Achtunddreißig

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Als ich aus dem Schultor trat, hatte die Dämmerung schon eingesetzt.

Kalte Luft schlug mir entgegen, als ich ins Freie trat und die Tür eilig hinter mir schloss.
Es würde ein kalter Winter werden. Selten hatte ich solche niedrigen Temperaturen vor Winterbeginn erlebt.

Schnell eilte ich über den Schulhof, in der Hoffnung von möglichst wenigen Menschen gesehen zu werden.
Innerhalb der Schülerschaft liefen bereits die heißesten Wetten, über Shawns und mein mögliches Scheitern, oder welche Aufgabe wir als nächstes erfüllen würden.
Ich hatte keine Lust, dass halb Hogwarts vor Beginn der nächsten Stunde bereits wusste, dass wir uns erneut auf den Weg gemacht hatten.
Je weniger Publikum desto besser.
Die Kapuze meines Umhangs war tief in mein Gesicht gezogen und meine Stiefel stapften über den gefrorenen Boden.
Nur vereinzelte Schüler liefen noch über den Hof und flüchteten sich schnell in die warmen Hallen Hogwarts.
Sie schienen mich nicht einmal wahrzunehmen.

Ich atmete tief durch und presste den einzigen Gegenstand, den ich bei mir trug fester an meine Brust.

Mit einer Hand hielt ich meinen kleinen Lederbeutel umschlungen.
Es war derselbe, den ich schon bei der Alraunen Aufgabe bei mir getragen hatte.
Er war mit einem Raumzauber versehen, sodass ich Gegenstände jeder Größe, in beliebiger Menge in ihm lagern konnte.
Ich presste ihn fest an mich, als ich das Schulgelände langsam verließ.

Diesmal war ich besser vorbereitet.
In meinem Beutel befanden sich nicht nur mein Zauberstab und ein kleines Gläschen für die Träne des Zentauren, sondern auch ein Erste-Hilfe Kasten, Taschenlampen, mein Handy und Müsliriegel... alles für den Fall der Fälle.

Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit war ich am Treffpunkt angelangt. Ich hatte es nicht länger ausgehalten im Schlafsaal auszuharren und die Uhr anzustarren. Ob ich es wollte oder nicht, immer wieder hatte ich mir verschiedene Szenarien des bevorstehenden Ereignis ausgemalt, doch ich konnte mir bei bestem Wille nicht vorstellen, wie die Zentauren auf unsere Forderung reagieren würden.
Vielleicht wollte ich es auch gar nicht wissen.
Ich hatte mich bestmöglich auf diese Aufgabe vorbereitet, doch keiner konnte wissen, was uns bevorstehen würde.

Nervös wippte ich von meinen Zehen auf meine Ballen und blickte in den dunkelblauen Himmel.
Die Luft war eiskalt, machte mich wach und brachte Klarheit in meine wirren Gedanken.
Ich atmete tief durch und genoss das Gefühl der Kälte, die mich von innen heraus erfüllte.
Keine Nervosität, keine Angst. Nur Kälte.

Mein Blick fiel wieder auf den Weg vor mir und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.
Shawns große Statur war in meinem Blickfeld erschienen.
Mit festen Schritten kam er mir immer näher, bis er nur noch wenige Meter von mir entfernt war.
Sein schwarzer Umhang wehte im Wind und wog sich sanft um ihn herum. Seine Locken waren von Wind ganz zerzaust und seine Hände waren tief in seinen Taschen vergraben um ihnen ein bisschen Wärme zu spenden.
Ich konnte seine Augen sogar aus dieser Entfernung leuchten sehen und spürte wie mein Herz einem Sprung machte, als er mich anlächelte.

Plötzlich wurde ich furchtbar nervös.
Wie sollte ihn begrüßen?
War irgendwas komisch zwischen uns?
Was sollte ich bloß sagen?

Ich war von mir selber überrascht, woher die plötzliche Unsicherheit kam, doch als ich etwas darüber nachdachte, wurde mir bewusste, dass ich wahrscheinlich gar nicht so falsch lag.
Irgendwie war die Situation komisch zwischen uns.
Wir würden das erste Mal seit langem wieder Zeit alleine verbringen.

,,Hey." Ich blickte auf und meine Augen fanden seine.
Sein Lächeln war ehrlich und strahlend und ließ mich für einen kurzen Moment alles vergessen.

,,Hi." grinste ich schüchtern und eher ich mich über meine zittrige Stimme ärgern konnte, hatte Shawn mich in eine feste Umarmung gezogen.
Etwas überrumpelt erwiderte ich sie und entspannte mich aber sofort, als sich seine starken Arme um mich legten.

,,Schon komisch " meinte Shawn als wir uns wieder voneinander gelöst hatten und uns langsam in Bewegung setzten.

,,Was meinst du?" fragte ich und spielte mit meinem Beutel in der Umhangstasche.

,,Dass wir jetzt hier stehen, als sei nichts passiert. Wir uns einfach wieder auf den Weg machen, als sei nichts passiert. Das ist ein komischen Gefühl. Zu Wissen wohin uns das das letzte Mal geführt hat und wir trotzdem einfach weitermachen." Sein Blick war auf den Weg vor uns gerichtet.

,,Ja." Ich nickte leicht. ,,Es ist als müssen man gegen seine natürlichen Instinkte kämpfen. Alles in mir schreit einfach wieder zurück zum Schloss zu rennen und mich im Bett zu verkriechen. Und trotzdem arbeitet mein Kopf die ganze Zeit dagegen an."

Shawn lachte.
,,Das trifft es ziemlich gut."

Eine Zeit lang liefen wir schweigend nebeneinander her und die Stille wurde immer unangenehmer.

,,Woher wissen wir eigentlich wo wir hinmüssen?" platzte es schließlich aus mir heraus, weil ich die drückende Stimmung um uns nicht mehr aushielt.

,,Genau können wir das nicht sagen." Shawn blieb am Waldrand stehen und blickte in die gähnende Dunkelheit vor uns.
,,Die Zentauren haben im Wald keinen festen Aufenthaltspunkt, aber sie werden es schnell merken, wenn Eindringlinge im Wald sind."
Das Wort Eindringlinge ließ mich erschaudern und ich hoffte, dass wir nicht auch als solche behandelt würden.
Shawn brach einen Ast ab und trat in die dunklen Schatten der Bäume.

,,Sie müssen uns finden. Nicht wir sie."

Ich schluckte schwer und nickte.

Ich folgte Shawn in den Wald. Das Blätterdach über mir wurde mit jedem Schritt, den ich ging dichter und bald schon umgab und nur noch ein schummriges Licht.

,,Langsam bereu ich es, dass wir schon heute Abend aufgebrochen sind." gab ich zu und schaute mich um.
,,Ich meine der Verbotene Wald ist ja schon so überdurchschnittlich beängstigend, aber in Kombination mit der Dunkelheit..."

,,Hast du etwa Angst?" neckte mich Shawn und ich zog eine Augenbraue hoch.

,,Du etwa nicht?"

Shawn zuckte mit den Schultern.
,,Es ist keine Angst. Ich würde es eher als innere Unruhe bezeichnen, das Gefühl sich die ganze Zeit umgucken zu müssen."

Ich lachte leise.
,,Das ist Angst, Shawn."

,,Nein. Das ist noch keine Angst, vertrau mir." Er versteifte sich für einen kurzen Moment und fuhr dann aber unbeirrt fort.
,,Auf jeden Fall hat das bei mir nichts mit der Dunkelheit zu tuen. Ich mag es im Dunkeln fast lieber."

,,IcH mAg Es iM dUNkeLN fAst liEBer." äffte ich ihn nach und lachte.
,,Sorry, Mister Dracula."

Kaum hatte ich den letzten Satz ausgesprochen, hatte sich Shawn schon bewegt.
Eher ich mich versah, stand ich mit dem Rücken an einen Baum gepresst am Wegesrand und starrte erschrocken in Shawns grinsendes Gesicht.

Expecto Patronum || Shawn Mendes FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt