Kapitel 14

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Markus löste sich aus meiner Umarmung, zeigte mir ein schiefes Lächeln. „Danke, Carolin. Du hattest recht. Ich fühle mich jetzt deutlich besser aber fünf Jahre sind fünf Jahre und das schmerzt", sagte er niedergeschlagen.

„Genieße deine neugewonnene Freiheit. Sie wird dir guttun und dir neues Glück schenken", versicherte ich ihm lächelnd. Innerlich war ich zerrissen und verletzt. Ihn so zu sehen, tat mir ungemein weh. Ich wollte sein Lächeln beschützen, ihn weiter strahlen sehen, wie es sich für ihn gehörte. Markus war mein Sonnenschein, das wusste er. Er wusste, dass ich ihn unter genau diesem Kosenamen in meinem Handy eingespeichert hatte. Dieser Mann war mir so wichtig.

„Ich werde jetzt nach Hause gehen und Nathalies Sachen aus der Wohnung werfen. Wir sehen uns spätestens Montag."

„Und dann erzählst du mir bitte, wie sie auf der Straße gestanden und geschrien hat, weil ihre Sachen auf der Straße verteilt waren. Das wird lustig!"

Markus lachte. Zwar nicht so schön wie sonst aber er lachte. Das war ein Anfang. „Sollte es so ablaufen, werde ich ein Video davon machen und dir schicken."

„Super! Wenn du mich brauchst, ruf mich einfach an, okay?"

„Du mich auch, ja?"

„Danke, Markus", flötete ich und küsste ihn auf die Wange. Er schenkte mir noch sein schönstes Lächeln, bevor er mit seiner Gitarre den Weg nach Hause antrat. Ich war mir sicher, dass er jetzt nicht mehr lächelte. Markus kämpfte mit seinen Gefühlen. Liebe war nichts, was man einfach so verlor und ich wusste, dass er Nathalie sehr liebte.

Ich ging zu Elias zurück, der bei dem Brunnen auf mich wartete. Es war komisch, wie vertraut er mit mir umsprang, obwohl ich ihn als Fremden ansah. Für ihn schien es selbstverständlich zu sein, meine Hand zu halten. Was erwartete er bloß von mir? Wer war er für mich gewesen?

Elias lächelte zaghaft, als ich bei ihm war und mich wieder auf den Rand des Brunnens setzte. Ich blieb ruhig, sah mich in dem Park um, der noch so voll war. Erstes Laub fiel von den Bäumen, sammelte sich auf dem Gras. Die Sonne ging bereits unter und ließ die Umgebung düsterer wirken. Das war normalerweise der Zeitpunkt, an dem ich nach Hause ging.

„Wie lange warst du im Krankenhaus?", fragte mein Nebenmann plötzlich.

„Ich bin seit etwa einem Monat draußen."

„Was?", stieß er fassungslos aus. Er stellte sich vor mich, schaute mich entsetzt an. „Du verarscht mich doch." Seine blaugrünen Augen waren geweitet. Ihm stand schon wieder der Schock im Gesicht geschrieben. Ich war geblendet von dem Jungen, der ein Wirrwarr aus Gefühlen in mir auslöste und ich nicht ordnen konnte.

„Nein, ich habe bis zum Frühling im Koma gelegen und musste danach erst einmal verstehen, dass ich nicht mehr achtzehn bin. Für mich sind nur ein paar Stunden vergangen", erzählte ich, lächelte schief. Elias schwieg und sah mich einfach nur an. „Ihr habt alle euer Leben weiter gelebt. Ihr habt euren Abschluss gemacht, habt Arbeit gefunden, eine Ausbildung gestartet oder studiert. Aber ich... Ich habe nichts. Ich wurde komplett aus dem Leben gerissen und finde keinen Weg mehr zurück, weil ich mich einfach nicht erinnern kann."

Tränen sammelten sich in meinen Augen, die ich nur mühselig zurück halten konnte. Es tat weh, meine Gedanken laut auszusprechen, sie jemand anderem zu erzählen, außer meinen Eltern oder Markus.

„Du sagtest, ich wollte studieren und in die Kanzlei meiner Mutter einsteigen aber... wollte ich das wirklich? Wollte ich in einem Büro sitzen und die Probleme anderer lösen? Ich erinnere mich nicht. Nicht an diese Planung, die Schule oder dich. Du bist mir vollkommen fremd, Elias. Wer bist du? Was bist du für mich? Habe ich dir so viel vertraut, dass ich dir damals auch all das hier erzählt hätte?"

„Das hast du, Caro", antwortete er bloß und legte seine Arme um meinen Körper. Er zog mich an seine Brust heran, hielt mich tröstend an sich gedrückt und strich mir beruhigend über den Rücken. Ich verstand es nicht. Verstand diese Vertrautheit zwischen uns nicht. All die Fragen blieben unbeantwortet, während ich an seiner Schulter weinte.

Verlust #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt