11. Kapitel

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"Ich hab an vielen Orten gelebt. Früher war es leichter, als kein Mensch unsere einzige Schwäche kannte. Vor wenigen Tagen hat mich eine Gruppe Drachenjäger angegriffen, Alaneo hat mich in letzter Sekunde vor ihnen gerettet. In der Höhle, in der du meinen Stein gefunden hast, habe ich mich regeneriert."

"Das mit den Kristallen verstehe ich noch nicht so recht", gab Yara zu. Sie bildete sich ein, Nashra gutmütig lächeln zu sehen, doch das war unmöglich, da er sich keinen Millimeter bewegt hatte und immer noch anmutig wie eine Statue vor ihr lag.

"Sie sind unsere Verbindung an diese Welt. Wären diese Kristalle nicht so etwas wie unsere Erdung, könnten wir uns frei in allen Dimensionen bewegen. Jeder braucht eine Schwäche, die Natur hat uns diese gegeben. So zumindest hat man es mir erklärt. Es gibt Drachen, die noch so viel älter als ich sind." Es fühlte natürlich an, ihm zu vertrauen. Als hätte sie ihr Leben lang auf den Drachen gewartet. Sie und ihre Magie. In Büchern hatte Yara angebliche Seelenverwandtschaften mit einem Stirnrunzeln abgetan. Nie hätte sie gedacht, dass ihr etwas derart wundervolles passieren würde.

"Und ich hab schon begonnen, mich alt zu fühlen", schmunzelte sie. "Dadurch, dass wir Menschen auch ein Teil der Natur sind, können wir uns praktisch in diese Verbindung einklinken, richtig?"

"Davon gehe ich aus. Ist man einmal gebunden, kann man es nicht mehr auflösen. Menschen, die eine Affinität zu Magie haben finden die Kristalle nahezu automatisch. Da gibt es kein Entkommen. Aber nicht alle haben solch ein reines Herz wie du es besitzt." Geschmeichelt senkte sie den Blick.

"Heißt das, Drachenpartner töten ihre eigenen Drachen? Schaden sie sich damit nicht nur selbst?" Entsetzt schlug sie sich die Hand vor den Mund. Yara konnte die anfängliche Angst nachvollziehen, doch jetzt erschien es ihr unmöglich, ein solch vollkommenes Wesen auf grausige Art zu meucheln.

"Es gibt wenige Jäger, die gleichzeitig ein Drachenpartner sind. Die meisten sind verängstigte Menschen, die es nicht besser wissen." Der Drache klang beinahe mitleidig. Dafür hatte sie kein Verständnis, solche Menschen verdienten kein Mitleid. "Gebundene Jäger sind Ausgestoßene ihrer eigenen Gesellschaft und nutzen ihre Drachen nur aus. Töten können sie sie nicht, denn ihre Leben sind ebenfalls aneinander gebunden." Yara schluckte schwer.

"Heißt das, ich bin jetzt unsterblich?"

"Deine Lebenszeit hängt von meiner ab und andersherum ebenso. Sterben können wir trotzdem." Nashra gähnte, während er ihre gesamte Welt in ihrem Kopf umstellte. "Aber ja, Drachen werden so ziemlich unendlich alt. Entschuldige bitte. Wir sind nachtaktiv und ich würde mich gerne zurückziehen. Dir den gesamten Weg zu folgen war Kräftezehrend. Wir sehen uns später." Als er aufstand, blies er ihr sanft durch die Haare. Sein Atem roch angenehm nach Holz und Rauch. Überhaupt nicht unappetitlich, wie sie angenommen hatte.

Yara blieb bis zur Dämmerung in ein und derselben Position sitzen. Nashra musste ihr etwas von seinem Feuer gegeben haben, denn sie fror kein bisschen, obwohl der Wind beißend um ihre Ohren zischte. Niemand suchte nach ihr und das war gut so.

Wenn Alaneo ebenfalls an einen Drachen gebunden war, war auch er unsterblich. Es war ein Meisterwerk, so ein großes Geheimnis so lange zu wahren. Sie nahm nicht an, dass Lunos oder irgendjemand sonst davon wusste. Zu groß war das Risiko, mithilfe der Angst einen weiteren Jäger zu erschaffen.

Ewig würde Alaneo seinen Bruder nicht außen vor lassen können. Spätestens wenn sein jüngerer Bruder älter aussah als er selbst.

Yaras Gedanken wanderten mal hier hin, mal dort hin. Um eine Tatsache kam sie allerdings nicht herum: ein dringendes Gespräch mit Alaneo war fällig. Aber sie wagte es nicht, sich zu rühren. Nashra würde jeden Moment auftauchen und sie konnte es kaum erwarten.

Nashra - Kristall Chroniken IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt