Auf Messers Schneide

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I O L A N A

"Nein, Nahele. Du darfst nicht ins Gefängnis gehen. Schon gar nicht wegen mir." Erschöpft vom Versuch, meine Augen offen zu halten, keuchte ich und drehte meinen Kopf in die Richtung meines Freundes. Dieser musterte mich besorgt und schüttelte leicht den Kopf. "Das Gefängnis ist mir egal, aber dann gibt es niemanden mehr, der auf dich aufpasst. Deshalb muss ich mir irgendwas einfallen lassen." "Ich werde gehen." "Was? Nein! Nein, du bist viel zu schwach, du darfst jetzt nicht wieder auf die Straße." "Du hast selbst mal gesagt, dass ich ein freier Mensch bin und du mir nichts verbieten kannst, also ist jeder Widerspruch zwecklos. Ich werde verschwinden und die Waffe mitnehmen, dann kannst du dem Commander alles erzählen und sagen, ich wäre wieder abgehauen." "Und dann? Dann lebst du wieder auf der Straße bis deine Verletzungen zu schlimm werden." Er ließ unausgesprochen, dass darauf mein Tod folgen würde, aber wir wussten es beide. Ich biss mir auf die Lippe und musterte mein Gegenüber. Die letzte Zeit hatte auch an ihm gezerrt und er hatte seit einer Woche nicht mehr in seinem Bett geschlafen, sondern auf dem Boden oder gar nicht. Ich durfte ihn nicht noch länger so ausnutzen, damit gefährdete ich ihn. "Bitte bleib", unterbrach er meine Gedanken und schaute mich flehend an. Ich wusste, dass er nicht locker lassen würde, weshalb ich nickte. Aber innerlich bereitete ich mich schon auf meine Flucht vor.

Bereits am nächsten Morgen bekam ich die Chance dazu, denn Nahele musste arbeiten. Ich richtete mich also auf, wobei ich mir alle Mühe gab, mich nicht zu übergeben, dann packte ich die ganzen Sachen in meinen Beutel und packte auch noch ein paar Schmerztabletten ein, bevor ich zwei schluckte und aus dem Fenster schaute. Es war einiges los, aber vielleicht konnte ich das zu meinem Vorteil nutzen. So schnell und doch vorsichtig wie möglich, verließ ich den Wohnwagen und stahl mich von Baum zu Baum, bis der Strand in einiger Entfernung lag. Gerade fuhr ein silberner Camaro vor dem Truck vor und es stiegen zwei Männer aus. Ich erkannte sie sofort von Naheles Fotos und seinen Erzählungen. Es waren der Commander, der uns auf der Spur war, und sein Kollege Danny Williams. Ich beobachtete, wie sie Kamekona begrüßten und Nahele zumindest Danny die Hand schüttelte, dann drehte ich mich um und ging.





N A H E L E

"Keiki, einmal wie immer für Williams und McGarrett und du hältst hier bitte die Stellung, damit ich kurz mit ihnen reden kann", sagte Kamekona, woraufhin ich nickte und meiner Kollegin die Bestellung zurief, bevor ich mich dem nächsten Kunden widmete. Immer wieder wanderte mein Blick in den nächsten Minuten zu Danny, Steve und Kamekona, die sich angeregt unterhielten und dabei zwischendurch immer mal wieder zu mir schauten. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und brachte ihnen schließlich so normal wie möglich das Essen. Das war der Moment, in dem Kamekona sich erhob und zurück zum Truck ging, während ich beschloss, kurz bei Iolana vorbeizuschauen. Also sagte ich meinem Boss, dass ich aufs Klo musste und lief zum Wohnwagen. Überrascht stellte ich fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war und sprang hinein. Er war leer. Iolana war nicht mehr da, auch ihre Sachen fehlten. Mit wenigen Schritten war ich bei der Nachttischschublade und öffnete sie, um eine gähnende Leere vorzufinden. Sie hatte die Waffe mitgenommen. Es war ihr Ernst gewesen, dass sie verschwinden würde, um mich vor dem Gefängnis zu bewahren. Und trotzdem war es wie ein Faustschlag in den Magen, dass sie einfach so abgehauen war. Niedergeschlagen lief ich ins Bad, wo mich eine Überraschung erwartete. Der kleine Spiegel war beschlagen und mit den Fingern hatte Iolana ein großes DANKE darauf geschrieben. Mit Tränen in den Augen begann ich aufzuräumen. Zuerst öffnete ich das Fenster und ließ einen Schwall frische Luft rein, dann schüttelte ich das Bett auf, räumte den Erste-Hilfe-Kasten unter mein Bett und versteckte die Tüte mit Iolanas alten, durchgebluteten Klamotten ebenfalls. Als alles wieder normal aussah, verließ ich den Wohnwagen, schloss hinter mir ab und lief zurück zum Truck. Mit aller Kraft versuchte ich, nicht an Iolana zu denken, aber es fiel mir verdammt schwer. Ich machte mir Sorgen. Sie hatte doch kaum noch Kraft, um zu gehen, wie sollte sie sich da im Ernstfall verteidigen?





I O L A N A

Keuchend lehnte ich mich gegen eine Palme. Ich war auf dem Rückweg zum Strand, weil ich meine alten Klamotten vergessen hatte und bei Nahele natürlich keine Spuren mehr zu finden sein sollten. Mittlerweile tanzten die schwarzen Punkte vor meinen Augen Salsa und ich war kurz davor, mich wieder zu übergeben, aber ich blieb stark und lief weiter. Als ich schließlich den Wohnwagen erreicht hatte, stockte ich. Ein paar Meter entfernt standen Nahele und der Commander und schrien sich an. Ich bekam nur gedämpft mit, was sie riefen, mein Kopf dröhnte ja schon seit ein paar Stunden. Aber eines verstand ich: Dass der Commander Nahele anzeigen würde. Ohne weiter nachzudenken, zog ich die Pistole aus meinem Hosenbund, entsicherte sie und schlich mich von hinten an den Navy SEAL heran. Er stand glücklicherweise so, dass nicht mal Nahele mich entdecken würde. Unter großer Anstrengung lief ich los, bis ich hinter dem Commander stand und ihm die Waffe an die Schläfe halten konnte. "Verhaften Sie mich", brachte ich keuchend hervor, "Ich halte Ihnen eine Pistole an den Kopf."

You're my home (Hawaii Five-0 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt