Kapitel 26

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Am Abend, als ich wieder Zuhause war und zu Abend gegessen hatte, lief ich noch immer in der Kleidung von Elias herum und telefonierte nebenher mit meinem Pfleger, der sich schon viel besser anhörte, als er es zuletzt im Park getan hatte. Er lachte mehr, stichelte mehr und klang so befreit. Die Trennung schien ihm wirklich gut zu tun.

Wir redeten gerade über Nathalie, wie er sie noch am Mittwoch aus seiner Wohnung geworfen hatte. Auf ein weiteres Gespräch hatte er sich mit ihr nicht eingelassen. Ihm war es wichtig, dass Nathalie erst über alles nachdachte und ihren einzigen Fehler einsah. Ihr musste bewusst werden, dass Markus und ich bloß enge Freunde waren. Mit den Monaten im Krankenhaus waren wir ein zusammengeschweißtes Team geworden und wir waren uns einig, noch bevor Nathalie mit ihrem Theater angefangen hatte, dass wir es auch bleiben würden.

„Das ist in einem Streit ausgeartet, bei dem am Ende die Fetzen geflogen sind. Ich konnte auch nicht mehr ruhig bleiben." Markus stieß einen Seufzer aus. „Mir tut das echt leid und weh, wie es auseinander gegangen ist aber Mittwoch, ich sag dir, ich habe ihre Sachen aus dem Schrank geholt und sie ins Treppenhaus geworfen. Nathalie habe ich auch gleich vor die Tür gesetzt. Sie hat mich das erste Mal so aus der Fassung gebracht und du kennst mich, Caro, ich bin die Ruhe in Person."

„Ich weiß. Das hört sich grausam an. Warum hast du dich Mittwoch nicht gleich bei mir gemeldet? Habe ich nicht gesagt, dass du mich immer anrufen kannst?"

„Ich brauchte etwas Zeit für mich. Mir hat die Ruhe gut getan."

„Das hört man heraus." Ich lächelte. „Du bist wieder ganz mein Sonnenschein."

Seine Lache erklang aus meinem Handy. „Niemand hat mich je so genannt. Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich so ein Sonnenschein bin."

„Ich könnte jetzt so einiges aufzählen aber du könntest denken, dass ich mit dir flirte, also lassen wir das lieber. Ich habe morgen ein Date." Er schien gerade etwas getrunken zu haben, woran er sich verschluckte und zu husten begann.

„Was?", krächzte er, hustete noch immer. „Der Junge?" Ich lachte nur kurz auf, dann räusperte ich mich und begann zu erzählen, um ihm auf dem Laufenden zu halten. Er erfuhr von dem Ausflug in meine ehemalige Schule, was wir dort gemacht hatten und wie es in der Pizzeria geendet war. Auch von meinem Zusammenbruch erzählte ich ihm, immerhin war er mein Krankenpfleger und musste über meine Gesundheit informiert werden. Begeistert klang er nicht aber er hörte mir zu, um auch noch von dem heutigen Tag zu erfahren, wie ich bei Elias gewesen und die Wahrheit hinter ihm und mir herausgefunden hatte.

„Dein Freund? Also Freund Freund?"

„Ja, sieht so aus. Er war total verlegen und hat entschieden, morgen mit mir auf ein Date zu gehen. Ich verstehe das nur nicht. Warum sollte er das tun? Ich war fast zwei Jahre weg und unsere Beziehung existiert doch gar nicht mehr. Elias muss sich neu verliebt haben, hatte bestimmt eine andere Freundin oder zumindest seinen Spaß, wenn du verstehst." Der letzte Satz schnürte mir die Brust zu. Es war mir unerklärlich, warum mein Körper bei solchen Gedanken dermaßen überreagieren musste. Ich war doch gar nicht mehr seine Freundin.

„Ich verstehe, was du meinst. Bist du dir sicher, dass er mit euch abgeschlossen hat? Es klingt für mich eher so, als würde er alles versuchen, um dich erneut für sich zu gewinnen. Hast du ihn denn nicht nach seinen Hintergründen gefragt?"

„Nein", entgegnete ich langgezogen. Ich hielt ein Kleid vor meinem Körper und sah mich im Spiegel an. Mir fehlte noch ein Outfit für das morgige Date. „Bisher habe ich ihm nicht eine Frage gestellt. Nein, nicht ganz. Ein paar Fragen habe ich gestellt aber er hat sie unbeantwortet gelassen. Jetzt sind sie beantwortet."

„Ich nehme an, du willst ihn nicht fragen. Magst du ihn, Caro?"

Das trieb die Röte in mein Gesicht. „Ich glaube schon. Er ist mir nicht egal."

„Dann solltest du den Tag morgen nutzen. Wenn du durch ihn wieder zu deiner Freude zurück findest, würde mich das wirklich glücklich machen", sagte er in einem liebevollen Tonfall. Dafür liebte ich diesen Mann so. Er war so einfühlsam, konnte sich in mich hineinversetzen und stets die richtigen Worte finden.

„Danke, Markus. Ich werde mein bestes versuchen. Vielleicht bewirkt der Tag ein Wunder."

Es klopfte an meiner Tür und mein Vater steckte den Kopf in das Zimmer. „Könntest du gleich zu uns runter kommen? Wir möchten mit dir über etwas sprechen." Ich nickte und er ging wieder. Er hatte gelächelt, also musste es sich dabei um etwas Gutes handeln.

„Entschuldige, mein Vater war gerade hier. Ich soll zu ihnen gehen."

„Kein Problem, dann geh zu ihnen."

„Markus, es tut mir leid, dass zwischen uns niemals mehr sein wird. Nathalie wird leider niemals im Recht sein."

Der Pfleger brach in Gelächter aus. „Meine Güte, Caro!", prustete er. „Ich hoffe nur, dass dein Freund nicht am Ende auch so eifersüchtig sein wird, weil wir uns ein wenig zu gut verstehen. Falls es doch so enden sollte wie bei mir, dann komm zu mir. Wir können uns danach immer noch zusammen tun. Du hast doch kein Problem mit einem alten Sack wie mir, oder?"

„Du bist ein Idiot!", rief ich amüsiert aus. „Aber mit ein wenig mehr Zeit und ohne Elias, wären wir uns vielleicht näher gekommen. Du bist ein toller Mann, Markus. Ich hab dich wirklich gern."

„Das gebe ich zurück", erwiderte er. Aus seiner sanften Stimme hörte ich das Lächeln heraus. „Ich wünsche dir für morgen ganz viel Glück, Caro. Gute Nacht."

„Gute Nacht. Danke."

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