Wachstum

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I O L A N A

Über sich hinauswachsen ist so eine Sache. Meistens tut man es unbewusst. Ich habe noch niemanden sagen hören: Am 13. April werde ich über mich hinauswachsen. Meistens weiß man ja auch gar nicht, dass etwas passieren wird, was Wachstum erforderlich macht. Tja, so ist es wohl oft im Leben. Man passt nur kurz nicht auf und schon gibt einem das Schicksal richtig eins auf die Nase. Und dann wird von einem verlangt, dass man über sich hinauswächst. Dass man solche Schicksalsschläge mit Fassung trägt und etwas daraus mitnimmt, um besser weiterzuleben. Solche Schläge war ich mittlerweile gewohnt, aber offensichtlich wartete ein weiterer auf mich und den hatte ich absolut nicht erwartet.

"Iolana, Schatz, kommst du mal bitte kurz ins Wohnzimmer?", erklang Adams Stimme von unten. "Bin unterwegs!", rief ich zurück, sperrte mein Handy, erhob mich vom Bett und lief nach unten. Im großen Wohnzimmer mit der gigantischen Glasfassade saßen Kono und Adam auf dem Sofa und schauten mich mit einer Mischung aus Freude und Unsicherheit an. Ich setzte mich im Schneidersitz ihnen gegenüber und wartete darauf, dass einer von beiden zu sprechen begann. Aber nichts geschah, es herrschte Stille. Schließlich gab ich mir einen Ruck und begann zu reden, im selben Moment platze es aus Kono heraus: "Ich bin schwanger." Mit großen Augen starrte ich sie und Adam an, die jetzt noch unsicherer und nervöser als vorher wirkten. Es dauerte einen Moment, bis ich diese drei Worte wirklich begriffen hatte, dann begann ich unwillkürlich zu lächeln. "Ich werde große Schwester." "Ja, das wirst du", bestätigte Adam lächelnd, dann stand ich auf, um die beiden zu umarmen. Ich bekam ein kleines Geschwisterchen, eine neue Aufgabe, eine neue Herausforderung. Ein positiver Schicksalsschlag, der wiedereinmal dasselbe von mir verlangen würde: Dass ich über mich hinauswuchs.

Angespannt knetete ich meine Hände, während ich Kensis Monolog auf mich einprasseln ließ. "Du musst es ihm endlich sagen! Ich hab dir doch schon erklärt, dass Nahele dieselben Gefühle für dich hat. Aber er ist eben sehr schüchtern, wenn es um sowas geht. Ich weiß wirklich nicht, warum du noch zögerst. Die Verbindung zwischen euch kann niemand leugnen, ihr vertraut euch, habt euch beide schon gegenseitig das Leben gerettet. Das ist noch so eine Sache; wie kannst du zögern, wenn du doch sehr gut weißt, wie schnell das Leben vorbei sein kann? Du hast Nahele schon einmal fast verloren und warst damals total fertig. Und ihm ging es nicht anders, während er versucht hat, dir zu helfen nach dem ganzen Mist, den du durchmachen musstest. Verdammt, Iolana, es ist sinnlos zu warten! Worauf denn auch? Dass Nahele den ersten Schritt macht? Das traut er sich nicht, weil er Angst hat, dich damit zu überfallen. Und bevor du irgendwas sagst, das weiß ich ganz sicher, weil er es Keo erzählt hat." Erstaunt starrte ich Kensi an. Dann seufzte ich und nickte schwach. "Ich sag es ihm ja. Aber ich hab keine Ahnung wie und wann ich das anstellen soll." "Sobald du ihn triffst, am besten. Dann hast du es hinter dir und verschwendest keine Zeit mehr." "Wirklich? Sollte ich mich darauf nicht vielleicht besser vorbereiten?" Zweifelnd musterte ich meine beste Freundin und biss auf meiner Unterlippe herum. Doch Kensi war von ihrer Idee restlos überzeugt und steigerte sich sogar noch. "Sag einfach gar nichts, sondern küss' ihn." "Jetzt hast du endgültig den Verstand verloren! Ich kann Nahele doch nicht einfach ohne Vorwarnung küssen!" "Und wie du das kannst. Das ist perfekt. Dann musst du nicht irgendwie herumstammeln, sondern legst die Karten direkt auf den Tisch." Sie nickte überzeugt, während ich noch immer nicht von diesem Plan überzeugt war. Das konnte doch eigentlich nur schief gehen. Andererseits war das mal wieder etwas, wo ich über mich hinauswachsen musste. Und eigentlich wollte ich das ja auch. Ich wollte über mich hinauswachsen, weil ich zuversichtlich war, dass mich etwas wunderbares erwartete. Also atmete ich tief durch und schrieb Nahele, dass ich ihn heute Nacht am Strand treffen wollte.

Als ich den Shrimp-Truck erreichte, war es stockdunkel. Am Himmel glänzten ein paar vereinzelte Sterne, die nächsten Laternen waren aber etwas weiter weg. Der Shrimp-Truck war bereits geschlossen, Kamekona lag vermutlich schon im Bett und träumte von neuen Rezepten. Ich lief vorsichtig weiter, bis ich meinen besten Freund entdeckte. Nahele saß mit angewinkelten Knien im Sand, ziemlich nah am Rand des Wassers, und starrte auf den Ozean. Ich atmete ein letztes Mal tief durch. Alles, was ich mir auf dem Weg hierher überlegt hatte, hatte ich vergessen, mein Kopf schien wie leergefegt bei seinem Anblick. Jetzt war meine letzte Chance wegzulaufen. Aber ich wollte nicht weglaufen. Ich wollte nur in Naheles Arme laufen. Also nickte ich entschlossen und näherte mich dem Dunkelhaarigen. Er bemerkte mich, als ich noch etwa zwei Meter hinter ihm war. Sofort stand er auf und lächelte mich an, wirkte aber auch leicht besorgt, was mich wiederum zum Lächeln brachte. Das war einfach typisch Nahele. Er freute sich, mich zu sehen, machte sich aber auch Sorgen, dass unser Treffen einen schlechten Grund hatte, es mir irgendwie nicht gut ging oder ähnliches. Ich holte tief Luft. "Hi." "Hey. Wieso wolltest du mich treffen? Ist was passiert?" Ich nickte leicht, lief weiter auf ihn zu und dachte an Kensis Idee. Jetzt erschien sie mir plötzlich genial und Naheles Lippen sahen unglaublich einladend aus. Also streckte ich mich ein wenig, beugte mich vor und küsste ihn. Die Gefühle, die mich dabei überfluteten, waren mit keinen Worten zu beschreiben. Als ich unsicher weider zurückweichen wollte, spürte ich plötzlich Naheles Hände an meinen Hüften, die mich näher an ihn heran zogen und er erwiderte den Kuss. Ich musste automatisch lächeln, was auch nicht aufhörte, als wir uns schließlich zum Luftholen voneinander lösten. Stirn an Stirn blieben wir so stehen, kein Sandkorn hätte mehr zwischen uns gepasst. "Ich hab mich in dich verliebt, das ist passiert." Liebevoll musterte Nahele mich aus seinen sanften Augen und schmunzelte. "Ich hab mich auch in dich verliebt. Und wie." Er nahm meine Hand und legte sie auf seine Brust. "Spürst du das?" Ich nickte, als ich das heftige Klopfen bemerkte. "Daran bist nur du Schuld." Wir verfielen wieder in Schweigen, aber es war eine angenehme Stille. Irgendwann griff Nahele nach meinen Händen und verschränkte unsere Finger, dann schaute er mich fragend an. "Sind wir jetzt zusammen?" "Ich weiß nicht. Sag du's mir." Anstelle einer Antwort, küsste er mich.

Über sich hinauswachsen ist selten einfach, aber immer gut. Es ist ein wichtiger Teil des Lebens und wer aus jedem Schicksalsschlag heraus wächst, der ist eines Tages riesig und kann anderen dabei helfen, über sich hinauszuwachsen.











Irgendwie ist das Kapitel ziemlich philosophisch geworden (oder kommt mir das nur so vor?). Aber hey, die Zukunft ist am Start. Kono und Adam bekommen eine Baby und Iolana und Nahele beginnen eine sehr spannende gemeinsame Zeit. Ich hoffe euch hat dieses poetische Wirrwarr gefallen ;)

You're my home (Hawaii Five-0 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt