I O L A N A
"Überfall! Leeren Sie die Kasse aus!" Unzufrieden stieß ich die Luft durch die Nase aus, sodass ein lautes Schnauben zu hören war. "Nein, so nicht", flüsterte ich mir selbst zu, bevor ich das Szenario erneut in meinem Kopf ablaufen ließ. Vielleicht doch eher: "Das ist ein Überfall! Mach die Kasse leer und pack mir alles hier rein!" Aber dafür hätte ich eine Tasche oder Ähnliches gebraucht und ich hatte nur den kleinen Beutel mit meinen wichtigsten Sachen darin. Das vernehmliche Knurren meines leeren Magens unterbrach meine Überlegungen. Erschöpft ließ ich mich an der Wand neben mir nach unten gleiten und versuchte, mich nicht vor Hunger zu übergeben. Die Übelkeit raubte mir fast den Atem, doch ich blieb standhaft und konzentrierte mich auf die Pistole in meiner Hand. Das Metall war kühl und bildete einen extremen Kontrast zur äußeren Temperatur, die zurzeit herrschte. Obwohl es schon fast 23 Uhr war und die Sonne nicht mehr schien, lag die Restwärme des Tages in der Luft und jedes Einatmen stank nach dem Schweiß, den die Menschen in Honolulu heute hatten ertragen müssen. Seufzend und schwerfällig richtete ich mich auf und taumelte einen Moment, dann atmete ich entschlossen durch, schulterte den Beutel mit meinen wichtigsten Sachen und lief los. Immer wieder schaute ich mich verstohlen um, obwohl bei meinem Anblick wohl niemand irgendwas vermuten würde. Fast schon auffällig unauffällig streifte ich durch die Straßen Honolulus bis ich am Strand mein Ziel erreichte. Der Shrimp-Truck stach mit dem großen, roten Logo darauf deutlich hervor. Ein letztes Mal straffte ich die Schultern, richtete den Beutel, sodass er mich nicht behinderte, und entsicherte die Waffe. Dann lief ich mit großen und festen Schritten auf den Wagen zu. Die Klappe war noch ein wenig geöffnet, aber der Blick ins Innere wurde einem von Außen verwährt, was definitiv von Vorteil war. So würde niemand mich dabei beobachten, wie ich eine Straftat beging. Die Tür an der kurzen Seite war ebenfalls nur angelehnt und die Übelkeit überrollte mich erneut in einer so heftigen Welle, dass ich mich fast neben den Truck erbrochen hätte. Aber ich presste die Lippen zusammen und atmete tief durch, bevor ich mir die Kapuze meines dünnen Hoodies tief ins Gesicht zog und die Tür aufstieß. Mit drei Schritten war ich die kleine Treppe nach oben gejoggt und zog die Tür hinter mir zu, die Waffe auf den jungen Angestellten in meinem Alter gerichtet, der mich erschrocken anstarrte. Doch ich ließ mich nicht beirren und hielt ihm weiter den Lauf aufs Gesicht gerichtet. "Ich will alles aus der Kasse und was du schon rausgeräumt hast. Sofort! Und keine Tricks, sonst bist du tot." Ich merkte selbst, dass ich unglaubwürdig klang, doch das Grummeln meines Magens machte mir erneut den Ernst der Lage bewusst. Der Junge kam meiner Aufforderung nach und ich entspannte mich ein wenig. Doch darauf hatte er offensichtlich nur gewartet, denn er stürzte sich plötzlich auf mich. Instinktiv verteidigte ich mich und versuchte, ihn nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Wir rollten uns in dem kleinen Gang hin und her, knallten gegen die Schränke und warfen einige Sachen hinunter, aber meine Aufmerksamkeit lag eher darauf, dass er meine Handgelenke nicht zu fassen kriegen durfte. Genau danach sah es jedoch momentan aus und dann spürte ich plötzlich seine Hand an meiner rechten. Es knallte zwei Mal. Ich riss die Augen auf und starrte ihn an. Er riss die Augen auf und starrte mich an. Die Welt schien stillzustehen. Bis ein lautes Piepsen in meinem Ohr mich zurück in die Realität holte und ich ein neues Gefühl verspürte, dass ich vorher nicht gekannt hatte. Ein dumpfes Gefühl, wie bestialische Schmerzen, die man nur durch einen Wattebausch spürte. Ein Wimmern verließ meine Kehle und ich stieß einen gurgelnden Laut aus, bevor ich die Pistole losließ und meine Hände zu meinem Bauch wanderten. Mein Gegner erhob sich von mir, sein Blick wanderte von seinem T-Shirt, auf dem ein Blutfleck zu sehen war, zu mir. Ich war kurz davor mich wirklich zu übergeben, doch ich musste zuerst hier weg, bevor die Polizei herkommen würde. Also richtete ich mich schwerfällig auf, während der Junge mich immer noch anstarrte. Sobald ich stand, stützte ich mich an einem der Schränke ab, wobei ich einen blutigen Abdruck hinterließ. "Ich rufe einen Krankenwagen", murmelte mein Gegenüber schließlich vor sich hin, doch ich wurde sofort panisch. "Nein! Keinen Krankenwagen. Ich gehe einfach. Bitte, ruf nicht die Polizei. Ich hab doch nur Hunger." Der Junge musterte mich skeptisch, sein Blick schweifte über meinen gesamten Körper. "Lebst du auf der Straße?" Vorsichtig nickte ich, denn manche Männer zogen aus meinen Lebensumständen und der Tatsache, dass ich Geld brauchte, gerne ihre Vorteile. Doch der Lockenkopf vor mir schien nicht so zu sein. Stattdessen drehte er sich um und reichte mir ein Stück Baguette. "Das ist alles, was noch hier ist." Ungläubig, dass er mir half, obwohl ich ihm eine Waffe ins Gesicht gehalten hatte, griff ich nach dem Brot und hielt es wie etwas Heiliges in den Händen, denn genau das war es für mich. "Dankeschön. Es tut mir so Leid. Ich sollte jetzt gehen." Der Junge wollte noch etwas sagen, doch ich drehte mich auf dem Absatz um, riss die Tür auf und torkelte aus dem Truck. Bevor mich irgendjemand sehen oder der Junge mir folgen konnte, war ich im Schatten der Palmen verschwunden.
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You're my home (Hawaii Five-0 FF)
FanfictionIolana, "die Fliegende", deren Flügel gebrochen sind. Vater und Bruder tot, Mutter nach Mord am Vater im Gefängnis. Das Leben auf der Straße zerrt an der 17-Jährigen Insulanerin und schließlich beschließt sie vor Hunger, einen Imbiss zu überfallen...