Die Begegnung

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Das Essen war vorbei und die Party hatte begonnen. Ich saß an meinem Platz und sah meinen Geschwistern zu, wie sie mit einander tanzten. Manchmal vermisste ich das Gefühl, dass jemand nur für mich da war, so wie sie füreinander da waren. Alice und Jasper hatten Jahrzehnte mit einander verbracht ohne den anderen je an zu zweifeln oder ihre Liebe zu hinterfragen. Rose und Emmett waren immer das Paar gewesen, die ihre Lieber immer und über all auslebten. Wort wörtlich.

Ich hatte zwar immer meine Familie und klar jeder liebte mich wie eine Schwester oder eine Tochter, doch in Momenten wie diesen wünschte ich mir jemanden, der nur für mich da war.

"Möchtest du tanzen?" fragte die Stimme meines Vaters hinter mir. Ich sah zu ihm. "Möchtest du nicht mit Mom tanzen?" fragte ich. Er sah zu meiner Mom, die sich grade mit den Denalis unterhielt. "Nein, sie unterhält sich grade," sagte er. "Bitte, Lizzy."

"Na gut," sagte ich und lächelte in mich hinein.

Wir gingen auf die Tanzfläche und wir begann ein ruhiger Walzer zu tanzen. Es war schön mit meinem Dad zu tanzen, wie bei einem Vater-Tochter Ball. Ich hatte nie solch einen Ball beziehungsweiße so viel Zeit an einer Schule verbracht, dass ich so etwas haben könnte.

"Es ist schön, dass du wieder hier bist," sagte mein Dad. Ich sah ihm in die Augen. "Auch wenn ich manchmal froh war, dass du in manchen Situationen nicht da warst. Dich zu verlieren wäre, dass wäre für Mom und mich das Ende." Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. Diese Geste bedeutete mir mehr, als er je erahnen konnte. "Dad, begann ich. Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich bin erwachsen geworden. Die letzten Jahre haben mir geholfen, dass ich meine Fähigkeiten weiter entwickeln  und meine Wolfseite entfalten konnte." Er schmunzelte. "Doch trotzdem wirst du immer unser kleines Mädchen sein," sagte er liebevoll.

Der Wolfsgeruch, denn ich seit der Zeremonie verdrängt hatte schlich sich wieder in meine Nase. Doch dieses Mal war es anders. Es waren nicht nur diese zwei Gerüche, nein es waren viele. Ich versuchte mich auf die Gerüche zu konzentrieren. Zwei der Gerüche kannte ich, sie gehörten zu Sam und Paul. "Ich glaube es ist Zeit dich jemanden vorzustellen," gab mein Vater schließlich von sich. "Die Wölfe sind hier, da sie mit Bella befreundet sind." Dies erzählte er mir, um meine Neugier zu befriedigen.

Wir gingen von der Tanzfläche und gingen auf eine Person zu, die ich sofort erkannte. Billy. Er sah fast noch so aus wie vor Jahren. Das einzige, was sich verändert hatte waren sein Gesicht und die Tatsache, dass er im Rollstuhl saß. Sein Gesicht, was mit kleinen Falten versehen war spannte sich an, als er mich mit meinem Vater sah. Des so näher wir kamen, des so weiter verengten sich seine Augen. Billy Black war einer der Personen gewesen, die in dem Reservat lebten. Aber er war auch einer der Personen, die mich damals unterstützt haben, dass ich lerne ein Wolf zu sein.

"Hallo, Billy," sagte mein Vater. Er versteifte sich und sagte: "Elisabeth Cullen, bist du wieder zurück?" Seine Begeisterung, dass ich wieder zu Hause war hielt sich in Grenzen. Man konnte auch sagen, dass er sich wünschte, dass ich wieder verschwinde.

Ich schmunzelte. Das er nicht wollte, dass ich hier war störte mich nicht. Damals hätte mich das zu tiefst gekränkt, doch jetzt war es mir absolut scheiß egal.

"Ja, auch wenn du davon nicht begeistert bist," sagte ich etwas kühler als beabsichtigt. Diese Kälte mit der ich ihm geantwortet hatte war absolut nicht beabsichtigt von mir, doch trotzdem reagierte ich nur so, wie auch er mir gegenüberstand. Für ihn schien es zu bedeuten, dass seine Leute neuen Ärger mit mir bekommen.

"Natürlich freue ich mich. Ein Wolf ohne Rudel ist doch etwas Tolles," sagte er sarkastisch. "Ich behalte gerne meinen eigenen Willen," sagte ich mit einem unechten Grinsen auf den Lippen.

Für jeden Wolf, der sich einem Rudel anschloss bedeutete es, dass man seinen eigenen Willen aufgab. Man tat das, was der Alpha wollte, auch wenn man dies selber nicht wollte. Für mich war es das schlimmste meinen eigenen Willen zu verlieren. Der eigene Wille ist das was uns Menschen einzigartig macht. Und das wollte ich unter gar keinen Umständen aufgeben. Und aus diesem Grund habe ich mich nie dem Rudel von Sam angeschlossen. Natürlich sah das jeder im Reservat, der über die Wölfe bescheid wusste, nicht sehr gerne.

"Ich habe hier etwas von einem Wolf gehört," sagte ein Junge, der nur ein paar Jahre jünger sein musste als ich. Nicht nur, dass er die Hand auf Billys Schulter legte zeigte mir, dass er ein Wolf war. Nein, auch sein Geruch verriet es mir ebenfalls. Sein Geruch war es gewesen, den ich seit der Zeremonie in der Nase hatte.

"Seth, darf ich dir Elisabeth vorstellen," sagte Billy. "Hallo," sagte ich und nickte. Er streckte mir seine Hand hin und lächelte mich an. Ich nahm seine Hand und ich spürte, wie sein Blut durch seine Wehen strömte. Es war ein berauschendes Gefühl, doch es machte mir jedes Mal wieder Angst.

Ich lies so schnelle es ging seine Hand wieder los. Sowohl Billy als auch Seth und mein Vater sahen mich an. "Eine Gabe kann auch ein Fluch sein," sagte ich lächelnd. Doch mein Vater sah mich mitleidig an und wusste ganz genau, dass mich meine Gabe mehr belastete als ich eigentlich zu gab.

Plötzlich hörte ich ein Wolf knurren. Automatisch spitzte ich das Gehör und lauschte. "Jack lass mich los," hörte ich Bella sagen. Ich wusste, dass wenn ein Wolf involviert war konnte ich die Situation vielleicht besänftigen.

"Entschuldigt mich bitte," sagte ich zu den dreien und verließ sie. Ich bewegte mich so langsam ich konnte. Versuchte bei meiner Eile nicht über meine hohen Schuhe oder den Saum des Kleides zu stolpern. Als ich hinter einer Ecke war und außerhalb der Sicht der Gäste war bewegte ich mich in meiner natürlichen Geschwindigkeit. Es dauerte keine Sekunde, da war ich auch schon bei Bella. Doch sie war nicht mehr allein. Edward war ebenfalls an ihre Seite geeilt.

"Ist alles gut bei euch?" fragte ich. Ich sah sie an. "Es ist alles gut, Lizzy," sagte Edward etwas gereizt. Er stand kurz davor auszurasten. Er biss die Zähne zusammen um seine Kontrolle wieder zu erlangen.

Ich sah zu dem Jungen rüber, der nur ein paar Jahre älter sein musste, als ich. Er war groß und hat Haut die aussah Karamell. Seine Haare waren Raben schwarz. Als ich in seine Augen sah, veränderte sich etwas in mir. Seine Augen waren braun. Diese Augen, die mich fassungslos, zugleich jedoch liebevoll ansah brannten sich in meinen Kopf. Es war so, als ob ich mein ganzes Leben lang nur auf diese Begegnung gewartet habe. Als wäre mein früheres Leben unwichtig gewesen und habe nun durch unsere Begegnung einen Sinn bekommen. Es war ein unglaubliches Gefühl. Ich fühlte mich so lebendig, so vollkommen ausgefüllt. Es war als wolle sich nicht nur mein Körper mit ihm verbinden, nein meine Seele war auch auf dem Weg ihm zu gehören.

Mir war schlagartig bewusst was gerade passiert war. "Unglaublich," sagte eine Stimme, die mir vertraut war. Als ich den Blick von ihm abwand sah ich Sam. Er sah mich an, als sei etwas passiert, was er noch niemals gesehen hat. Man könnte auch sagen er sah mich an, als sei ich ein Wesen, seiner Fantasie, dass gerade zum Leben erwacht war.

Ich schämte mich für das was gerade passiert war. Es war, als stände ich vor ihnen nackt. Als hätten sie mein Inneres gesehen. Doch vor allem war es mir peinlich, dass mir dies vor allen anderen Anwesenden passiert war. Damals habe ich mir immer ausgemalt, wie es sein würde. Doch so hatte ich es mir nie vorgestellt.

Um meiner Scham zu entkommen rannte ich in den Wald, der hinter dem Jungen begann. Innerhalb von einer Millisekunde war ich verschwunden. Ich nutzte meine Schnelligkeit um weg zu kommen. Für mich war nun nur noch wichtig alleine zu sein. Um darüber nachzudenken, wie ich nun weiter machen sollte. "Lizzy!" hörte ich Edward noch rufen. Doch ich hörte nicht. Mir war es egal. Ich wollte allein sein. Ich rannte in den hohen Schuhen durch den Wald, in die Nacht hinein. Die Sterne würden mir beim nachdenken helfen. Oder vielleicht würde ich ein Tier jagen, um meine Sorgen beziehungsweiße meine Scham und Sorgen zu vergessen.

On both Sides - ein Leben zwischen den Fronten [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt