Kapitel 20

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Elias hatte mich nochmal zurück in das Schulgebäude gebracht, hatte mich in die Bibliothek der Schule geführt und dort alte Schulbücher raus gesucht, die wir damals genutzt hatten. Wir blätterten eine Weile darin, doch helfen tat es mir nicht. Also probierte er noch etwas anderes aus und ließ mich einen Moment vor dem Regal der Schulbücher stehen, um bei der Lehrerin, die die momentane Aufsicht hatte, etwas zu fragen. 

Es dauerte ein paar Minuten, da kam er mit einem Buch zurück und deutete mir an, mich mit ihm an einen Tisch zu setzen, den man hier zum Lernen zur Verfügung stellte.

„Jedes Jahr gibt es einen Fotobeauftragten, der das ganze Schuljahr Bilder der letzten Klassen macht und daraus ein Album erstellt. Die Schule finanziert das. Dieses ist aus unserem letzten Jahr. Bis zum Winter wirst auch du irgendwo drauf sein", erklärte er mir und schlug das Buch zwischen uns auf. Ich rutschte mit dem Stuhl näher zu ihm, um einen besseren Blick auf die vielen, bunten Bilder zu haben, die sich über die Seiten zeigten. Man hatte unter die Bilder recht klein die Namen der Schüler geschrieben und bei ein paar Bildern standen Sätze. Sie waren sortiert nach Veranstaltungen und Monat sortiert worden, was es für uns einfach machte, um eine genaue Übersicht zu haben.

„Ah, schau mal", legte er seinen Zeigefinger auf eins der ersten Bilder. „Die Schule hatte ein Sportfest organisiert. Hast du noch deine Medaille?" Ich erkannte mich zwischen zwei weiteren Mädchen. Um unsere Hälse lagen Bänder, an dessen Enden Medaillen befestigt waren. In unseren Händen hielten wir ein Schriftstück in der Hand und grinsten stolz in die Kamera.

„Was habe ich gewonnen?"

„Du warst Zweite beim Wettlauf. Neben dir ist Sarah. Sie war schneller als du." Er zeigte auf ein braunhaariges Mädchen, die mir völlig fremd war. Ich kannte dieses Mädchen nicht. Es war nicht einmal ein Aufflackern in mir, was mir zeigte, dass ich je mit ihr befreundet war. Kein vertrautes Gefühl, wie ich es bei Elias kannte.

Vielleicht bestand ja der Unterschied, dass ich Elias seit Tagen um mich herum hatte.

„Das sind Marcel und ich. Die anderen Jungs waren in deiner Klasse. Wir haben unser bestes beim Weitspringen gegeben. Ich bin nur fünfter geworden und Marcel war sogar siebter." Elias lachte leise auf. „Wir waren wirklich miserable darin." Der blonde Junge, den er mir auf dem Bild zeigte, kam mir genauso fremd vor. Das Gefühl war dasselbe, wie es bei Sarahs Anblick war. Es half mir einfach nicht, so sehr er es auch versuchte.

Er blätterte weiter, zeigte mir weitere Bilder aus unserem Alltagsleben an der Schule. Jedes Bild zeigte die Freude der Tage. Nicht eines wirkte bedrückt. Ich hatte erwartet, dass man erkennen könnte, wie langweilig und genervt man von der Schule war aber hier war eher der Gegenteil der Fall. Man hatte eher das Gefühl, dass jeder einzelne Schüler der ehemaligen zwölften Klasse besonders gerne die Schule besucht hatte.

Ein Bild zeigte sogar genau das, wovon Elias mir im Kunstraum erzählt hatte. Der Raum sah aus, als hätte eine Farbbombe eingeschlagen und Elias stand mit mir und Sarah und Marcel mittig in dem Raum. Wir hatten die Kamera anscheinend nicht bemerkt, waren zu sehr im Aufräumen vertieft und dennoch lachten wir alle auf dem Foto.

Das nächste Bild zeigte uns vier und weitere Klassenkameraden. Wir waren auf dem Hof, schienen miteinander zu reden und hatten unsere Brotdosen dabei. Anscheinend war die Parallelklasse und meine ehemalige Klasse eng verknüpft gewesen.

Auf einem anderen Foto saß ich auf Elias' Rücken. Ich konnte an meinem Gesicht erkennen, dass ich ungemein viel Spaß gehabt hatte und es ihm nicht anders ergangen war. Dieses Bild ließ einen Kloß in meinem Hals entstehen. Tränen brannten in meinen Augen. Im Hintergrund war ein weiteres Paar zu sehen, wie ein Junge ein Mädchen trug. Es sah nach einem Wettrennen aus. Wenn man genau hinsah, erkannte man weitere Schüler, die sehr verschwommen an einer Wand standen.

Ich wollte mich erinnern. Es reichte mir nicht, die Bilder voller Glück und Spaß zu sehen, mein Gesicht zu sehen aber mich nicht daran erinnern zu können. So viel Freude dort auch zu sehen war, so traurig war ich in diesem Augenblick.

Dennoch sah ich mir das Buch bis zum Schluss an und ließ mir von Elias alles erzählen. Ich verletzte mich dadurch zwar aber ich wollte auf keinen Fall auf diese Tage verzichten.

Verlust #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt