21. Kapitel

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Die Kräuterhexe legte Yara beruhigend eine runzelige Hand auf den Arm, ihren inneren Zwiespalt erahnend.

"Wir kennen uns bereits." Als würde sie diese Aussage auch nur ansatzweise beruhigen. Es gab so viel, dass sie nicht wusste und somit aus diesem kleinen Kreis ausschloss. Erst als Nashra durch ihren Geist zog und ihr ein Bild der Vergangenheit offenbarte, entspannte sie sich und bemerkte, dass alle auf ihr Einverständnis warteten. Glenda hatte Nashra geheilt, nicht mehr und nicht weniger. Unangenehm berührt für ihr leicht trotziges Verhalten saß sie vor der Frau auf.

Der Flug zog sich in die Länge, obwohl es sich dabei nur um Minuten handeln konnte. Schon von weit war deutlich zu erkennen, wie schlecht es um Accendare stand. Die Blutlache um den leuchtenden Drachen war so groß, dass man sich unwillkürlich fragen musste, ob sich überhaupt noch etwas davon in dem Körper des Drachenweibchens befand. Bryan war wieder bei Bewusstsein, allerdings noch recht bleich im Gesicht, was wohl dem schrecklichen Zustand seiner Gefährtin zufiel.

Yara mochte sich nicht ausmalen, wie sie an seiner Stelle zu reagieren vermochte.

Glenda machte sich sofort an dem verwundeten Geschöpf zu schaffen. Yara drängte sich unterdessen in die Schatten Nashras und verschloss vor dem Grauen die Augen. Denn auch wenn sie Hoffnungen hegte, wusste sie tief in sich drin, dass Accendares Leben sich dem Ende neigte.

Beklommenkerte sie zu dem kleinen Lager zurück.

Alan hatte sich zwischen Raaik und Bryan niedergelassen und ließ die Heilerin tun, was sie in dieser Situation noch tun konnte. So wie er da schwer atmend lag, wirkte Bryan auf Yara wie das Kind, das er im Grunde noch war. Gerade volljährig und voller Optimismus, nichts ahnend von den harten Seiten des Lebens, die ihn nun auf einen Schlag eingeholt hatten. Sie griff nach seiner Hand, doch sein Blick fand nicht den ihren.

"Ich hab gesehen", murmelte er geschwächt, "dass ich sterben werde." Entsetzt warf Yara einen Blick zu Alaneo, der sich ihnen mit einem ähnlich bestürzten Gesichtsausdruck zuwandte. "Accendare und ich haben gemeinsam diesen Weg tzm Wohle aller Drachen gewählt. Es ist an euch, das beste draus zu machen."

Ihr fehlten die Worte, die Alaneo für sie beide fand: "Das hättet ihr nicht tun müssen. Kein Schicksal der Welt ist in Stein gemeißelt." Bryan lächelte schwach und fand ein letztes Mal ihren Blick.

"Aber man kann immer etwas ändern, um es zu seinen Wünschen zu formen. Ich mochte dich wirklich, Yara." Sie lächelte ihn hilflos an.

"Es tut mir leid", wisperte sie und wusste nicht einmal, wofür genau sie sich entschuldigte. Doch das hörte Bryan schon nicht mehr, denn sein Blick war leblos gen Himmel gerichtet, gerade als Glenda von dem verstorbenen Wesen zurücktrat. Es war, als hätte ihnen das Schicksal von hinten ein Bein gestellt. Lunos' Verschwinden und Bryans Tod lagen in den Machenschaften der Jäger begründet, weshalb Alan sie spätestens jetzt als reelle Gefahr ansehen und seinen Bekannten unter den Hütern melden musste.

Sanft schloss Yara die Augen des Toten. Es erschien ihr unfair, so früh in das Reich des Todes steigen zu müssen und die letzten Minutem nicht einmal an der Seite seines Seelengefährten verbringen zu dürfen. Eine einzelne Träne tropfte auf sein Gesicht und schien wenige Wimpernschläge später seinen ganzen Körper einzuhüllen. Neugierig verfolgte sie, wie Bryans und Accendares Körper durchsichtig wie fließendes Wasser wurden, ineinanderflossen und letzendlich im Boden versanken.

Etwas zugleich so schönes und trauriges hatte sie noch nie beobachten dürfen. Zurück blieb ein Bergkristalm, in welchem zwei blaue Ströme umeinander wirbelten. Atemlos betrachtete sie das Schauspiel und wie der Hüter den Kristall bedächtig in seinen Beutel legte.

Nashra - Kristall Chroniken IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt