Kurz vorm Showdown

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I O L A N A

Erneut begann ich zu würgen und beugte mich sofort über die Bettkante, um den Eimer neben mir zu benutzen. Sobald ich mich vorsichtig wieder zurücklehnte, nahm Nahele den Eimer und verschwand, um ihn auszuleeren, ein klein wenig Wasser hineinzufüllen und ihn wieder hinzustellen. Seit zwei Tagen wurde es immer schlimmer. Am Anfang ließ nur die Wirkung der Schmerztabletten nach, dann bekam ich Fieber, Schwindelanfälle, Kopfschmerzen und Übelkeit bis hin zu kurzzeitiger Ohnmacht. Nahele versuchte mir so gut es ging zu helfen, aber auch er wusste nicht mehr weiter. Er wollte vor mir den starken Mann spielen und immer zuversichtlich sein, aber wenn er dachte, dass ich schlief, hörte ich ihn murmeln, sich Vorwürfe machen und Pläne schmieden. Die Schusswunde an meinem Bauch hatte zu eitern begonnen und sich am Rand komisch verfärbt, außerdem brannte sie höllisch und ich bewegte mich mittlerweile nur noch, wenn ich unbedingt musste. Ich wollte es Nahele nicht sagen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass das für mich nicht gut enden würde.





S T E V E

"Hey Brah." Überrascht schaute ich auf und entdeckte Naheles Boss. "Kamekona, was verschafft mir die Ehre?" Wir schlugen ein und er setzte sich auf das Sofa in meinem Büro. Schnell tippte ich den letzten Satz für die Akte unseres abgeschlossenen Falls am Computer, dann wandte ich mich meinem Kumpel zu. "Was kann ich für dich tun?" Der Insulaner schien mit sich zu ringen, dann seufzte er und schaute mich geknickt an. "Ich glaube Nahele hat Probleme." Sofort spannte ich mich an. Durch den Fall hatte ich keine Möglichkeit mehr gehabt, mit dem Jungen zu reden. Und so wie Kamekona aussah, war es schlimmer als erwartet. "Wie kommst du darauf?", erkundigte ich mich also besorgt. "Seit ein paar Tagen fehlt immer wieder etwas Geld in der Kasse. Und er isst und trinkt einiges mehr. Den Wohnwagen schließt er immer ab, auch wenn er drin ist und ich durfte seit fast zwei Wochen nicht mehr rein. Er zieht die Vorhänge zu und schaut sich ständig um, total nervös und angespannt. Bei der Arbeit kann er sich nicht konzentrieren und vergisst Bestellungen oder lässt sie fallen. Aber das schlimmste ist, dass ich neulich was hinter dem einen Reifen des Wohnwagens gefunden hab. Er hatte sie da versteckt." Durchdringend schaute ich Kamekona an. "Was hat er da versteckt?" "Eine Pistole." Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde einen Schlag aussetzen. Es war noch viel schlimmer, als ich dachte. Was war bei Nahele los, dass er eine Waffe versteckte und Kamekona Geld stahl? Entschlossen stand ich auf. "Es war richtig, dass du hergekommen bist, Brah. Ich werde sofort zu Nahele fahren und mit ihm reden." Mein Kumpel nickte und erhob sich ebenfalls. "Er ist gerade am Truck und räumt auf. Ich muss noch was in Pearl City erledigen." "Alles klar." Wir verabschiedeten uns und Kamekona verließ mein Büro. Ich holte die Akte wegen Naheles Anzeige aus meiner Schublade, dann ging ich ebenfalls. Die Fahrt zum Strand dauerte nicht lang und als ich ausstieg, war es fast menschenleer. Die meisten Menschen waren heute bei einem Strandfest weiter nördlich, nur wenige suchten sich ruhige Stellen zum Spazieren oder ähnlichem aus. Ein letztes Mal atmete ich tief durch, dann stieg ich aus. Die Mappe mit der Anzeige hielt ich fest umklammert, während ich mich mit energischen Schritten dem Truck näherte. Als ich noch ein kleines Stück entfernt war, hielt ich in der Bewegung inne und traute meinen Augen nicht. Durch einen schmalen Spalt konnte ich Nahele sehen, der sich gerade einige Scheine aus der Kasse zusammensuchte. Wütend und entschlossen rannte ich los und riss die Tür auf. Erschrocken schaute der Dunkelhaarige mich an und versteckte seine rechte Hand hinter dem Rücken. Auffordernd schaute ich ihn an. "Gib mir sofort das Geld, das du gerade gestohlen hast." Für einen Moment regte er sich nicht und schaute mich einfach nur an, dann senkte er mit schuldbewusster Miene den Kopf und gab mir die Scheine. Ich legte sie zurück in die Kasse, bevor ich Nahele musterte. Er sah schlecht aus. Tiefe Augenringe schmückten sein Gesicht zusammen mit einer unnatürlichen Blässe, seine Haare standen wirr in alle Richtungen ab und er wirkte matt und erschöpft. "Was ist los, Nahele? Wieso klaust du Geld?" Er zuckte die Schultern, aber das ließ ich ihm nicht durchgehen. "Sag mir die Wahrheit: Hast du mit jemandem Stress? Oder willst du dir einfach nur irgendwas kaufen?" Nahele zeigte keine Reaktion, weshalb ich ihn noch wütender anfunkelte. "Verdammt, Keiki, was hast du denn? Wieso redest du nicht mit mir, sondern mit Chin? Warum darf ich davon nichts wissen? Wer war die Frau, die Chin überprüfen sollte? Wieso hast du dir eine Waffe besorgt und versteckst sie unter deinem Wohnwagen?" Überrascht schaute Nahele mich an und ich nickte. "Ja, ich weiß von der Pistole. Kamekona ist zu mir gekommen, weil er sie entdeckt hat und sich schon länger Sorgen um dich macht. Also rede endlich mit mir! Ich habe dir doch versprochen, dass ich dich immer beschützen würde. Daran hat sich nichts geändert." "Ich muss aber nicht beschützt werden!", brüllte Nahele plötzlich und starrte mich an. Seine Augen glänzten und ich erkannte Schmerz und Besorgnis, konnte sie jedoch nicht zuordnen. Wieso redete er denn nicht richtig mit mir? Wieso vertraute er mir nicht mehr? Mit einem Blick auf Naheles zitternde Hände öffnete ich die Mappe in meiner Hand und hielt ihm das Blatt Papier unter die Nase. "Du weißt doch noch, was das ist, oder?" Nahele nickte, sagte aber nichts. "Ich habe dir damals gesagt, dass das Ding schneller unterschrieben ist, als du gucken kannst, wenn du irgendwelche krummen Sachen machst. Allein die Tatsache, dass du dir eine Waffe besorgt hast, wäre sowas." "Ich hab sie mir doch gar nicht besorgt." Überrascht starrte ich Nahele an. "Wie bitte?" "Ich sagte, ich hab sie nicht besorgt. Ich hab sie gefunden." "Und dann dachtest du dir, die behältst du einfach mal, oder was? Nahele, damit könnte eine Straftat verübt worden sein und jetzt sind deine Fingerabdrücke drauf." Mein Gegenüber zuckte nur die Schultern, woraufhin ich innerlich seufzte. "Gib sie mir." "Nein." "Das war keine Bitte, sondern ein Befehl." "Wir sind nicht bei der Navy Steve und du bist auch nicht mein Vater. Also nein und jetzt lass mich in Ruhe." Naheles Stimme zitterte und ich wich erschrocken einen Schritt zurück. Was war bloß los mit ihm? So sprach er sonst nie und vor allem hatte er mich bisher immer als eine Art Ersatz-Vater angesehen. Ohne es zu wollen, spürte ich einen Stich in meinem Herz. Um die Gefühle zu unterdrücken, kniff ich die Augen leicht zusammen und legte die Anzeige wieder in die Mappe. "Du hast bis morgen Abend Zeit mir alles zu erklären, ansonsten landet das Ding beim Staatsanwalt und du im Knast."

You're my home (Hawaii Five-0 FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt