ^.~

Verlust #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt