Yara hatte einen schalen Geschmack im Mund und etwas verursachte ihr Übelkeit. Die Erinnerung kam, als sie sich näher an Alan schmiegte. Sie löste sich sanft aus ihrer Umklammerung und er schlug die Augen auf. In seinem Blick erkannte sie dieselbe Verwirrung und Schuld, die auch in ihr tobten.
"Er ist weiterhin dort draußen", wisperte er und schloss erschöpft die Augen, obwohl er erst vor wenigen Sekunden erwacht war. "Wir müssen weiter", bestimmte er lauter. "Am besten statten wir Glenda eine Besuch ab und überlegen dir, ob wir uns Pferde für den Weg in die Stadt nehmen." Es stimmte sie wehmütig, diesen friedvollen Ort schon nach wenigen Tagen für längere Zeit wieder verlassen zu müssen. Ihn in schlechter Erinnerung ohne Lunos halten zu müssen ohne zu wissen, ob sie wiederkehren würden.
"Ich gebe Bryan Bescheid", erklärte sie und stand auf. Einen Moment lang blieb sie unschlüssig stehen. Sie waren noch nicht so weit, um voreinander die muffige Kleidung vom Vortag zu wechseln. Seitdem sie der Straße fernblieb, hatte sich in ihr die beharrliche Eitelkeit festgesetzt, nicht zu ihrem verwahrlosten Abbild zurückzukehren. Ein Teil von ihr schämte sich dafür, denn es gab viele Menschen, die ihr Schicksal geteilt hatten. Nur weil es ihr inzwischen auf Kosten eines anderen hervorragend ging, war sie nicht etwa besser. Alaneo war zwischenzeitlich wieder eingenickt, worüber sie recht froh war. So wa es von seinen Sorgen abgegrenzt und erholte sich zugleich von den Strapazen der letzten Tage. Sie selbst spürte diese nur zu deutlich, sah jedoch keinen Sinn darin, schlaflos im Bett zu liegen, während es so viel zu erledigen gab.
Bryan hatte die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Das führte ihr wieder vor Augen, dass sie sich ähnlicher waren, als sie sich eingestehen wollte. Auch wenn er sicherlich nicht so leichtfertig seinen Drachen in die Flucht schlagen würde.
"Guten Morgen", grüßte sie ihn, nachdem er hinter der Hütte hervorgetreten war. "Wir wollen so früh wie möglich in Richtung Stadt aufbrechen." Sie wählte ihre Worte mit Bedacht, um ihm keine Grundlage für eine Provokation zu liefern. Er durchschaute ihre Halbwahrheit trotzdem.
"Du meinst, Alaneo möchte den Weg so schnell wie möglich antreten. Warum hat sich seine Meinung bezüglich der Machenschaften der Jäger eigentlich geändert? Nachdem er nun selbst betroffen ist?" Yara musste sich eingestehen, dass sie das selbst nicht so recht wusste. "Oder vielleicht glaubt er inzwischen selbst, dass das sein Einfall war." Es war schwer, den Zynismus zu überhören. Yara mochte es nicht, Bryan so über den Mann sprechen zu hören, der einen großen Teil ihres Herzens einnahm.
"Ich kann dir versichern, dass dem nicht so ist", wehrte sie ab. Er blickte sie wissend an und sie meinte, Verletztheit in seinen Augen zu lesen.
"Du liebst ihn", hauchte er und verzog die Lippen. Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, schüttelte sie abwehrend den Kopf. Liebe war so ein großes Wort, und es hätte noch nie wirklich zu ihrem Wortschatz gehört. Tiefe Verbundenheit und ein von innen wärmendes Gefühl trafen es schon eher. Er beließ es dabei.
"Ich möchte mich auch entschuldigen." Unbehaglich nestelte er an seinem Mantel her um. "Du weißt schon. Weil ich dich bedrängt habe." Es musste ihn viel Überwindung kosten, dies zuzugeben. "Vielleicht hat man es dir schon erklärt, ich konnte wirklich nichts dagegen tun. Du hattest dich gerade erst an deinen Drachen gebunden und ich konnte mich dieser ursprünglichen Anziehungskraft nicht entziehen. Ich kann mir nicht erklären, wie Alaneo es geschafft hat. Mir fällt es immer noch schwer." Bryan merkte erst gar nicht, wie er sie Wort für Wort weiter verunsicherte. Eigentlich hatte sie angenommen, die Phase der Zweifel hinter sich gelassen zu haben, doch es wallten neue in ihr auf.
"Denkst du, er liebt mich?", fragte Yara leise. Es war ihr unangenehm, diesen Teil ihrer Gedankenwelt preiszugeben und dann auch noch vor Bryan, der ihr gestanden hatte, immer noch die Anziehung zweier Drachenpartner zu spüren. Nur warum spürte sie diese weder bei Bryan noch bei Alan. Es war wie ein kleiner Schlag ins Gesicht.
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Nashra - Kristall Chroniken I
FantasyYara lebt auf der Straße, in einer Zeit, in der jede Art von Magie verachtet wird. Sie ist auf der Flucht vor sich selbst und ihrer Vergangenheit, als sie auf Alaneo und seinen kleinen Bruder trifft, die so gar nicht in diese schmutzige Seite der Ge...