1. Kapitel ☾

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Glücksschrei eines Wolfes

┌── 𑁍*̥˚──     ──── 𑁍*̥˚─┐
E l i a n a
─── 𑁍*̥˚ ── ─── 𑁍*̥˚┘ 

Rote Bäume. Rote Bäume, deren Baumkronen einer fluffigen Wolke glichen. Überall wo ich hinsah, standen sie. So majestätisch, als ob sie einem damit weis machen wollten, dass das ihr Revier war und niemand in ihn einzudringen hatte. Sie erstreckten sich mehrere Kilometer weit über die breite Straße. Jeder einzelne Baum hatte seine eigene Geschichte geschrieben. Über Jahre, nein, wenn nicht sogar über Jahrhunderte, haben sie das Geschehen rund um Phoenixia beobachtet. Jeder von ihnen sah anders und dennoch so gleich aus. Sie waren identisch, aber irgendwie auch wieder nicht. Doch das Besondere an ihnen waren ihre dunkelroten Blätter, welche idyllisch an den Ästen hinunterhingen. Im Gesamtbild, bildeten sie eine große, strahlende rote Krone, die stolz den Stand Phoenixias präsentierte.

Es war unsinnig, dass ich mir gerade ernsthaft Gedanken über Bäume machte. Normale Menschen würden über ihren Schwarm nachdenken oder über Dinge, die sie in ihrem Alltag noch zu erledigen hatten. Stattdessen dachte ich an rote Bäume.

„Liegt wahrscheinlich daran, dass du selbst ein Baum bist", raunte mir eine müde Stimme zu.

Oh bitte, nicht schon wieder. Hatte ich denn nie Ruhe vor ihr? Wie belastend...

„Du liebst mich, gib's zu", grinste dieses teuflische Wesen in meinem Inneren vor sich her.

Augenverdrehend schaute ich aus dem Auto und ignorierte bewusst Sias Aussage. Ich hatte gerade einfach keine Lust mit ihr zu diskutieren.

[...]

Langsam flogen die wunderschönen Bäume mit ihren roten Kronen an uns vorbei und im selben Moment auch meine umherschwirrenden Gedanken.

Es war erschreckend, wie schnell das Schicksal doch zuschlagen konnte. Noch vor einigen Wochen saßen meine Mutter und Ich gemeinsam an unserem Esstisch in der Küche und lachten, alberten herum oder machten uns Gedanken über die Zukunft. Und heute? Heute hatten wir keinen Kontakt mehr zueinander. Anstatt mit meiner Mutter in der Küche zu sitzen, saß ich nun in dem Auto meiner Tante, in einem fremden Kontinent namens Gethoem, auf dem Weg zu ihr nach Hause. Auf dem Weg zu meinem neuen Zuhause.

Ehe ich noch weitere Gedanken an mein trostloses Leben verschwenden konnte, fielen meine Augen vor Müdigkeit wie von selbst zu, sodass die leere Dunkelheit mich bereits mit offenen Armen empfing.

»«

Verwirrt stand ich im Zentrum einer farbenfrohen Blumenwiese. Vereinzelt hörte ich versteckte Grashüpfer zirpen und kleine, pummelige Bienen summen, welche gerade dabei waren sich auf Blumen niederzulassen. Durch ihr vibrierendes Summen verjagten sie die wunderschönen Zitronenfalter und machten es sich auf den weichen Blüten gemütlich.
Es war wunderschön hier. Dieser Platz beruhigte mich auf eine unerklärliche Art und Weise. Das Summen der Bienen, das Zirpen der Grashüpfer und der leichte Windhauch, welcher mir sanft ins Gesicht wehte, bildeten gemeinsam eine schöne Melodie. Es fühlte sich so an, als ob mir dieser unglaubliche Ort etwas versuchte mitzuteilen.
Ich schloss die Augen und lauschte dem Klang der Melodie, welche die Natur mir gerade darbot. In diesem Moment waren die Natur und ich miteinander verbunden. Niemand konnte jetzt noch diesen lieblichen Bund zwischen uns trennen — niemand.
Nach einiger Zeit hatte ich mir den melodischen Takt eingeprägt, weshalb ich zu summen begann. Der Wind wehte weiterhin angenehm durch mein mittlerweile wirres Haar und brachte es somit zum schweben. Einen schöneren Moment als diesen hätte es nicht geben können. Alles war so idyllisch und feinsinnig.

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