Kapitel 26

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So ging es weiter. Warten, bis Kannibalen in der Nähe waren, entsichern, zielen, schießen, treffen, töten. Immer wieder. Doch anstatt, dass es weniger Kannibalen wurden, passierte das Gegenteil. Mit jedem neuem Schuss wirkte es so, als wären 2 neue Kannibalen auferstanden. Sie wurden mehr und mehr, als wäre es eine Apokalypse. Mein unsicherer Blick schweifte zu Izzi. „Das werden immer mehr!“ meinte ich und Alex nickte nur. Sie kamen näher und wir mit dem Schießen nicht hinterher. Es waren mittlerweile bestimmt so um die zehn Kannibalen. „Wir haben uns bemerkbar gemacht. Das hat keinen Zweck, wir müssen flüchten.“ Murmelte Alex und legte schnell die Waffe weg. Seufzend nickte ich und steckte meine ebenfalls weg. Fast Synchron sprangen wir die Bäume hinab und rannten los. Wieder schoss mir mein Adrenalin in die Adern und meine Beine rannten fast von selbst. Es ähnelte dem allerersten Tag hier draußen unfassbar sehr. Nur diesmal rannte ich nicht allein weg. Und dieses Mal wusste ich auch, wohin ich flüchten sollte. Alex rannte ein Stück vor mir und sprang problemlos über jeden einzelnen Ast, der uns im Weg war. Wir wurden gejagt. Gejagt von Kannibalen. Gejagt von Psychopathen. Gejagt von Schusswaffen. Gejagt von den lauten Knallen, die aus diesen Schusswaffen kamen. Gejagt von Kugeln, die sich in Windeseile durch unseren Körper bohren würden, wenn sie uns trafen.

„Wir müssen sie abschütteln, jetzt direkt zum Baumhaus zu rennen wäre purer Selbstmord!“ rief Alex zu mir. „Ja“ gab ich nur schnell atmend von mir zurück. Auch wenn sich meine Kehle gerade zuschnürte, musste ich weiterrennen. Auch wenn mein Seitenstechen stärker und unerträglicher wurde, musste ich weiterrennen. Auch wenn meine Ausdauer versagte und ich jeden Moment drohte, umzukippen, musste ich weiterrennen. Auch wenn meine Arme und Beine - vielleicht auch etwas mein Gesicht - zerkratzt und blutig waren, da uns viele Äste in den Weg kamen, musste ich weiterrennen. Auch wenn Alex gleich von einer Kugel getroffen werden konnte, musste ich weiterrennen. Selbst wenn ich es dann nichtmehr wollte. Meine Beine rannten von selbst, mein Körper kannte den Begriff ‚anhalten‘ nicht mehr. Auch ‚aufgeben‘ hatte mein Kopf längst aus seinem Wortschatz verbannt. Auch ‚Schmerz‘ existierte in dem Moment nicht mehr. Einfach nur rennen. Rennen, springen, ausweichen. Mehr kannte mein Körper in diesem Moment nicht. Auch meine Gefühle waren weg. Ich zeigte keine Emotionen, keine Reaktionen. Jeder einzelne Schuss wirkte in diesem Moment Taub. Generell war dieser komplette Wald taub. Nur das Rauschen an meinen Ohren, was durch mein schnelles Rennen entstand, nahm ich wahr. Ich fühlte mich so leer, obwohl.. nein, ich fühlte gar nichts. Nur meine rennenden Beine, die jedes Hindernis überwindeten, das Rauschen an meinen Ohren und meinen Weg, gerade vor meinen Augen, nahm ich wahr. Nichts mehr und nichts weniger. Selbst Alex seine Stimme war weg. Er schrie gerade etwas zu mir, doch ich sah nur seine Lippen in meinem Augenwinkel, die scheinbar gerade Wörter formten. Doch ich hörte sie nicht.

Ich fiel zu Boden. Dieser eine Moment, in der sich meine Aufmerksamkeit auf Izzi’s Lippen, und nicht auf den Weg vor mir, konzentrierte, war zu viel. Ich war über einen Baumstamm gestolpert und lag nun auf dem nassen, vermoosten Waldboden. Nun dröhnte mein Kopf. Ich nahm wieder alles wahr. Jedes einzelne Geräusch, alles um mich herum. Meine Schmerzen, die durch meine Wunden, meine trockene Kehle, meinem Seitenstechen und meiner pumpenden Lunge entstanden. Alles auf einmal. Es war grausam. Alex rannte zu mir, da ich neben ihm gerannt war. „Endlich bleibst du stehen..“ hustete Alex aus sich heraus, beugte sich nach vorne und versuchte, seine Atmung wieder zu kontrollieren. Seine Hände stützte er gegen seine Waden ab. „Sie haben uns verloren.“ Alex stoppte kurz, atmete durch, was ich ebenfalls tat. „Wir sollten zum Baumhaus.“ Ich nickte und richtete mich auf, bleib kurz stehen und atmete schnell. Als ich mich langsam aber sicher wieder gefangen hatte, sah ich mich um. Alex deutete in eine Richtung. „Folg‘ mir!“ Danach rannte er los und mein Körper schon fast von selbst hinterher. Diesmal war das Rennen viel unerträglicher. Mein Adrenalinkick war seit meinem Sturz vorbei, ich war zurück in der Gegenwart. Zurück im hier und jetzt. Mein Körper und jede einzelne Wunde schmerzte, das Atmen fiel mir nicht leicht. Ich hatte kein Asthma oder so, ich hatte nur eine schlechte Ausdauer, die nach diesem vielen gerenne mehr als ausgeschöpft war. Doch zum Glück waren wir nun sicher, konnten uns also ein wenig mehr Zeit lassen als eben.

Wir waren beim Baumhaus. Schnell kletterten wir die Äste hinauf und setzten uns in die kleine Hütte. „Als ob wir das grad überlebt haben.“ Hauchte ich, da ich zu mehr gerade nicht in der Lage war. „Scheinbar“ meinte Alex darauf nur. Auch er war erschöpft. Sein ganzer Körper bebte und wieder einmal haben Wunden auf Izzi’s Armen und Beinen ein neues Zuhause gefunden. „Was war das? Wieso waren da plötzlich so viele?“ Alex zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie so viele auf einmal erlebt.“ Zittrig nickte ich und schloss meine Augen. Ich musste einfach mal kurz zur Ruhe kommen. Ganz kurz..

Doch diese Ruhe wurde mir nicht gestattet, als ich draußen Schritte hörte. Sofort riss ich meine Augen wieder auf. Alex schielte zum Fenster, wagte kurz einen Blick nach draußen. Doch nachdem er gesehen hatte, was da draußen lauerte, schlich er direkt wieder vom Fenster weg. Er sah zu mir und drückte seinen Zeigefinger gegen seine Lippen, als Zeichen, dass wir still sein sollten. Leise setzte er sich neben mich. Seine Lippen bewegten sich zu meinem Ohr und hauchten leise nur ein einziges Wort in dieses hinein. Bei dem Wort schauderte ich. „Kannibalen.“ Sie waren direkt um uns herum. Ein zu lautes Geräusch von uns, und wir wären aufgeflogen. Zitternd und leise rutschte ich etwas näher an ihn. Ich hatte Angst. Gewaltige Angst. Izzi legte einen Arm um mich und sah angespannt an die gegenüberliegende Wand, bis er seinen Kopf wieder zu mir drehte und mir wieder etwas ins Ohr hauchte. „Take it Izzi.“ Meine Lippen formten sich reflexartig zu einem Lächeln. Er nahm es selbst nicht easy bzw. ‚Izzi‘, aber dennoch versuchte er, mich abzulenken. Ich mochte ihn dafür so sehr.

Eine halbe Stunde. Draußen waren immer noch Schritte und Stimmen wahrzunehmen. Sie standen vorm Baumhaus. Sie wussten, dass wir nicht weit weg von ihnen sind.

Eine Stunde. Wann gingen sie endlich? Diese Angespanntheit und Stille erdrückte mich und machte die Situation nur unangenehmer, als sie es so schon war.

Zwei Stunden. Ich hatte versucht, mich zu entspannen. Vielleicht ein wenig weg zu dösen. Fehlanzeige. Es war mir nicht möglich. Wie sollte man auch bitte nur etwas entspannen, wenn da unten der Tod persönlich auf einen lauerte?

Drei Stunden. Es musste mittlerweile 17 Uhr sein. Das Licht, was in das Baumhaus fiel, fing an, in einem angenehmen Rotton zu leuchten. Dennoch machte es die Situation, dass die Kannibalen immer noch da draußen lauerten, nicht angenehmer.

Drei einhalb Stunden. Alex hatte mittlerweile versucht, sich irgendwie etwas lautlos zu beschäftigen, doch Fehlanzeige. Zum Glück hatten die Kannibalen es nicht mitbekommen, als Alex versucht hatte, den Rucksack so still wie möglich zu öffnen.

Vier Stunden. Soviel Zeit zum Nachdenken hatte ich schon lange nicht mehr. Aber ich konnte diese Zeit leider auch nicht vernünftig dafür nutzen, da ich immer noch angespannt war, denn die Kannibalen lauerten weiterhin da unten.

Sechs Stunden. 20 Uhr. Die Sonne ging langsam unter und das Licht im Baumhaus wurde immer Idyllischer. Nur leider wurde es diese Situation nicht.
Acht Stunden. Die Sonne war fast untergegangen, als ich draußen hörte, wie Schritte wegliefen. Sie gingen. Endlich. Wir waren wieder sicher. Noch eine halbe Stunde würde ich schweigen, danach musste ich Alex einfach meine Gedanken mittteilen.
Acht einhalb Stunden. Wir sind sicher.

„Endlich..“ murmelte ich und entspannte mich. Alex lächelte. „Irgendwas stimmt hier nicht. Sowas haben die noch nie gemacht.“ „Werden die letzten Bauern vielleicht langsam auffällig?“ fragte ich in den Raum, streckte mich nicht. Acht einhalb Stunden saß ich in ein und derselben Position. Mein Körper schmerzte. Meine Wunden waren mittlerweile geheilt. „Ich hoffe nicht..“ „Was machen wir jetzt?“ „Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es.“

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Ich hab so Kopfschmerzen ach man.

Ja ähm... das is eigentlich der Punkt, wo ich erzähle, was bei mir die Tage so abgeht, aber da gibt's nichts neues..

Übernehmt ihr den Part doch mal! Schreibt hier an der Stelle mal, was die Tage bei euch so passiert ist ^°^

Have a nice day!

C I T Y || IzziWo Geschichten leben. Entdecke jetzt