Kapitel 32

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Elias zerzauste seine Haare und stieß einen tiefen Seufzer aus, bewegte sich jedoch nicht von der Stelle und nagelte mich auf dem Brunnen fest. Er gab mir nicht die Möglichkeit, um mich hiervor zu drücken, die Flucht ein weiteres Mal zu ergreifen, weil ich mit all dem überfordert war, wie es in der Pizzeria gewesen war. Dieses Mal sorgte er dafür, dass ich mich dem stellte und ihm zuhörte.

„Wir haben noch nie ein Wort miteinander gewechselt gehabt, da hatte ich schon ein Auge auf dich geworfen", fing er an. Seine roten Wangen verrieten, wie peinlich es ihm war. „Ich habe dich in den Pausen immer beobachten können und irgendwann herausgefunden, dass du in der Kunst-AG bist, also habe ich Marcel und Sarah überredet mit mir dorthin zu gehen. So konnte ich mit dir in Kontakt treten und dich kennenlernen. Ich war zu dem Zeitpunkt schon in dich verliebt."

„Elias..."

„Sag nichts", bat er, hielt meine Hand in seiner. „Die Erinnerung von dir... Ich habe dir vor Marcel und Sarah meine Liebe gestanden, weil ich es einfach nicht mehr für mich behalten konnte. Mir war es egal, dass sie mich auf ewig deswegen aufgezogen haben. Ich wollte einfach nur wissen, was du für mich fühlst. Und... Wir sind an diesem Tag zusammen gekommen. Du hast eine ziemlich wichtige Erinnerung zurück bekommen."

Er lächelte, während mir die Luft zum Atmen fehlte. Ich zitterte, war wie versteinert und starrte den Jungen bloß an. Seine Sätze beantworteten so viele Fragen. Unser Kennenlernen. Unseren wichtigsten Tag, wie wir zusammen gekommen waren.

Dann entwich ihm das Lächeln und er presste die Lippen zusammen, zeigte für einen kurzen Moment einen gequälten Ausdruck. „Ich habe dich so vermisst, Caro. Du hast mir so gefehlt", sprach er leise und strich mit seinen Fingern durch mein Haar, schob es hinter das Ohr, bevor er seine Hand auf meine Wange legte und mir intensiv in die Augen schaute.

Mein Mund öffnete sich, dann schloss ich ihn wieder. Ich durfte jetzt nichts sagen. Noch nicht.

„Ich habe dich nie aufgegeben. Nach dir habe ich kein anderes Mädchen angefasst, habe auf Partys kein Mädchen für eine Nacht mitgenommen und ich hatte keine Freundin, weil du meine Freundin bist. Also entweder, du machst jetzt offiziell mit mir Schluss oder du lässt zu, dass ich meine Freundin küsse", führte er rau fort. „Ich halte das nicht mehr aus, Caro. Erlöse mich bitte."

Eine einzelne Träne kullerte über meine Wange. Seine letzten Sätze hatten mir die Angst genommen, hatte die Enttäuschung genommen. Der vorherige Schmerz war verschwunden, all die Fragen existierten nicht mehr in meinem Kopf. Es war wie ein Zauber, den er ausgesprochen hatte. Mich interessierten meine Erinnerungen nicht länger. Ich wollte mich gar nicht erinnern. Mir gefiel es viel mehr, wenn er mir von uns erzählte und mich ihm so ein Stück näher brachte. Das hier war zwar nur eine Kurzversion und ich würde die lange Version noch erfahren wollen, doch für den Augenblick reichte mir das.

Elias hatte mir gesagt, dass es wie ein Blackout nach zu viel Alkohol war und man sich die Dinge einfach von jemandem erzählen lassen konnte. Er würde es sein, der mir all die vergessenen Erinnerungen mit seiner sinnlichen Stimme erzählen würde. Von niemandem sonst hätte ich dies gewollt.

Ich legte meine Hand auf seine Brust und griff nach seinem Stoff.

„Küss mich", formte ich stumm die Worte und sah ihm tief in die Augen. Das war mein Zauber, der ihn von seiner Qual erlöste und ihm sein Glück schenkte. Ein einzelner Kuss machte unser beider Leben deutlich besserer.

Ich brauchte meine Erinnerungen nicht, wenn ich mit Elias alles bekam, was man sich wünschen konnte. Meine Einsamkeit hatte in dem Moment nicht mehr existiert, als er mich am Brunnen angesprochen hatte.

Verlust #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt