Knapp daneben ist auch vorbei

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I O L A N A

"Iolana, was machst du hier?", fragte Nahele panisch und ich wagte einen kurzen Blick zu ihm, während ich mit zitternden Hände weiter die Waffe auf Steve richtete. "Es tut mir Leid Nahele. Ich will doch nur nicht, dass du ins Gefängnis musst, weil du mir geholfen hast." Ich spürte, wie meine Beine ebenfalls zu zittern begannen und dann ging alles ganz schnell. Ich brach zusammen und im selben Moment schlug mir der Commander die Waffe aus der Hand und drehte sich zu mir. Sein Blick zeugte von purer Überraschung, als er mich Blut spuckend am Boden entdeckte. "Iolana!" Naheles Stimme drang nur gedämpft zu mir durch, während ich meine Hände auf meinen Bauch presste, weil die Schmerzen alles bisherige übertrafen. In dem Moment, in dem sich auch Steve zu mir beugte, verlor ich das Bewusstsein.


N A H E L E

"Nein! Hey, Iolana, wach auf! Komm schon, mach die Augen wieder auf!" Verzweifelt schüttelte ich sie an den Schultern und klatschte ihr gegen die Wangen, aber ihre wunderschönen Augen blieben geschlossen. "Nahele, wer ist das?" Wie in Trance schaute ich Steve an. "Iolana. Ich wollte ihr doch nur helfen." "Also hast du für sie geklaut und dir eine Waffe besorgt?" "Ja, aber die Waffe war ihre. Ich hab sie ihr bloß abgenommen. Aber dafür ist jetzt keine Zeit, bitte Steve. Ruf einen Krankenwagen!" Jetzt schien ich wieder aufzuwachen, legte Iolana richtig hin und zog ihr Oberteil hoch, das bereits von einem roten Fleck geziert wurde. Nur halb bekam ich mit, wie Steve telefonierte und dann wieder zu uns kam. Seine Augen weiteten sich, als er Iolanas Bauch sah. "Was ist passiert?" "Schusswunde. Ich hab sie jedes Mal vorm Verbinden desinfiziert, wirklich, aber sie hat sich trotzdem entzündet." "War es ein Durchschuss?" Ich schüttelte den Kopf und Steve starrte mich an. "Verdammt Nahele, dann steckt die Kugel noch drin. Bei der Waffe kein Wunder, wenn es sich dann entzündet!" Er legte seine Hand an ihren Hals und ihre Brust und nickte dann. "Puls und Atmung sind noch da, wir werden jetzt einfach nur auf den Krankenwagen warten." Ich nickte schwach, konnte den Blick nicht von Iolana lösen, die wie tot da lag. Immer wieder prüfte Steve den Puls und die Atmung, bis er einen lauten Fluch ausstieß. "Was ist los?", fragte ich panisch, während der Commander sich über meine Freundin beugte und begann, sie zu reanimieren. "Herzstillstand! Lauf vor und wenn der Krankenwagen kommt, lotst du sie hierher!" Ich nickte und stand auf, wollte Iolana aber nicht verlassen. "Nun mach schon!", fuhr Steve mich an, dann wurden sein Blick und seine Stimme etwas weicher. "Ich gebe sie nicht auf, okay? Ich verspreche es dir." Das reichte, damit ich mich umdrehte und losrannte. Für Iolana zählte jetzt jede Sekunde.

"Patient weiblich, 17 Jahre alt, zwei Schusswunden und Verletzungen in Folge von stumpfer Gewalt. Wir brauchen sofort einen Chirurgen aus der Inneren!" Ich befand mich wieder in meinem tranceähnlichen Zustand, während mein Blick an Iolana heften blieb. Sie sah aus, als wäre sie tot, aber das regelmäßige Piepsen der Monitore um sie herum auf der Trage gab mir die Gewissheit, dass dem nicht so war. Neben mir hörte ich Steve keuchen und wandte mich zum ersten Mal von Iolana ab. "Sie schafft es doch, oder?" Meine Stimme klang nicht wie meine Stimme, mehr wie die eines hilflosen kleinen Kindes. Und dann tat Steve das beste, was er in diesem Moment tun konnte. Er zog mich in seine Arme und hielt mich einfach nur fest.





S T E V E

Nahele beobachtend holte ich mein Handy aus der Hosentasche und tippte Dannys Nummer ein. Schon nach dem ersten Tuten hob er ab. "Williams?" "Hey Danny, hier ist Steve. Kannst du bitte ins Krankenhaus kommen und Kono, Chin, Lou, Kamekona und Flipper Bescheid sagen?" "Mach ich, aber was ist passiert? Stimmt was nicht mit Nahele?" Überrascht hielt ich inne. "Woher weißt du das?" "Du hast diesen Ton väterlicher Besorgnis. Was ist mit ihm?" "Ich glaube nur ein Schock, aber seiner Freundin geht's verdammt schlecht." "Seiner Freundin? Welche Freundin?" "Wirklich viel mehr weiß ich auch nicht, deshalb muss ich jetzt auch auflegen." "Alles klar, ich mach mich sofort an die Arbeit." "Danke Danno. Bis dann." "Bis dann." Mit diesen Worten endete unser Gespräch und ich widmete mich wieder Nahele, der noch immer einen Punkt im Nichts fixierte, während er seine Finger knetete und knacken ließ. Ich stand also auf und lief zu ihm, um auf dem Stuhl neben ihm Platz zu nehmen. "Ich weiß gar nichts über deine Freundin. Wie heißt sie denn?" "Iolana." "Iolana, die Fliegende also. Und woher kennt ihr euch?" "Sie hat den Shimp-Truck überfallen. Oder es zumindest versucht." Mir entglitten alle Gesichtszüge. "Sie hat den Imbiss überfallen und du hast es nicht gemeldet?" "Sie hat nichts geklaut, weil wir gekämpft haben und sie dabei verletzt wurde. Ich hab ihr ein Stück Brot mitgegeben, mehr hatten wir nicht mehr da an dem Tag." "Wieso hast du ihr Essen gegeben?" "Sie lebt auf der Straße. Das hat mich ein bisschen an mich damals erinnert. Ich hab dein Auto auch geklaut, weil ich Hunger hatte." Ich nickte und hatte das Gefühl, langsam zu verstehen. Trotzdem forderte ich Nahele auf, mir zu erzählen, was danach passiert war. Als er damit endete, dass sie schließlich einfach verschwunden war, um Nahele vor mir und dem Gefängnis zu bewahren, konnte ich nichts anderes als Bewunderung empfinden. Wenn Nahele von ihr sprach, hatte man nicht das Gefühl, dass es um eine 17-Jährige ging. Zuversichtlich legte ich meine Hand auf die Schulter des Jungen neben ihr. "Sie wird es schaffen, da bin ich mir sicher." Nahele nickte schwach, dann verfielen wir wieder in Warten. Nach etwa einer halben Stunde trafen Danny und die anderen ein, woraufhin ich ganz grob erzählte, was passiert war, bevor wir alle zusammen warteten. Als Grace, die Danny hatte mitbringen müssen, weil Rachel und Stan mit Charlie beim Arzt zum Check-Up waren, schon fast eingeschlafen war, kam ein Arzt auf uns zu. Sofort stand Nahele auf und schaute ihn hoffnungsvoll an. "Wie geht's Iolana?" "Es war wirklich knapp, aber sie lebt. Zwei Herzstillstände haben uns ganz schön erschrocken und einige Zeit gekostet. Die Schusswunden konnten versorgt und das Projektil aus der Milz entfernt werden. Durch die stumpfe Gewalteinwirkung gab es mehrere Einrisse und Hämatome an Leber und Magen, aber auch das konnten wir wieder richten. Sorgen macht uns im Moment noch die Lunge, da eine gebrochene Rippe den rechten Lungelflügel verletzt hat. Aber wenn sie die nächsten 24 Stunden stabil bleibt, bin ich zuversichtlich, was die Genesung betrifft." Ich schluckte, das hatte sich wirklich gar nicht gut angehört. Aber immerhin hatte sie es vorerst geschafft und so wie Nahele von ihr erzählt hatte, hielt ich das Mädchen für eine großartige Kämpferin. "Kann ich zu ihr?", erkundigte Nahele sich und der Arzt nickte. "Natürlich, Sie sind ja ihre Familie. Aber bitte nicht mehr als drei Personen und auch nicht mehr so lange. Was ist denn mit den Eltern?" "Es gibt keine mehr, sie hat nur noch mi-uns." Der Arzt nickte verständnisvoll, dann brachte er Nahele, mich und Chin zu Iolanas Zimmer. Sie war schon wach, allerdings wirkte sie noch ziemlich benommen und orientierungslos. Als sie Nahele sah, begann sie jedoch zu lächeln. "Hi." Es klang heiser und war mehr ein Flüstern, aber Nahele lief sofort zu ihr und setzte sich auf die Bettkante. "Hey. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt." "Tut mir Leid, war nicht meine Absicht." Sie schaute hinter Nahele und entdeckte mich und Chin. Ihr Blick wurde schuldbewusst. "Bei Ihnen muss ich mich wohl auch entschuldigen, Commander. Immerhin hab ich Ihnen eine Pistole an den Kopf gehalten." Ich winkte ab und lächelte leicht. "Steve, bitte. Und da ich deine Beweggründe kenne, kehren wir das jetzt mal unter den Tisch. Vorerst zumindest." Iolana nickte dankbar, dann schaute sie neben mich. "Sie müssen Lieutenant Kelly sein, der Nahele die Informationen besorgt hat?" "Ja, richtig. Aber Chin reicht völlig." Iolana wandte sich wieder Nahele zu. "Ich hab dir ganz schön viel Ärger eingebrockt, oder?" "Mach dir darüber keine Gedanken, sondern werd' lieber schnell wieder gesund. Der Arzt meinte, dass es verdammt knapp war." "Aber knapp geschafft ist trotzdem geschafft." Ich bemerkte, dass Iolanas Augenlider immer weiter nach unten wanderten, weshalb ich zu Nahele ging und ihm die Hand auf die Schulter legte. "Ich denke wir sollten deiner Freundin jetzt mal etwas Ruhe gönnen, damit sie sich auch wirklich erholen kann." Nahele nickte und stand auf, verabschiedete sich von Iolana und drückte ihr sogar einen sanften Kuss auf die Wange, bevor er hinter mir und Chin das Zimmer verließ. Auf dem Weg zu den anderen blieb mir nicht unbemerkt, dass er immer mal wieder nach hinten schaute und ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

You're my home (Hawaii Five-0 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt